Gut ok ich bin tief ....
In der Materie drin
Ich stelle an dieser Stelle mal mein "Essay" zur Verfügung. Wenn ihr es lest dann habt im Hinterkopf das Polyamorie eine dieser "Kategorien" ist.
Vieleicht kann ich euch dann ja erleuchten, warum ich es nicht für gut finden zu fragen, wer "wahrer" Poly ist und wer nicht. Ich zitiere mich selbst:
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Das Gleiten zwischen den Perspektiven – Chancen und Herausforderung von Differenzkategorien in der genderreflektierten Sozialen Arbeit.
Die Heteronormative entsteht aus der Annahme der binären heterosexuellen Geschlechterordnung. Dafür benötigt sie die Genderkategorien Mann und Frau. Jedoch werden beim Ausbrechen aus den Identitätszwängen bereits neue Kategorien eröffnet und neue Hierarchisierungen aus neuen Subkategorien hervorgebracht. Stellen Kategorien eine Gefahr oder eine Chance in der genderreflektierten Sozialen Arbeit dar? Benötigen wir Kategorien als Dimensionen diskriminierungskritischer Arbeit oder erschaffen sie lediglich Gräben dort, wo sich Feminismus und Queerfeminismus einander die Legitimität entziehen wollen? Kategorien erschaffen normative Schemata. Von diesen ausgehend gibt es die etikettierten Menschen, die gespiegelt aus der geschaffenen Normative gelabelt und marginalisiert werden. Die normale Kategorie stigmatisiert „den Anderen.“ Systematische Machtverhältnisse herrschen zwischen diesen Kategorien. Kategorien befähigen uns jedoch zum Definieren eines Zustandes/Missstandes/Mechanismus. Diversity selbst geht von einer Normalität der Vielfalt aus, bedient sich jedoch der Benennung von Kategorien für die Sichtbarkeit dieser. Dieses Essay soll dazu dienen sich mit der Diversitydimension des SOGI (Sexual Orientation and Gender Identity), sowie dessen Sinn und Unsinn von Kategorien für eine genderreflektierte Arbeit auseinander zu setzen.
Wenn von Geschlecht und Sexualität gesprochen wird, dann bleibt das Wort „Kategorie“ selten aus. Um eine Machtstruktur sichtbar zu machen, werden Definitionen genutzt und gebraucht (z.b. im Feminismus oder dem Streit um LGBTQI Rechte). Die Folge dieser Konstruktion und Dekonstruktion der Machtverhältnisse ist das eröffnen weiterer Kategorien zur Herstellung von Vielfaltsnormalität. So wird seit Jahren zu weiblich und männlich das 3. Geschlecht inter* gefordert. Neue Kategorien wie Femme, Butch, Cis-Frau, Genderfluid oder Cis-Man, trans* und Queer kommen hinzu. Gleichzeitig werden Stimmen der Theorie zum genderspectrum, wider der binären Geschlechterordnung, laut. Auch Hetero, Homo oder Bisexuell reichen in einer Welt von Demi-Multi-Objekt-A- oder Pansexualität längst nicht mehr aus! Auch wird sich bereits sehr lang in der Rainbow Szene darüber gestritten, ob nun die Bezeichnung LGBT, LSBTTIQ oder LGBT+ die „richtige“ Aufzählung der Kategorien rund um die sexuelle Orientierung ist, damit sich keiner benachteiligt, (un-)erwähnt und affirmativ-different benannt fühlt. (Vgl. Hartmann; o.J. : 10) Wo liegent Funktion und Ziel in diesen und weiteren Kategorien sowie Subkategorien für diversity-orientierte genderreflektierte Soziale Arbeit, welche geschlechtliche/sexuelle „Vielfalt als nNormal“ anerkennen? Gibt es Chancen oder Gefahren, welche durch die Entkategorisierung, Veruneindeutigung und dem Eeröffnen neuer
(Sub-)Kategorien im Handlungsfeld der genderreflektierten Sozialen Arbeit entstehen? In der politischen Tagespresse kommt es hierbei sogar um ein Ringen der Positionshoheit. So ist verfolgbar, wie Alice Schwarzer, die sich als Vertreterin des Feminismus und damit der Geschlechtergerechtigkeit ihrer Zeit sieht, einen offenen Graben zwischen dem Feminismus der 2. Welle, den Gender Studies und dem Queerfeminismus eröffnet. Mit der Abschaffung der Geschlechtlichkeit und deren Kategorie würde man das Bestreben des Feminismus für mehr Gerechtigkeit der Frau (auch in Bezug auf den gefährlichen patriarchalen Islam) konterkarieren und relativieren, so Schwarzer sinngemäß in der politischen Tagepresse. (Vgl. Taz; 2017: o.S.) Es gibt, trotz immer neuer differenter Sprache, affirmativen Benennung und Ausdifferenzierung weiter das Ringen darum, wer wichtiger und „Normaler“, zugehörig oder nicht „zugehörig“ ist, in der Welt der „Schachteln“ .Und dies von den Gruppen, die vorher als einheitliches Organ wahrgenommen und marginalisiert wurden (siehe Forumsdiskussion 9.6.-Gender als Perspektive). So erlebte ich die sichtbargemachte Diskriminierung der Kampagne „Diskriminierung hat viele Gesichter“ mit dem Bild „… zu transgeschlechtlich für die Anrede Frau“ (Vgl. Hartmann, Köbsell, Schäuble; 2017: 7) nicht etwa nur beim weißen hetero Mann, sondern in der feministischen oder LGBT Szene selbst. Innerhalb der neuen (Sub-) Kategorien entstehen also auf der einen Seite Hierarchien, die vorher so nicht sichtbar vorhanden waren, auf der anderen Seite entsteht immer mehr Substanz und Sichtbarkeit des Facettenreichtums dort, wo vorher ein marginalisiertes Organ in der Gesellschaft war. Nämlich „Die nicht Heteronormativen“. Benötigt die Arbeit der /des SozialarbeiterIn für die diversityorientierte Profession jetzt immer neue Kategorien und ist sie dienlich für antidiskriminierende Arbeit? Ist es sinnvoll, im Sinne nach gerechtigkeitsstrebener divsersityorientierten Sozialen Arbeit immer weitere Kategorien im SpecKtrum des Gender und der Genderidentität sowie der sexuellen Orientierung zu eröffnen oder schaffen diese Kategorien neue Konstruktionen? Bei aktuellen aber restriktiven politischen Bewegungen ist eine starke Tendenz zur Feindlichkeit gegenüber diversity-orientierten und geschlechtergerechtigkeitsherstellenden Gruppierungen, Forschungsfeldern, und damit dem vermeintlichen Angriff auf die heteronormative Ordnung, durch rechts-konservative Kräfte festzustellenscharf. Die binäre Geschlechterordnung wird von reaktionären Kräften ebenso verteidigt, wie die hHeteronormative. Trotz der „Ehe für Alle“ soll das Familienbild der heteronormativen Ehe und deren davon abgeleiteten Geschlechterstereotypen von diesen politischen Kräften gestärkt werden. (Vgl. Zeit; 2015: o.S.) Mit dem Positionspunkt „17. PEGIDA ist GEGEN dieses wahnwitzige "Gender Mainstreaming", auch oft "Genderisierung" genannt, die nahezu schon zwanghafte, politisch korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache!“, hat es der Begriff „Gender“ sogar in eine eigene erklärte Feindeskultur der Pegida Bewegung geschafft. Denn man möchte die Kategorie Frau (und damit die völkisch- nationale Vorstellung von Mutter) nicht „abschaffen“(Vgl. Pegida;2014: o.S.). Gegenpole zu dieser Heteronormativität und der patriarchalen Dominanzkultur finden sich neben genderreflektierter Sozialer Arbeit im Feminismus oder den Konzepten um die Queer Theory (Queerfeminismus). Im Kreis derer, die für die Normalität der Vielfalt und Geschlechtergerechtigkeit eintreten, gibt es jedoch Unstimmigkeiten über zukunftsweisende Ansätze für Gerechtigkeit. Ist es sinnvoll, im Zuge der Denormalisierung der Heteronormativität und starrer Geschlechterrollen weitere Kategorien (Bisexualität, Genderfluid, Inter*, CiS-Frau) zu eröffnen, um für Diversifizierung in der Kategorie Gender zu sorgen oder ist es sinnvoll das Erstellen weiterer Kategorien kritisch zu reflektieren und über einen Gerechtigkeitsansatzansatz nachzudenken, der von einer postgegenderten Gesellschaft ausgeht?
Queere Ansätze wollten die Kategorien abschaffen, währenddessen hierfür zuerst die Kategorie Queer erschaffen werden musste.
Während der ersten Diskussion im Forum zu O9.6 wurde bereits das Kernthema dieses Essays im Beitrag „Paradoxon Queer – Das erschaffen von Kategorien mit dem Zweck diese abzuschaffen“ zu einer Diskussion zur Verfügung gestellt und setzte sich thematisch in den verschiedenen weiteren Forumsdiskussionen fort. Dabei entwickelten sich sowohl innerhalb der Lernplattform als auch im Kontext des Basistextes von von Jutta Hartmann Verschiedene Perspektiven, welche von Judith Lorber als „Gender-Paradoxie“ bezeichnet wird (Vgl. Hartman; o.J. : 28)
Perspektiven, die den Erhalt von Kategorien bekräftigen
Standpunkt Um sich gegen eine erwartete Norm sichtbar machen zu können, dienen Geschlechtskategorien zur Erreichung eines Zustandes der Echtheit. Namen und Definitionen haben hier eine enorme Wirkung die dazu nutzen können die Existenz von Dingen zu beweisen. (Gewalt an Frauen)
Standpunkt. Kategorien helfen dabei schädliche Elemente, wie etwa die Benachteiligung aufgrund der Heteronormative, zu identifizieren (Gender PayGap)
Perspektiven zur Auflösung von Kategorien
Standpunkt Wird auf Kategorien verzichtet, dann verzichten wir auf die Möglichkeit einen Menschen aufgrund seiner „Andersartigkeit“ zu bestrafen und innerhalb der Differenzlinie Gender bewusst oder unbewusst in einer niederen hierarchischen Position zu markieren
Standpunkt Beim Verzicht auf Kategorien als SozialarbeiterIn vermeidet man reproduzierende Gräben zwischen Identitäten und unterstellte Hegemoniebestrebungen (Alle Männer gegen Frauen, Hetero vs. Bi). Zusätzlich erwirkt man mit der Auflösung von Kategorien (z.B. Mann/Frau/Inter*; Homo/Bi/Hetero) mehr Binnendifferenzierung und vermeidet so Schablonen innerhalb einer Genderidentität (Wie ein_e FeministIn zu sein hat, Wie ein_e Bisexuelle_r ist) (Vgl. Wizorek;2014: 21)
Eine postgegenderte Welt ohne Geschlechter konterkariert die Forderung nach Quoten durch die Auflösung der Kategorie Mann und Frau. Dies zu erreichen kann aber am Ende erst dann sinnvoll sein, wenn Gleichstellung herrscht. (Wizorek; 2014: 33 ff.) Inwiefern es sinnvoll ist, innerhalb der derzeitigen Kategorisierung noch weitere Differenzierungen zu eröffnen, bleibt dabei fraglich. Denn es ist nicht unbekannt, dass zwischen Mann und Frau oder zwischen Homo und Hetero „das dazwischen“, in dem Fall Inter* und Bi, trotzdem eine Sonderlingsrolle einnimmt. Dieser Prozess lässt sich trotz weiterer Ausdifferenzierung beobachten. Es ist also durchaus als Dilemma auffassbar, dass gesellschaftliche Unterschiede mit neuen Kategorien immer wieder neu konstruiert werden, aber man ohne diese die Ungerechtigkeiten gar nicht erst feststellen und bekämpfen kann. Ein Dilemma ist auch der gefühlte Kampf zwischen FeminstInnen und Gender Studies, denn treten sie doch beide gegen systematische Benachteiligung und ungerechtigkeitsschaffende Strukturen in Bezug auf Gender und Orientierung ein.
Zusammenfassend und nach dem Abwägen der Polaritäten kann man evaluieren, dass durch das reflexive Aufzeigen (affirmativ- rechtlicher Ansatz) von Vielfältigkeit der (und innerhalb der) Kategorie Gender diese Kategorien/ Subkategorien erst langsam als normal etabliert werden. Schlussfolgernd könnte man sagen, dass Kategorien erst dann abgeschafft werden können, wenn sie vorher zur maximalen Sichtbarkeit geführt haben. Selbe Systematik träfe auf den Feminismus zu, der seinen Sinn neben dem Queerfeminismus genau dort erfüllt, aber diesen gleichzeitig (noch) blockiert. Die Chance für die genderreflektierende Soziale Arbeit liegt darin, Identitätszwänge zu überwinden und damit ein diskriminierungsfreies Handlungsfeld auf der Differenzlinie Gender zu schaffen. Aufgrund der eben beleuchteten Gender Paradoxie besteht jedoch die Gefahr einer „Veruneindeutigung“, die typische Problemlagen von Jungen und Mädchen, spezifische Reaktionsweisen und strukturelle Phänomene unsichtbar werden lassen. (Vgl. Hartmann; o.J. : 28) Postgender ist also vielleicht das Ideal nach dem Ziel. Aber Differenzierung lässt sich vermutlich niemals vollständig überwinden. Sie kann aber im ständigen Prozess hinterfragt werden. Die Herausforderung könnte hierbei nicht in den Kategorien liegen, sondern vielmehr mit den Zuschreibungen und deren Hierarchisierung, die diese mit sich bringen.
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