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Das Bettlergleichnis, oder: Polyamorie als Nächstenliebe

*****_be Mann
271 Beiträge
Themenersteller 
Das Bettlergleichnis, oder: Polyamorie als Nächstenliebe
Im Rahmen einer längeren Diskussion über Fragen von "Bedürfnissen in Beziehungen" (auch angeregt durch einen anderen Thread hier im Forum und einen Mailwechsel mit ähnlicher Thematik), ist mir heute die nachfolgende Geschichte in den Sinn gekommen.

Das Bettlergleichnis, oder: Polyamorie als Nächstenliebe. Versuch einer nicht sexbezogenen Bestimmung aus non-dualer Perspektive

Paul fährt wie jeden Tag mit der S-Bahn zur Arbeit in Berlin Mitte. Auch heute wiederholt sich eine altbekannte Szene, nach zwei Stationen lässt sich eine Stimme vernehmen: „Sehr jeehrte Damenunterren, bitte entschuldigense die Störung. Ich verkofe die Obdachlosenzeitung Motz. Ick wäre Ihnen sehr verbunden, wenn se vielleicht ne kleene Spende oder was zu Essen oder zu trinken für mich hättn“. Der Bettler, er heißt Markus, wie Paul seit mehreren Monaten weiß, verrichtet wie jeden Tag sein Tagwerk auf dieser Linie. „Guck mal, Gerhard, so ein armer Mensch, haste nicht noch etwas Kleingeld vorhin vom KaDeWe über?“ fragt die in einen Pelzmantel gehüllte Mittfünfzigerin ihren Mitfahrer, der seufzend in die Tasche greift und sein schweinsledernes Portemonnaie zückt. Eine Dame mit Krückstock, sichtlich zitternd, gibt ebenfalls etwas Kleingeld, offensichtlich jedoch vor allem aus Angst vor Markus‘ zahnlosem Grinsen und seiner hünenhaften Gestalt, als dieser sich ihr nähert. Sie schnappt sichtlich nach Luft, als der sich zu ihr herunterbeugt und ein tiefes „Dangö“ entgegenhaucht. Als Markus schließlich seinen Pappbecher einem jungen Mann mit Union-Schal und Baseball-Schirmmütze hinhält, bricht es aus diesem heraus: „Alta, bin ick Graf Koks vonna Gasanstalt? Ick kann Dir doch nicht jeden Tag was geben, nua weil wir beede mit derselben Linie fahren!“ Eine dürre Dame Ende 20 mit einem Handkarren steigt zu, offensichtlich eine Bekannte von Markus: „Sach ma, wat machstn Du hier schon wieder, hats nicht jelangt mit der Schore? Ick würd ma ja langsam schämen, die Leute hier so auszunehmen“. Ein andere Fahrgästin springt Ihr bei: „Ja also wirklich, anderen Leuten geht’s auch schlecht und die tun wenigstens was Sinnvolles!“ Ein junge Frau mit Batikshirt geht dazwischen: „Also hört mal, wie rücksichtslos und egoistisch seid Ihr denn alle! Ihr seht doch, dass es dem armen Mann schlecht geht, da gehört es sich einfach zu helfen!“ Sie drückt ihm einen Euro in die Hand und schenkt ihm ein Lächeln. Danach fängt sie wie wild an, auf Ihr Smartphone zu tippen, und macht damit noch einen Schnappschuss von Markus, gestikuliert schließlich aufgeregt mit Ihrer Mitfahrerin herum, kann die Haltung der anderen nicht fassen. Ein Herr Mitte 40, mit kariertem Hemd, Hornbrille und Aktentasche zwischen den Beinen blickt einfach nur starr geradeaus, als der Becher vor seiner Nase vorbeizieht. Als Markus ans andere Ende des Wagens schreitet, lässt er sich vernehmen: „Früher ham Menschen noch ehrlich gearbeitet für ihr Geld! Aber seit die olle Merkel die Flüchtlinge reingelassen hat, geht ja eh alles den Bach runter.“ „Ja genau!“ mein ein anderer. „Ich würd ihm höchstens ne Stulle jeben, sonst kooft der sich ja eh nur Drogn davon!“. Markus scheint dies alles nicht zu hören. Stumm zieht er durch das Abteil und hält seinen Becher hin. Als er an Paul vorbeikommt, grüßt dieser ihn und fragt: „Na Markus, wie läufts?“. Plötzlich geht ein Grinsen über das Gesicht des Bettlers: „Gut, ich hab gestern nen Mantel am Zoo jefunden. Ganz gut, wenns jetze so kalt wird, auch wegen meinem kaputten Bein.“ Paul klopft ihm aufmunternd auf die Schultern: „Dit wird schon, mach dir keine Sorgen“. Markus schaut ihn fragend an: „Haste vielleicht ooch noch nen Euro für mich?“ Paul schaut zurück. „Nee, sorry. Aber vielleicht die anderen Tage mal, wir sehen uns ja eh, ne?“ „Stümmt, bis denne!“. Markus verlässt humpelnd die S-Bahn. Zwei Stationen später steigt Paul aus, kauft sich ein Eis für 2 Euros. Als er feststellt, dass er aus Versehen eine Sorte erhalten hat, die mit Kunstmilch gefertigt wurde, gegen die er allergisch ist, schenkt er das Eis einem offensichtlich übergewichtigen, etwa 6jährigen Jungen, der ganz am Ende der Schlange steht, weil die anderen Kinder ihn immer wieder zurückdrängen. Das Kind strahlt über beide Ohren und Paul geht zufrieden ins Büro.
********pica Frau
206 Beiträge
Gefühl des Angenommenseins
Polyamorie ist für mich nicht nur eine Beziehungsform als auch eine Geisteshaltung. Die Liebe kann sich auf vielfältigste Weise ausdrücken - in der Nächstenliebe also zu Menschen, die mir nahe stehen, als auch in der Fernstenliebe, zu Menschen, zu die mir noch fremd sind. Kreuzen sich zufällig unsere Wege, kann ich indem ich diesem Menschen Aufmerksamkeit und Wohlwollen schenke ein Gefühl von Angenommensein geben.
Sehr witzig ;-)
.. nur den Bezug hab' ich noch nicht so ganz verstanden (sorry, bin schon etwas älter und Schlaganfallpatient. Bitte um nachsichtiges Wohlwollen).

Also: wer ist der Poly, wo sind die Monos, wo darf ich spenden?

Amüsiert grüßt der

Wolf

PS: an irgendwelche attraktive Damen, die spenden wollen: ich wäre auch bedürftig, siehe oben ;-)))
Schau mir in die Augen, Kleines (202311)
*********herz Mann
3.941 Beiträge
Den Zusammenhang
zur Nächstenliebe sehe ich, aber nicht den zur Polyamorie.
Den müsste ich schon an den Haaren herbeiziehen.

T*sorry*M
*****_be Mann
271 Beiträge
Themenersteller 
@*****ou9:
Welche "Personae" Du mit welchen Rollen besetzt, bleibt ganz Dir überlassen. Um diese Art von Nachdenken bei Lesern zu stimulieren, habe ich die Geschichte ja geschrieben.
Aber ich geb gern einen Tipp bzgl. meiner Intention (falls das "Alter" Dir Englisch zu verstehen erlaubt): http://www.elephantjournal.c … unattached-in-relationships/
.. und im Beitrag von Heliotropica finden sich auch deutliche Hinweise, dass Sie versteht, worum es mir ging.

@**m:
Diese Schlussfolgerung ist halt dann wohl Ergebnis Deiner persönlichen Auffassung von Polyamorie, was auch völlig OK ist, denn ich kann ja nur von meiner sprechen, äh schreiben *zwinker*
ganz naiv....
ich hätte das eis keinem übergewichtigen jungen gegeben.
finde das weder vertretbar noch liebevoll.
*****_be Mann
271 Beiträge
Themenersteller 
@*******tta:

Das magst Du gerne so sehen. Und ich möchte Dir gewiss nicht zu nahe treten, doch wenn Du das wirklich hier diskutieren möchtest: Aus non-dualistischer Perspektive könnte man meinen, dass Du bedingungslose Liebesgaben mit Stellvertreter-Kompensation eigener Wünsche und Probleme verwechselst.
Das wäre meine Antwort. Aber wie gesagt, wir müssen es nicht hier diskutieren...
****ain Frau
246 Beiträge
Hmmmm....
Interessanter Ansatz.

Im ersten Momente habe ich auch nicht verstanden, was du meinst. Die englische seite ist allerdings großartig - auch unabhängig von Polyamorie - und trifft imho auf jegliche engeren zwischenmenschlichen Beziehungen zu. Auf Liebesbeziehungen natürlich am stärksten, da diese am meisten dazu neigen, Leichen aus dem Keller der Seele zu holen aufgrund der großen empfundenen Nähe zu diesen Personen.


Was das Eis für den übergewichtigen Jungen angeht, so ist das eine kleine Streitfrage...

Dazu eine Anekdote meinerseits von vor wenigen Wochen: Ich an der Tanke, der Nachtschalter war schon aktiv, ich wollte Tabak. So weit, so gut. Kaum war ich mit dem Einkauf fertig, kam eine mittelalte Rollstuhlfahrerin angerollt. Sie wollte eigentlich zu Rewe, wie sie mir erzählte, hat aber den Ladenschluss knapp verpasst. Ihr Anliegen: Rotwein. Einmal trocken, einmal halbtrocken. Das blöde ist nur: Der Nachtschalter an dieser Tankstelle ist nur über eine Stufe zu erreichen. Total blöd gelöst und für die Frau unerreichbar. Das ist mir an diesem Tag überhaupt zum ersten mal aufgefallen. Ich also Hilfe angeboten und schließlich den Einkauf für sie getätigt. Als ich ihr die Flaschen in den Aufbewahrungsteil ihres Rollstuhls packte und ihr das Wechselgeld zurückgab, habe ich eine leichte Alkoholfahne errochen. Hmm. Der Tankwart hat auch etwas seltsam geschaut. Kurze Überlegung, ob das jetzt so eine gute Idee war. Ich habe ein flaues Gefühl im Magen. Zweite Überlegung: Nein. - Sie war unglaublich dankbar und ich habe ihr Freude geschenkt. Und letzten Endes habe ich nicht das Recht, sie "erziehen" zu wollen. Sie ist erwachsen und ein mündiger Mensch. Auch ohne meine Hilfe wird sie an den Alkohol kommen... oder gar noch in dieser Nacht ein großes Problem haben. (Alkohol-) Entgiftung ist nicht ungefährlich und sollte mit gutem Grund unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Eine gute Tat. Ich zog zufrieden meines Weges.

Und auch der kleine Junge hat letzten Endes nichts davon, von Fremden indirekt gemaßregelt zu werden. Es schadet im Zweifel nur seinem Selbstbewusstsein um so mehr - und das ist wichtiger, als ein paar Kilos zuviel.

In diesem Sinne,
Samhain
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