"So wie ich bin!" gegen: "Das geht aber besser!"
Ich merke, wie in den Postings immer wieder Meinungsverschiedenheiten entstehen, die sich an einem (meiner Ansicht nach nur scheinbaren) Widerspruch entzünden. Und dieser scheinbare Widerspruch hat nicht nur Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Menschen zur Folge, sondern er lebt auch in einzelnen Menschen und verbreitet dort Angst und Schrecken ...
Grundsätzlich ist es so, dass jeder von uns sich wünscht, für das gemocht/geliebt zu werden was man ist. Ohne "wenn" und "aber", ohne Bedingungen, ohne das (als Erziehungsmaßnahme leider so furchtbar) beliebte: "Nur wenn Du dieses oder jenes tust!" Ich liebe bedingungslos und ohne Erwartungen. Weil ich glaube, dass das auf diese Weise gut ist. Und ebenso sollte man sich selber mögen/lieben - ohne: "Ich bin nicht gut genug/nicht in Ordnung" usw... Ganz schlimm ist es, wenn jemand das Wort "perfekt" ins Spiel bringt. Das ist ein abstrakter Begriff, der in der Realität nicht vorkommt. Der gibt nur in der Mathematik einen Sinn - also bitte auch nur dort verwenden. In der Realität gibt es nichts was "perfekt" ist, deswegen ist die Aussage: "Das ist aber nicht perfekt" eine leere Aussage. Wer das Wort verwendet bei der Beschreibung von Zwischenmenschlichem, der spricht "leer".
Gut, nachdem wir uns jetzt also alle ok finden
können wir auf Basis dessen auch drüber nachdenken, ob wir nicht an manchen Stellen etwas besser machen könnten. Der erste Schritt ist dafür jedoch absolut notwendig, wenn er nicht vollzogen wurde (Also: "ich bin wirklich schwer in Ordnung!"), dann ist der zweite Schritt unmöglich, denn der hat dann keine Basis. So wie man kein Haus ohne Fundament bauen kann, so ist der erste Schritt ("ich bin schwer in Ordnung") das Fundament für den zweiten.
Das klingt vielleicht deswegen seltsam, weil der zweite oberflächlich betrachtet tatsächlich im Widerspruch zum ersten steht. Das tut er aber nur solange, wie man nicht erkannt hat, dass etwas auch dann "schwer in Ordnung" sein kann, wenn bei genügend langem Nachdenken Verbesserungsmöglichkeiten erkennbar sind! Der Glaube daran, dass wir nicht "schwer in Ordnung" seien, weil uns Mammi + Pappi seit 50 Jahren erzählen, wie es besser geht, der ist ..... jetzt bin ich mal etwas brutal: Unreif. Sorry for that. Was er auf jeden Fall ist (dieser Glaube) - ohne "sorry" - er ist unglaublich zerstörerisch. Denn dann fehlt uns das Fundament dafür, etwas Neues dazuzulernen. Um mich zu ändern. Doch! Ich will mich ändern! Aber nicht, weil ich mich nicht "ok" fühle, sondern weil ich dazulernen möchte. Und: Klar kann man sich ändern - jedesmal wenn man was dazulernt ändert man sich! Sich nicht zu ändern bedeutet: Nichts dazuzulernen.
Manche erkennen nicht, dass diese beiden Schritte nötig sind weil sie sich zu widersprechen scheinen. Sie sind aber beide nötig. Glaube ich.