Meines Erachtens geht es hier sehr stark um die Frage:
Brauche ich einen ganz bestimmten Menschen, oder brauche ich einen Menschen, an meiner Seite.
Oder anders ausgedrückt, brauche ich die Liebe, Zuneigung, Aufmerksamkeit und Nähe einer bestimmten Person oder geht es darum Diese Zuwendungen von einer „beliebigen“ Person zubekommen.
Im EP wird ja ein klassischer Fall beschrieben:
*P:
Du vergeben, stabil und offen, der andere Mensch Single, ist sich deinem Poly-Denken aber bewusst und gibt sich offen dem gegenüber.
Aus der Formulierung
gibt sich offen dem gegenüber
schließe ich, dass der Mann die Polyamorie der TE zwar akzeptiert hat, aber selbst nie polyamor war. Somit lebte er, aus seiner Sicht, in einer monoamoren, (einseitig?)offenen Beziehung mit der TE.
Nun lernt dieser Mann, der laut EP vor der Beziehung zur TE Single war und nur mit ihr in dieser Zeit eine Beziehung hatte (?), eine monoamore Siglefrau kennen und verliebt sich.
Hier trifft er dann die Entscheidung, ab jetzt ganz monoamor zu leben.
Warum?
Das kann Dir, liebe TE, außer ihm, niemand beantworten.
Aus meiner eigenen Erfahrung heraus liegt es bei der artigen Konstellationen, unabhängig von der Geschlechterverteilung, daran, dass der „Single-Part“ zwar die Polyamorie als „notwendiges Übel“ akzeptiert hat, ja so gar darin einige Vorteile sah, aber letztlich eben doch eher monoamor veranlagt ist und dann die feste, monoamore Beziehung wählt, da sie ihm das gibt, was er in der Polybeziehung nicht fand bzw. weil er dort nicht mit der Eifersucht, der Hierarchie und der Konkurrenz leben muss, die er in der Polybeziehung empfand.
Die Aussage aus dem EP
"Ich brauche dich nicht mehr."
ist aber von der Beziehung losgelöst zubetrachten.
Auch in der Polyamorie kann Liebe erlöschen. Es heißt ja poly und nicht omni.
Auch wenn ich jemanden noch so liebe, kann es passieren, dass die Liebe durch bestimmte Entwicklungen in der Beziehung schwindet oder ganz erlischt.
Und hier kommt dann gut heraus, dass ich den Menschen zwar brauche, solange ich ihn liebe, aber es kann passieren, dass der Mensch diese Bedeutung auch wieder verliert.
Als Polyamore haben wir die Fähigkeit mehr als einen Menschen gleichzeitig so intensiv zu lieben und auch in den Beziehungen so sehr zu benötigen, dass wir alle unsere Partner „brauchen“.
Wir können alle unsere Partner gleichzeitig lieben und können das auch für uns so akzeptieren, ja wir brauchen das auch um glücklich zu sein. Aber genau so wie es uns passieren kann, dass wir nach Jahren in einer festen Konstellation einen neuen Menschen treffen, in den wir uns verlieben, so kann das natürlich auch Monoamoren passieren. Hier ist nur der Unterschied, dass wir, wenn es passiert diesen Menschen, wenn er es denn auch möchte, in unser Polygeflecht aufnehmen und integrieren können.
Aber genauso wie Monoamore treffen wir hier auch an unsere Grenzen, sollte der neue Mensch in unserem Leben auf Monoamorie bestehen. Dann müssen wir uns alle entscheiden wen bzw. was wir wollen.
Dies Entscheidung wird dann auf emotionaler Ebene (lach lasse hier bewusst die materiellen und familären Aspekte weg) dadurch geprägt, dass wir abwägen, in welcher Beziehung wir mehr an Liebe, Zuneigung, Aufmerksamkeit und Nähe bekommen und uns in unserem Sinne entfalten können.
Einen wichtigen Aspekt aus dem Bereich Familie möchte ich aber auch noch zu bedenken geben: Kinder.
Auch hier kann ich aus Erfahrungen im persönlichen Umfeld sagen, dass viele, wenn sie Kinder wollten, zumindest zeitweise dann monoamor wurden um ihre Familie zu gründen, weil sie das in ihrem Polygeflecht als nicht verwirklichbar sahen.