Ich halte 9 Monate Kennen für eine relativ kurze Zeit und die hier beschriebene räumliche Distanz macht das Kennenlernen ja nicht leichter.
Ich lese in den bisherigen Beiträgen immer wieder, dass "Selbstliebe" in polyamoren Verbindungen besonders wichtig sein soll und dass eine gewisse Eigenständigkeit erstrebenswert sei.
Das sehe ich aber überhaupt nicht in höherem Maße notwendig, als in JEDER Beziehung - ob nun mono oder poly.
"Selbstliebe" beinhaltet für mich das Annehmen der eigenen Bedürfnisse und wenn ich hier lese, dass der TE einerseits (auch durch die Partnerin) vermittelt bekommt, die eigenen Bedürfnisse (noch nicht) zu kennen und andererseits beim tiefen Spüren von Sehnsüchten (der Wunsch nach der Erfüllung wahrgenommener Bedürfnisse) den Rat bekommt, sie in andere Richtungen zu lenken, so frage ich mich beim Lesen, ob "Selbstliebe" unterschiedlich gewichtet wird, je nachdem aus welcher Richtung sie kommt...
ICH empfinde es nämlich so, dass hier in der Gruppe die Gefühle der polyamor empfindenden Partnerin Priorität bekommen vor den Sehnsüchten des TE, der sich offensichtlich erstmal eine Basis in seiner Beziehung wünscht. Ich empfinde den Wunsch nach Verbindlichkeit und Geborgenheit als etwas völlig Normales - ja, als tatsächliche Basis einer JEDEN Beziehung - egal ob mono oder poly.
Die Frage ist doch, was sich jeder Einzelne überhaupt wünscht, wenn er eine Beziehung eingeht.
Also... ICH wünsche mir GEMEINSAM mit meinem Partner durch dieses Leben zu gehen und wenn ich mich verliebe und mich für die Beziehung entscheide, dann tue ich das deshalb, weil ich mir MIT DIESEM Menschen eine Menge GEMEINSAMEN Weg vorstellen kann.
Partner definieren - besonders zu Beginn, aber auch immer wieder neu - ihre Beziehung. Dazu braucht es Zeit, Raum und - AUCH in polyamoren Beziehungen - ein Fundament. Ohne dieses Fundament ist (MEINE Meinung!
) der gemeinsame Weg doch noch gar nicht gefestigt genug, um weitere Schritte MITEINANDER zu gehen.
Polyamorie bedeutet FÜR MICH eben nicht, dass ich "Single" in einer Verbindung bleibe, sondern... Verbindlichkeit und MITEINANDER in Liebe.
Polyamorie bedeutet auch (für mich!) nicht, dass ich mich "mit dem Kopf durch die Wand" selbstverwirklichen will, denn dann kann ich nicht behaupten, dass ich den Anderen liebe, sondern befinde mich auf einem "Ego-Tripp" - sehe den Anderen und seine (ggf. schmerzhaften) Gefühle nicht als in meiner Verantwortung.
Will ich keine Verantwortung, bleibe ich alleine, denn für mich ist Unverbindlichkeit das Gegenteil von VerBINDUNG.
Jetzt wird wieder kommen, dass "niemand die Verantwortung für die Gefühle des Anderen hat"
.
Kann kommen
- sehe ich aber eben dann anders. Ich habe nämlich für all mein Tun Verantwortung und wenn ich weiß, dass mein Partner mich liebt, so weiß ich auch, dass diese Liebe eine Form der "Macht" (so negativ es auch klingen mag) beinhaltet. Wer bedeutsam ist, kann durch seinen Einfluss gut tun, oder eben zutiefst verletzen. Zu lieben sollte das Interesse an Ersterem beinhalten.
Jetzt bin ich ein Mensch, der diese "Schlagzahl" bzgl. des Verliebens, welche hier in der Gruppe offensichtlich gegeben zu sein scheint, für sich selbst überhaupt nicht kennt. Für mich ist Liebe besonders und ich finde sie nicht ständig und an jeder Ecke.
Und wenn ich wirklich liebe, so stelle ich meine eigenen Bedürfnisse nicht über die des Partners, sondern möchte das Gemeinsame gemeinsam entwickeln. Ist das nicht möglich, fehlt das Fundament und die Liebe bleibt, aber Beziehung ist nicht möglich.
Ich sehe da keinen Unterschied im Wollen, ob es nun eine oder mehrere Lieben betrifft. Wenn ich mich für einen Menschen entschieden habe, so bedeutet es für mich, dass wir GEMEINSAM gucken, was möglich ist.
Was ließ mich in der Vergangenheit im Einklang mit allem die weitere Liebe eines Partners als gut und bereichernd erfahren?
Es war das tiefe Fühlen, dass seine weitere Liebe die Unsere überhaupt nicht "bedrohen" KANN, weil unsere Verbindung eben ausschließlich und exklusiv UNS verband.
Das, was wir hatten, KONNTE er mit einer weiteren Partnerin nicht haben. Umgekehrt verband ihn mit ihr, was wir eben NICHT zusammen hatten - was ich aber auch nicht wollte und somit nicht vermisste. Das heißt, ich empfand seine weitere Liebe als bereichernd für alle. Ich sah, was sie ihm gab - wie glücklich er mit ihr war und das freute mich. Das Vertrauen in uns ging so weit, dass ich sicher war, dass die weitere Frau eine ganz besonders tolle Frau sein muss, denn schließlich hat ER sich in sie verliebt. Sie hatte daher schon so eine Art "Sympathie-Bonus"
. Das hat sich auch bestätigt beim besseren Kennenlernen.
Für mich persönlich ist durch das, was ICH erlebt habe, Polyamorie etwas SEHR "Großes". Ich empfand sie in den 8 Jahren als sehr intensiv und ... als irgendwie "reine" Liebe.
Solche Verbundenheit lässt sich meiner Meinung nach nicht "beschließen" oder "planen". Sie muss sich entwickeln (dürfen).
FÜR MICH ist sie unvorstellbar, wenn ich unter einer weiteren Liebe des Partners leiden würde und dieser Partner mich dann darauf hinweist, meine Bedürfnisse im Außen zu befriedigen (Freunde, Kontakte, Hobbys und Interessen).
Das, was hier in Klammern steht, ist bedeutsam, aber eben NICHT für das Fundament zwischen jeweils zwei Menschen. Die Basis für ein verbindendes "Wir" braucht doch das Beschäftigen MITEINANDER.
Warum ist es erstrebenswert etwas zu leben, was wehtut?
Warum soll ich mich "alleine entwickeln", wenn ich das tiefe Bedürfnis nach besonders tiefer Verbundenheit habe?
Warum soll ich im Außen suchen, was ich im Innen - mit dem Partner - ersehne?
Warum kann Polyamorie nicht GEMEINSAM angenommen, oder eben auch abgelehnt werden, OHNE dass man Letzteres als "Versagen" sehen muss?
ICH will für mein Leben weder 'ne Tantra-Gruppe, noch Literatur zur "Selbstfindung" oder "Entwicklung" (das kann "Zusatz" sein, aber nicht "Förderung" DIESER Liebe) , sondern DEN PARTNER, der mir Sicherheit geben kann.
Die kann "ich nur selbst in mir finden"?
Nö.
Polyamorie KANN derart tragen, dass es was ganz Tolles SEIN KANN.
Trägt sie nicht, würde sie FÜR MICH jeden Reiz, sie auszuleben - so das Thema mich denn nochmal im Leben betreffen WÜRDE - verlieren...