anderer Grund: Probelauf des Begriffs "Polyamory"
Als ich im Herbst in kurzem Abstand begann zwei Freundschaften+ aufzubauen und dabei meine Gefühlswelt ein wenig chaotisch wurde... nun ja.. habe ich mich hier in der Gruppe angemeldet. In der Zwischenzeit hat sich viel geändert. In der einen Beziehung legten wir eine Pause ein. Der andere entpuppte sich als sehr flexibel im Umgang mit der Wahrheit. - Zu flexibel für meinen Geschmack.
Kürzlich telefonierte ich mit einem alten Freund und berichtete ihm von meinen jüngsten "poly"-Erlebnissen.
An für sich hatte ihn mein Beziehungskonstrukt wenig überrascht, da ich meine erste unorthodoxe Beziehungskonstruktion bereits vor 15 Jahren lebte und danach immer Mal wieder in solche Bereiche hinein ging. Grundsätzlich war ich eben schon immer an langfristigen Bindungen mit hoher Flexibilität in der Gestaltung interessiert. Beziehungen, die sowohl sich verändernden Bedürfnissen einen Raum geben als auch Freiräume beinhalten... Bewegungsfreiheit bei hoher Verbindlichkeit... mein Streben nach Erkenntnis und Selbsterkenntnis... ein ständiges sich wieder erneut begegnen... diese "Offenheit" und Bereitschaft, sich miteinander auseinander zu setzen - auch wenn es weh tut.
Was meinen alten Freund jedoch sehr überraschte, wie ich nun auf den Begriff "Polyamory" käme. Er dachte, das wären die Leute, die sich rasch verlieben, mehrere Dinge gleichzeitig laufen haben und rasch weg sind, wenn es unbequem wird. Zumindest wäre er bereits einem Dutzend solcher Leute begegnet, die ihm dann erklärt hätten, sie seien nun Mal polyamor. Und dies würde doch überhaupt nicht zu mir passen.
"Warum willst Du Dich als poly bezeichnen?
Was gibt Dir das?"
Das Einzige, was mir dazu spontan einfiel war: "Unter der Gruppe der "Polys" begegne ich vermehrt Menschen, die so ticken wie ich. Das ist es, wonach ich eigentlich suche. Ich empfinde mich auch gerne als Teil eines Netzwerks... dieses Gefühl war bei mir schon immer sehr stark ausgeprägt. Vermutlich würde es bei mir jedoch maximal auf eine hierarchische Polyamorie hinaus laufen. Aber nun Mal nicht Partnerschaft im Sinne von "wir gegen den Rest der Welt" (dieses abgekapselte) sondern Partnerschaft im Sinne von "wir mit dem Rest der Welt"."
"Na schön. Deine Lebenseinstellung ist aber doch nichts Neues. Und auch keine Antwort auf meine Frage:
Warum willst Du Dich als Poly bezeichnen?"
Ehrlich gesagt, hatte ich dagegen argumentiert, dass die "Polys", denen mein alter Freund begegnet sei, echte Polys wären. Diese Menschen, die sich am laufenden Band verlieben und gar nicht bereit sind, Beziehungsarbeit zu leisten. Menschen, die darauf warten, dass sich ohne ihr Zutun alles ergibt. Das sei doch keine Liebe. Das sei doch nur Verliebtheit.
ABER als ich so darüber nachdachte: Ja.
Auch ich bin in meinem Leben zahlreicher solcher Polys begegnet und ich bin nicht im Besitz der Definitionshoheit. Und es waren eben jene Verliebtheits-Polys, welche einen besonderen Drang verspürten sich gegenüber allen möglichen Menschen als "polyamor" zu outen. Das sind diejenigen, die in der breiten Masse das Bild von Polyamory prägen. Und selbst wenn ich diese Verliebtheits-Polys ausklammere, begegnete mir in der Vergangenheit eine riesige Poly-Vielfalt, welche sich aber nicht als solche bezeichnete. Was genau sagt mir Poly? Was sagt Poly anderen Menschen? Was bringt mir ein Poly-Outing?
Dieses lange Telefonat mit meinem alten Freund, in dem ich mich "als Poly geoutet" hatte, zeigte mir, zu wieviel Irritation der Begriff Polyamory führt. Und als ich meine anderen engsten Vertrauten mit dem Begriff Polyamory konfrontierte, reagierten auch sie irritiert. Einer meinte: "Genauso gut könntest Du mit mir darüber sprechen wollen, ob Du ein Mensch bist. Wer bist Du und was hast Du mit Galinthias gemacht?"
Insofern empfinde ich es als höchst zweifelhaft, mich als Poly zu outen. Das sagt verdammt wenig über mich und meine Lebenseinstellung aus. Genau genommen lenkt es außerhalb einschlägiger Stammtische und Gruppen arg von der Person ab, die ich bin. Und innerhalb einer Gruppe Gleichgesinnter war der Polyamory-Begriff schon immer vollkommen überflüssig.
Fazit:
Ich spiele gerne mit offenen Karten. Habe ich schon immer. Und das letzte, was ich dabei gebrauchen kann, ist ein derart irritierender Begriff wie Polyamory.