Mich selbst fühlen ist für mich sehr wichtig. Je mehr ich auf mich selbst und meine eigenen Gefühle zugehe, desto weniger hänge ich daran, was mein Partner gemacht hat, wodurch ich mich so fühle. Also nicht: sie hat dies und das gemacht, und deshalb fühle ich mich so, sondern ich fühle mich, fühle meine Gefühle.
Das ist irgendwie und oft schwierig, weil ich gewohnt bin, das ich doch meine Gefühle immer im Zusammenhang mit meiner Partnerin setze - und ihre zu mir. Sie macht etwas und ich fühle mich so; sie ist der Auslöser. Und ich interpretiere, wie sie sich fühlt, wenn ich etwas mache. Also quasi so ein Verwirr von Aktion und Reaktion, beide sind miteinander verwoben, die Gefühle vom Anderen abhängig.
Wenn ich mich so auf mich einlasse und fühle, ist oft ein Gefühl von Distanz zu ihr da; ich bin bei meinen Gefühlen und bei mir, bin auch in Reflexion und zum Teil Dissoziation. Diese gefühlte Distanz führt aber, so durfte ich erstaunt erfahren, nicht zu tatsächlicher Distanz, sondern zu sehr viel mehr Nähe. Vielleicht deswegen: ich bin bei mir und kann aus mir selbst heraus auf sie zugehen, ich lasse sie dadurch aber auch vielmehr bei sich, sehe sie als einzelnen, als selbstverantwortlichen Menschen. Treffen wir uns wieder und begrüßen und umarmen uns, habe ich plötzlich sie in den Armen; ich fühle sie ganz anders und kann dann fühlen und spüren, das das, was sie gemacht hat, ihr gut getan hat, für sie richtig war und mit mir nichts zu tun hat. Sie ist dann viel direkter für mich fühlbar, als wenn ich über den Umweg der Gedanken gehe, warum und wieso sie das getan hat.
Vielleicht ist es ähnlich zu der Idee mit den Zwiegesprächen: Man spricht über sich, über seine Gefühle, Gedanken und Momente, und nicht über das, was der andere mit mir gemacht hat. Aus diesen Ich-Positionen kann man sich ganz anders begegnen; man nimmt sich gegenseitig unmittelbar wahr, ohne Interpretationen und Vorwürfen und Mischmasch von "Du hast gemacht und deshalb habe ich...".
Es knüpft an das Post von Paradiesquelle an, wo er beschreibt, das man Gefühle differenzieren muss und vielleicht verschiedenes nachholen muss, um erwachsen fühlen und lieben zu können. Und an das fantastische Post, wo geschrieben wurde, das das im Grunde nichts mit Polyamorie zu tun hat: dieses Erwachsen-Werden, dieses Lernen, bei sich selbst zu bleiben, um seinem Partner wirklich begegnen zu können, tut immer gut. Völlig egal, ob man am Ende monogam oder poly oder offen oder sonstwas lebt.
Wie man sich selbst fühlen kann und zu sich kommt, ist glaube ich bei jedem Menschen sehr verschieden. Für mich ist das "in den Körper gehen" oft richtig; da fühle ich mich direkt. Tanzen, spazieren gehen, Bewegungsmeditation oder Sex. Aber auch Gespräche mit Freunden, die mich halten, ohne mich zu bedauern, können gut sein. Musik - ich kann Abende lang einfach nur Musik hören, und ich fühle mich. Musik erreicht Stellen, da kommen Hände gar nicht hin... Naja, und manchmal klappt das auch alles gar nicht.
In dem Zusammenhang: deswegen schrieb ich in einem vorhergehenden Post, das man natürlich aufeinander eingeht: was brauchst Du jetzt? Was kann ich tun, damit Du Dich fühlst, damit Du mich fühlst? Aber eben nicht: wie soll ich sein, damit Du Dich nicht fühlst und Du mich nicht mehr fühlen kannst, weil ich gar nicht mehr Ich bin.
Oder so ähnlich