Herz gegen Kopf
Herz gegen KopfEs gibt viele ähnliche Geschichten und doch denke ich, dass unsere einmalig ist. Darum möchte ich mich mit unserer Geschichte nicht an einen der ähnlichen Threads anhängen, sondern gerne diesen eigenen Thread dafür haben.
Ich habe meine Partnerin natürlich gefragt, ob ich unsere Geschichte hier erzählen darf und mir von euch Rat holen kann. Sie findet das gut und hat das folgende vorab gelesen und sozusagen freigegeben. Da sie auch hier Mitglied ist und mich erst auf diese Seite gebracht hat, wird sie hoffentlich mitlesen.
Außerdem möchte ich gerne etwas ausholen, da ich denke dass es wichtig ist um einige Dinge zu verstehen.
Zunächst zu mir. Ich bin 44 Jahre, war nie verheiratet und lebte bisher monogam. Ja, auch wenn ich in Beziehungen war, sah ich Frauen an und dachte „die wäre eine Sünde Wert“. Ja, ich habe auch weibliche Bekannte und Freundinnen die mir etwas bedeuten, aber ich habe nicht den Wunsch oder Drang mit ihnen ins Bett zu gehen, obwohl der Gedanke daran durchaus reizbar sein kann. Ich lebe insgesamt, wie man so sagt, in geregelten Verhältnissen und muss mir keine allzu großen Sorgen machen. Habe einen guten, aber mitunter zeitintensiven Beruf der mich absichert und einen Nebenjob, durch den ich mein Hobby zu meinen zweiten Beruf machen konnte.
Viele sagen, dass monogame Beziehungen und monogamer Sex etwas mit besitzen zu tun haben. Das sehe ich nicht unbedingt so. Ich denke es gibt „Nehmer“ und „Geber“. Bei den Nehmern würde ich beipflichten, ich selbst sehe mich aber als Geber. Ich gebe meine Gefühle, Liebe und Sex gerne weiter und ich empfange Gefühle, Liebe und Sex wie ein Geschenk, dass wir dann gemeinsam auspacken und Spaß damit haben. Mich macht es glücklich ihr Lächeln zu sehen. Oft sind es Kleinigkeiten, wie die Worte „Die Borg“ in meinem Profil hier. Nur sie versteht den Witz der sich darin versteckt und nur sie kann so herzhaft darüber lachen. Es macht mich glücklich, wenn ich etwas machen kann, das sie glücklich macht. Ich weiß, es macht sie glücklich „den anderen“ zu treffen und mit ihm Sex zu haben. Das ist einer der Gründe, warum ich es aushalte, auch wenn es schwer fällt und schmerzt.
Zu ihr. Sie ist 37 Jahre und verheiratet. Allerdings besteht die Ehe nur noch auf dem Papier. Sie wohnen auch nicht mehr zusammen. Wir wissen beide, dass dieses Thema durch ist. Außerdem bin ich nicht der Grund für das Ende der Ehe und die Trennung. Sie hat zwei wundervolle Kinder, die mich voll akzeptieren und die ich ebenfalls sehr liebe. Ich sage immer: Meine drei Engel. Dazu kommt „Er“, den sie seit rund 1,5 Jahren kennt und liebt und mit dem sie Sex hat. Sie ist, endlich wieder, eine sehr eigenständige Frau, mit einer zumeist klaren Meinung, direkt und hat immer einen Plan. Sie selbst hat ebenfalls einen zeitintensiven Beruf, den sie mir großer Leidenschaft ausübt. Was ich hervorragend finde und wofür ich sie bewundere. Ich wollte nie eine Prinzessin in Stöckelschuhen die meinen Parkettboden kaputt klappert und liebe sie für ihre Eigenständigkeit.
Ein Papier-Ehemann der nach dem Motto „Hauptsache dagegen“ lebt, zwei Kinder, die natürlich auch irgendwo mit der veränderten Situation kämpfen und sicher ihre Mutter brauchen, machen es nicht leichter, dazu noch jeder in seiner Arbeit gut eingespannt. Und dann noch „er“.
Zu „ihm“. Ich kenne „ihn“ nicht, kenne auch kein Bild. Er ist 49 Jahre, seit über 25 Jahren verheiratet und hat keine Kinder. Seine Frau weiß von nichts, was es für mich nur noch verwirrender macht. Denn in meinem beschränkten Poly-Wissen, wird die Offenheit gegenüber allen(!!) Beteiligten immer groß geschrieben. Begründet wird die Heimlichtuerei damit, dass seine Frau das nicht verstehen und akzeptieren würde und sie ihn mit großer Wahrscheinlichkeit verlassen würde. Aus meiner Sicht betrügt er schlichtweg seine Frau. Er wohnt in einer anderen Stadt als wir und die treffen sind vom Babysitter, über die Ausrede bei der Frau bis zum Hotel in einer dritten Stadt durchgeplant. Was vor dem Hintergrund aber auch kaum anders möglich ist, denn sie will ihn gar nicht bei sich zu Hause haben.
Kennen gelernt haben sie sich auf einem Chat-Portal. Angefangen hat ihre Beziehung als Hausfreundschaft die begann, als die Ehe noch lief. Im Laufe der Monate ist daraus Liebe geworden. Allerdings keine Liebe in der man Zukunftspläne schmiedet. Kein gemeinsames kuscheln auf dem Sofa und einen Film unter der Decke sehen. Sie will mit ihm kein Haus bauen und ein gemeinsames Leben haben und überlegt sich keine Kindernamen mit ihm, aber sie will ihn als Teil ihres Lebens haben. Aber es ist eben auch keine Liebe wie zu einem Bruder oder einer Schwester. Es ist irgendwie wie „Freundschaft mit Sonderleistungen“. Da ich so etwas nicht kenne, fällt es mir auch schwer es zu beschreiben. Sie schreiben sich WhatsApp-Nachrichten, treffen sich zum Kaffee, zum Essen und zum Sex. Anfangs Monatlich, dann wöchentlich, seit wir zusammen sind 14-tägig.
Zu uns. Wie ich in meiner Forums-Vorstellung schon geschrieben habe, kennen wir uns seit 21 Jahren. Sie war damals 16, ich 23. Sie war sehr reif und wir haben uns sofort verstanden, wir hatten einfach einen Draht. Im Nachhinein betrachtet, war es wohl die viel zitierte Liebe auf den ersten Blick. Allerdings habe wir das beide nicht bemerkt. Etwas später sind wir das erste Mal zusammen gekommen, was aber aus verschiedenen Gründen nicht lange funktioniert hat. Insgesamt waren wir in zu unterschiedlichen Lebensphasen. Wenn man jung ist, sind sieben Jahre Unterschied eine Menge. Wie es im Leben so ist, haben wir uns aus den Augen verloren und uns ein paar Jahre später durch einen Zufall wieder gefunden. Versuch zwei startete noch am selben Tag. Es war schön, doch die falsche Zeit. Ich war viel beruflich unterwegs, sie war mit Beruf und Weiterbildung beschäftigt. Wir haben beide erkannt, dass es nicht das ist, was wir wollen. Sie erkannte das früher als ich, was mich damals sehr verletzt hat.
Wieder verloren wir uns aus den Augen. Irgendwann heiratete sie und bekam zwei Kinder. Ich selbst schlidderte von einer Enttäuschung in die Nächste und habe irgendwann für mich festgestellt, dass war´s und habe sozusagen aufgegeben zu suchen. Habe aufgehört auszugehen, habe aufgehört zu flirten, hatte nur noch von Zeit zu Zeit bedeutungslose …. Ja was? …. Affäre, Liebeleien. Ich war das Paradebeispiel des Singles und in meinem Trott.
Das verrückte dabei, in all diesen 15 Jahren habe ich immer wieder an sie gedacht. Noch jahrelang habe ich grünen Opel Corsas nachgesehen „war sie das?“, immer wenn ich an ihrer alten Wohnung vorbei bin, habe ich nach oben gesehen und gedacht: „was sie wohl macht, wo sie wohl ist, hoffentlich geht es ihr gut.“ Ich habe mal ihre aktuelle Telefonnummer gesucht und gefunden, habe mich aber nie getraut anzurufen. Sie war verheiratet, ich hoffte glücklich und wollte das nicht „stören“. Einmal war sie wegen ihres Berufes in unserer Tageszeitung und ich war mächtig stolz und wusste gar nicht so recht warum. Ich habe auch immer mal wieder für sie gebetet und Gott darum gebeten, dass es ihr gut geht und sie glücklich ist. Heute weiß ich, dass hat leider nicht immer geklappt. Was aber kaum zu glaube ist, ihr ging es genauso. Trotz Ehe, trotz Kinder, trotz Beruf war ich immer in ihren Gedanken. Sie hat sogar noch einen Brief und einen Stein den ich ihr geschenkt habe und wenn sie bei mir vorbeigefahren ist, fragte sie sich, ob ich noch da wohne.
Facebook machts möglich. Denn da fanden wir uns wieder. Sie schrieb mich an und als ich nach ein paar Tagen nicht reagiert hatte nochmal. Wir trafen uns und redeten. Ich weiß nicht wie lange, aber es war wundervoll. Ich hatte eine schlaflose Nacht und wir trafen uns wieder. Mal zum Kaffee, mal zum Abendessen, mal zum Frühstücken. Ich versuchte distanziert zu bleiben, versuchte auch zufällige Berührungen zu vermeiden – was sie, wie ich heute weiß, merkte.
Wir spürten beide unsere Verbindung und merkten dass es diesmal tatsächlich klappen kann. Irgendwann konnte ich nicht mehr, musste es wissen und habe sie geküsst. Ich habe sie angesehen und gesagt: „Ich muss mal was ausprobieren.“ Es war eine Explosion, eine Befreiung und ein Yippi Ya Yeah Schweinebacke.
Sie spielte von Anfang an mit offenen Karten und sagte frei heraus dass es „ihn“ gibt, das sie Poly ist und das auch nicht aufgeben wird. Ich weiß genau das dem so ist, darüber mache ich mir keine falschen Hoffnungen und Illusionen.
Eine „Er oder ich“-Diskussion würde nichts bringen, denn ich weiß dass sie so leben will. Wenn „er“ nicht mehr der Zweite ist, dann wird es wahrscheinlich ein anderer. Auch wenn „er“ sie verlassen würde, würde sie nicht mehr monogam leben wollen. Ich glaube nicht dass sie „ihn“ verlassen würde, um mich zu halten. Wenn ich sagen würde dass ich gehe, würde sie sagen dass ich nichts von meinem Zeug vergessen soll.
Ich lebe in dem klaren wissen, dass ich ihre eindeutige Nummer eins bin. Sie tut so unglaublich viel für mich und unsere Beziehung. Sie hat großes Vertrauen in mich und vertraut mir ihre Kinder an, sie lässt mich so nah an sich ran, wie ich wohl noch nie einem Menschen nahe war. Ich weiß dass ihre Ehe zum Schluss kein Zuckerschlecken war, im Gegenteil. Sie lebte unter der Vollkontrolle ihres Mannes. Ich bin so froh dass sie sich ihr Leben zurückgeholt hat und ich verstehe dass sie Angst davor hat, dass ihr dasselbe mit mir wieder passieren kann. Anfangs hatte sie Probleme dass wir gemeinsam kochen. Sie hatte Probleme beim Spazieren gehen meine Hand zu nehmen. Ich denke ich gehe sehr behutsam um und frage auch schon mal nach ob ihr dies und jenes Probleme macht. Ich weiß, wenn sie soweit ist, nimmt sie meine Hand. Das tut sie inzwischen und das ist wunderschön. Wir machen die Schritte gemeinsam, mal kleine, mal große, mal bleiben wir stehen, aber wir machen sie. Sie hat Angst, dass ich ihr ihre Freiheit wieder nehmen möchte.
Meine Welt hat 44 Jahre anders funktioniert – mehr oder weniger. Es gab keine Nummer zwei, oder drei. Meine Beziehungen waren Mono, ob gut oder schlecht – aber sie waren Mono. Ich habe überhaupt kein Problem, wenn sie mit anderen Freunden oder Freundinnen auf einen Kaffee geht oder Unternehmungen macht, ohne mich ins Kino geht oder was weiß ich was. Ich habe auch kein Problem damit, dass sie mit „ihm“ Essen geht. Ja, er ist offenbar eine wichtige Person in ihrem Leben, aber ich habe ein Problem damit, dass sie mit „ihm“ schlafen will. Weil ich selbst diesen Drang nach einer weiteren, anderen Frau überhaupt nicht in mir habe.
„Er“ weiß wie schwer mir das alles fällt und hat ihr schon angeboten ihre Beziehung aufzugeben oder nach unten zu fahren, auf den Sex zu verzichten. Letzteres wäre eine Lösung mit der ich sehr gut und anscheinend auch „er“ leben könnte. Sie muss „ihn“ wegen mir nicht aufgeben. Doch auf den Sex verzichten will oder kann sie nicht. Und das ist es, was mit nicht in den Kopf geht.
Ich weiß auch nicht warum „er“ nicht einfach von sich aus auf den Sex verzichten kann, wenn „er“ es doch anbietet. Ich weiß nicht was sie „ihm“ dann sagt, aber an „seiner“ Stelle könnte ich das nicht, mit einer Frau ins Bett gehen, von der ich weiß dass ihr Partner, ihre Nummer eins, große Probleme damit hat. Sind Polys Menschen ohne Gewissen? Ich hoffe nicht und denke „er“ hat auch Angst sie zu verlieren. Aber das muss er nicht. Ich will, kann und werde ihr nie etwas verbieten. Sei es ein Kaffee, ein Essen oder Sex, denn sie ist frei. Aber wie jeder andere Mensch auch, muss sie mit den Konsequenzen ihres Handelns leben, dass weiß sie und nimmt sie so an.
Sie sagt das sie keine Machtspielchen mag, aber irgendwie ist es schon ein Machtspielchen, wenn sie sagt: Nimm mich so wie ich bin, ohne jede Bedingung, oder nimm mich gar nicht.
Wir haben vereinbart dass die Treffen alle 14 Tage und nicht am Wochenende sind, sie meint, mehr will sie auch gar nicht. Außerdem habe ich um irgendetwas gebeten, dass nur uns vorbehalten ist, etwas das nur wir beide im Bett machen. Ich nenne es einen Anker für mich. Etwas das mir zeigt, dass unsere Beziehung einmalig und etwas Besonderes ist. Dabei habe ich es ihr überlassen, sich etwas auszusuchen. Sie hat sich für das Kondom entschieden. Also mit „ihm“ nur mit und wir ohne.
Was mir hilft, ist, dass wir sehr viel und sehr offen reden. Leider werden meine Gefühle immer wieder als Drama gesehen. Trotz des Redens habe ich Gedanken, die Blockaden auslösen. Ich grüble zB darüber nach, was kann „er“ das ich nicht kann. Sie meint: Nichts. Im Allgemeinen ist er wohl auch nicht der Typ Mann, dem die Damen in Scharen nachrennen. Er ist ein normaler Durchschnittstyp, wie ich. Etwas älter, etwas größer. Vielleicht ist es das, vielleicht bin ich zu durchschnittlich, zu gewöhnlich? Sie meinte ob ich spinne und hält mich gar nicht für gewöhnlich.
Wäre es einfacher für mich, wenn sie sich bei „ihm“ Sex holt den ich nicht kann oder will? Wahrscheinlich Ja. Angenommen sie bräuchte es im Handstand und mit Kerzenwachs, angenommen sie bräuchte Lack und Leder, könnte ich sagen: Geh und hol es dir, Ich freu mich wenn Du wieder da bist. Aber wir finden unseren Sex beide gut und schön. Und vor allem wird er immer besser.
Wäre es einfacher wenn ich von „ihm“ nichts wissen würde? Sicher nicht, denn dann hätte sie ein schlechtes Gewissen, was ich spüren würde, und ich würde betrogen werden.
Habe ich Angst sie zu verlieren? Ja und nein. Nicht konkret an „ihn“, eher die „normale“ und doch surreale Angst, das sie morgen einen Besseren trifft. Das sie morgen genug von mir hat. Wobei Angst auch nicht das richtige Wort dafür ist. Einfach das, dass in jeder Beziehung, an jedem Tag passieren kann.
Ich habe Angst davor, dass sie irgendwann eine dritte Beziehung braucht. Ich habe Angst davor, dass die Liebe, die Gefühle, der Sex und dadurch ich auswechselbar werden. Ich habe Angst davor, das der Wert und die Bedeutung verloren geht. Das unsere einzigartige Liebe nur noch eine von mehreren wird und am Ende nur noch ein Kerbe am Bettpfosten ist. Dass das Geschenk zerbricht. Das wir uns so weit voneinander entfernen, dass wir uns nicht mehr bei den Händen halten können. Ich habe Angst davor, dass sie die Geduld mit mir verliert, weil ich nicht schnell genug mit der Situation zurechtkomme.
Es gibt ein schönes Selfie von uns, das wir eigentlich für meine Mam gemacht haben. Immer wenn es mir nicht gut geht, sehe ich es an und denke: „Das sind die glücklichsten Menschen die ich je gesehen habe.“ Doch gleich darauf folgt der Gedanke: „Wieso braucht sie Sex mit ihm? Wieso braucht sie das? Wieso ist ihr unsere Beziehung nicht genug?“
Ich bin mir sicher dass min. acht von zehn Kerlen schon auf und davon wären, sie sich übrigens auch. Aber wir haben schon so viel erreicht, dass es einfach Irrsinn wäre, jetzt aufzugeben. Ich kämpfe nicht um sie oder um ihre Liebe, derer bin ich mir sicher. Ich kämpfe um das Weltbild meines Lebens – um mein Leben.
Es ist wie in dem Lied von Joris: immer wenn es Zeit wird zu geh´n, verpass ich den Moment und bleibe steh´n. Das Herz sagt bleib, der Kopf schreit geh - Herz über Kopf.
Unsere Gefühle und unsere Liebe zueinander sind einfach so riesengroß, dass ich das einfach auf die Reihe bekommen will, weil sie das glücklich macht, weil es das wert ist.
Ich weiß dass ich sie immer lieben werde, aber ich weiß nicht ob ich so leben kann.
Bitte helft mir!!
Krieger des Lichts