Polyfrust
Da ich im Moment mit so vielen in parallelem Austausch bin und sich viel wiederholt, möchte ich mein Thema mal öffentlich machen, dann sind alle eingeladen, auch miteinander (und nicht nur mit mir) zu diskutieren. Außerdem glaube ich, dass das Thema für einige hier relevant sein dürfte....Vor einigen Tagen habe ich den Begriff "Polykapitulation" in den Raum geworfen, was erstaunlich viele Menschen (80% Männer) angeregt hat, mir zu schreiben. Danke dafür!
Hintergrund meiner aktuellen Lage:
ich habe vor 7 Jahren angefangen, polyamor zu fühlen (ausgelöst durch ein spirituelles Erlebnis), mir ging es um "Verbindung" und da Sexualität damals in mir eine große Veränderung/ Befreiung erlangt hat, spielte sie auch eine nicht geringe Rolle.
Meine Ehe hat das nicht überstanden, mein Ex- Mann (der die sexuelle Öffnung Jahre davor übrigens selbst angestoßen hatte) war überfordert: Sexualität mit anderen MIT Gefühl leben, das war ihm dann zuviel und er trennte sich.
In Folge tastete ich mich in die polyamore Welt hinein, bin sehr glücklich zu vielen Treffen gefahren, habe anfangs unverbindlichere Beziehungen von kürzerer Dauer geführt, aber doch mehr und mehr gemerkt, dass das nicht mein Ding ist.
Mittlerweile finde ich mich eher im Bereich "Demisexualität" wieder: Sexualität lebe ich nur mit Menschen, mit denen ich eine emotionale Verbindung habe.
Parallel dazu habe ich mir noch dazu eine ziemliche Unabhängigkeit aufgebaut, gehe keine Bedingungen ein, weil sie für mich mit Liebe nichts zu tun haben. Dass Beziehung verhandelbar ist, ist klar, aber das sollte von beiden gleichermaßen genutzt werden.
Im Oktober habe ich eine Fernbeziehung mit einem Mann begonnen, der sehr für seine Freiheit in Liebesdingen gekämpft hat, eine 30- jährige funktionierende Ehe beendet hat, weil diese Freiheit das einzige war, was eben nicht ging.
Wir starteten überraschend intensiv auf die Distanz von 750 km: tägliche Telefonate, die von uns beiden gleichermaßen initiert wurden. Obwohl er damals schon sagte, das er diese Intensität nicht dauerhaft würde durchhalten können, war ER oft derjenige, der telefonieren wollte. Das erste Treffen nach Weihnachten war sehr schön.
Nach meiner Rückkehr brach er den Kontakt für fast zwei Tage komplett ab, was mich in sehr alte Verlustängste warf, die ich mir anschaue. Es gibt keine Vorwürfe an ihn, nur die gemeinsame Überlegung, was ich an der Stelle brauchen könnte. Sätze wie:
"Du bist mit allem willkommen"
"Gerade das Schwierige ist das Verbindende"
fielen seinerseits.
Anfang Februar besuchte ich ihn ein zweites Mal. Am zweiten Tag (nach einem sehr schönen ersten Tag) eröffnete er mir aus heiterem Himmel, dass er keinerlei Zukunftsperspektive mit mir plane. Kein gemeinsames Leben zu keiner Zeit. Auch da kamen keine Vorwürfe von mir, aber ich habe mich etwas zurückgezogen, wurde stiller, mein Körper reagierte zurückhaltender auf ihn.
Nach dieser Rückkehr veränderte sich der Kontakt, wurde spärlicher. Letztes Wochenende wieder ein Abbruch, der - wie sich dann herausstellte- einem Date mit einer Frau geschuldet war: im Zeitdruck vergessen, mir eine Nachricht zukommen zu lassen, Handy nicht aufgeladen....
Und er kündigte an, den Kontakt mehr oder weniger auf unsere verabredeten Treffen reduzieren zu wollen (alle 8-12 Wochen). Telefonate oder Nachrichtenaustausch nur, wenn unbedingt nötig, eher ganz einstellen.
An der Stelle bin ich ausgestiegen.
Und ich zweifle zunehmend, dass es unter Polys möglich ist, Verbindungen auf Augenhöhe einzugehen.
Monogamie beinhaltet EIN Beziehungskonzept, Polyamorie beinhaltet unendlich viele mögliche Beziehungskonzepte, diese ewige Diskussion um Distanz und Nähe, Kommunikationswege und -häufigkeit, Bedeutung von Sexualität strengen mich gerade unglaublich an.
Ich bin selber sehr reflektiert, kann gut meine Sachen bei mir lassen, sie professionell oder in Introspektive aufdröseln, aber mit der Wechselhaftigkeit meiner Partner komme ich immer weniger zurecht.
Meine Vorstellung ist die von sehr freier Verbindung, aber keinesfalls beliebig.
Und meine Erfahrung ist die, dass Männer doch noch häufig - sorry, ich kann Euch dieses Klischee leider nicht ersparen- eine Menge Zugeständnisse machen, um Sexualität leben zu können, sich dann aber bei auftretenden Unterschieden, Konflikten, spannenderen frischeren Kontakten auch wieder abwenden oder zurückziehen.
Das Muster in der geschilderten Beziehung lag übrigens bereits nach zwei Tagen offen auf dem Tisch:
Ich: "Männer gehen irgendwann aus dem emotionalen Kontakt" (altes Vaterthema)
Er: "Ich erfülle die Erwartungen nie" (altes Mutterthema)
Ich habe den Kontakt übrigens erstmal ganz abgebrochen, weil die Veränderungen, die er sich wünscht, nicht nur Beziehung unmöglich für mich machen, sondern auch Liebesfreundschaft, Freundschaft + oder platonische Freundschaft. Alles das geht für mich nur mit Vertrauen und Verbindlichkeit und beides ist für mich nicht mehr vorhanden.
Das Fatale an meiner Situation: wenn ich mit Monos in Beziehung gehe, gibt es ewige Diskussionen darüber, warum ich poly bin und ich habe häufig das Gefühl, es bindet mir jemand heimlich von hinten die Bändsel der Zwangsjacke zu.
Wenn ich mit Polys in Beziehung gehe, gibt es ewige Diskussionen, warum ich mir so verbindliche Beziehungen wünsche und ich habe das Gefühl, mein Herz leidet.
Jemand eine Idee???