Auf die Gefahr hin, dass ich ein ganz wenig bis mittelschwer abschweife, wage ich folgenden Exkurs:
zunächst würde ich mir eine etwas sauberere Trennung zwischen Moral, Ethik und Religion wünschen. Ich bin kein Ass in Philosophie, aber bei dem Satz:
Diese Idee ist im Grunde nichts als eine mögliche Definition von Religion.
sträubt sich etwas in mir. Würde man "Religion" durch "Ethik" ersetzen, wäre der ganze Frust über Kirchenvertreter und ihre Macht über das Volk außen vor geblieben und trotzdem wäre der Fragestellung der TE ein übergeordneter Sinn gegeben.
Der Dalei Lama schreibt dazu sinngemäß: "Religion ist wie Tee, es gibt Früchtetee, Grünen Tee, schwarzen, Kräuter. Gemacht werden sie alle aus Wasser und das Wasser ist die Ethik, die wichtiger ist als Religion".
Aus eigener Erfahrung kann ich schreiben, dass ich christlich aufgewachsen bin (nicht durch meine Eltern geprägt, sondern durch die christlichen Pfadfinder- ich habe ein "Kreuzpfadfinderversprechen abgelegt, mich damit in die Nachfolge Jesu Christi gestellt- und durch die christliche Jugendarbeit). Ich habe immer mit unseren Pastoren und Diakonen gehadert, mir war der Glaube zu kleingeistig, schon sehr früh war mir klar, dass es ein übergeordnetes göttliches Prinzip geben muss, womit ich auf Widerstand stieß).
Mit 42 Jahren hatte ich eine bewusstseinserweiternde Erfahrung nach einer Tantramassage. Eine Art nahtodähnliches Erlebnis mit klassischen Elementen (Tunnel, Licht, etc.).
Danach war mein Gewissen auf eine kompromisslose Art geschärft. Lügen ging nicht mehr, fieses Verhalten unmöglich. Mitgefühl, erste Feinfühligkeiten, all das war Folge davon. Tatort- schauen unmöglich- ab der ersten Schießerei flüchtete ich aus dem Raum, stellte das Fernshen komplett ein.
Das Video auf meiner Pinnwand (Angus an Julia Stone "My heart beats slow"), was eine grausames Erschießungsszene als Abschluss hat kann ich symbolisch betrachten für die emotionalen Verletzungen, die wir uns immer wieder zufügen, wenn wir unsere alten Verletzungen nicht aufarbeiten. Ich bin in einer Lebensgemeinschaft, die sich diesen Themen kompromisslos und vorrangig vor allem stellt. Bin in Gruppen, die sich dieser Themen annehmen und sehe Erfolge: bewusstere Beziehungen, Auflösung der Muster, mehr Wertschätzung, liebevoller Umgang.
Zunehmend empfinde ich mein Verhalten als von Liebe und Empathie geprägt UND in nahezu automatischer Deckung mit den landläufigen moralischen Auffassungen und ich muss mich überhaupt nicht anstrengen oder zwingen dazu!
Mein polyamores Gefühl bildete sich von der spirituellen Seite her aus: alles ist mit allem in Verbindung und das wollte ich mit all meinem Sein - auch dem körperlichen- in die Welt bringen.
Für mich gibt es keine Trennung mehr, kein poly oder mono, keine Unterscheidung mehr der Beziehungen. Prinzipiell gehe ich mit jedem Menschen in Beziehung, wie es sich ergibt, stelle wenig in Frage.
Auch in der Lebensgemeinschaft gibt es bisweilen Ernüchterung über die Tatsache, dass auch wir keine bessere Welt kreieren können, aber wir lassen nicht nach....
Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen und es braucht das Dorf genauso, um projektionsfreie Paarbeziehung zu führen Und auch dieses Forum ist bisweilen Dorfplatz!
Es ist mal wieder länger geworden, aber es lag mir am Herzen.....