Disclaimer: Ich habe das Buch vor einigen Jahren gelesen, in der Englischen Fassung. Meine Erinnerung ist also nicht mehr unbedingt das, was man tau frisch nennen wuerde.
Im ersten Moment hat mich das Buch auch voellig begeistert. Da kommt der Autor und zeigt mir auf, wie die Forscher Ergebnisse und Erklaerungen geliefert haben, die zufaellig zu ihren eigenen Vorstellungen passen. Ein ganz klassisches Beispiel fuer: man findet nur das, wonach man sucht. Das Buch ist ganz gut darin viele einzelne Punkte heraus zu arbeiten, in denen das Weltbild die Ergebnisse verfaelscht hat. Der Dekonstruktive Teil des Buches ist toll
Womit ich mehr ein Problem an diesem Buch habe, ist der konstruktive Teil, in dem ein eigenes Erklaerungsmodell aufgestellt wird. Und hier bekommt man das Gefuehl, dass die Autoren das machen, was sie den anderen Vorwerfen: Die Teile herauspicken, die zufaellig zu ihren Theorien passen. Wir wissen nicht, ob der weibliche Schrei beim Orgasmus andere Maennchen anlocken soll, damit sie noch mehr Sperma hinzugeben. Aber es passt so wundervoll, zu diesem alternative Modell. Begruendung dafuer: eher mit den Haenden in der Luft wackeln.
Das Grundproblem, was ich mit dem Buch in dem Kontext einer Gesellschaftlichen Diskussion habe ist folgendes: Es geht bei diesem Buch um biologie und Evolution. Dieser Berreich von Wissenschaft wird haeufig in gesellschaftlichen Diskussionen gebraucht um unumstoessliche Argumente zu bringen (Wegen der Evolution ist das so und so, deswegen ist der Mensch dem Mensche ein Wolf und garnicht zu guten Taten faehig, etc). Ein biologisch/evolutionaeres Argument in einem gesellschaftlichen Kontext ist ein dead-end/kannst du nicht dran zweifeln Argument.
Sicherlich haben evolutionaere Effekte einen Einfluss. Ich bin weit entfernt davon das zu verleugnen. Aber viel zu haeufig wird in folge dessen dann die 4000 Jahre gesellschaftliche Entwicklung vergessen. Wenn ich etwas mit kulturellen Effekten erklaeren kann, sollte ich es damit tun und nicht das evolutionaere Argument als erstes Vorbringen. Denn bei letzterem ist es noch viel schwieriger es wirklich nach zu weisen; da sind die Vermutungen noch groesser und die Beweisfuehrung schwer. Deswegen sollte man sich, wo es geht, einem naturalistischen Argument entziehen[1]
Ingesamt wuerde ich sagen: Das Buch dekonstruiert schoen Biase die bei der Sexualforschung gemacht wurden. Und liefert Erklaerungen, die stimmig wirken, aber ebenso bei den Haaren herbeigezogen sein koennen. Die Relevanz fuer eine gesellschaftliche Polydiskussion halte ich fuer geringer, als sie im ersten Moment erscheint.
[1] BTW: ein anderes naturalistisches Argument ist: "Homosexualitaet ist abnormal, weil es nicht zur Fortpflanzung dient". Und das halten wir ja auch eher fuer Quatsch. Die Problematische Stelle in der Argumentation hier ist, dass es davon ausgeht, dass es bei Sexualitaet um Fortpflanzung geht, und zwar alleinig. Das ist aber nicht zwingend so.