Mehr Schein als Sein in der Poly Welt!?
Liebe Polys!Erstmal eines vorweg genommen, wir möchten mit diesem Beitrag niemanden persönlich angreifen! Vielmehr erhoffen wir uns eine konstruktive Diskussion zu dieser Thematik, wo alle Beteiligten (Polys) sich zu Wort melden können um ihre Sichtweise oder Erfahrungen darzulegen.
Kurz zu uns:
Wir sind seit 10 Jahren ein Paar und leben seit 3 Jahren polyamor. Für uns bedeutet Polyamorie, dass der Partner nicht als Eigentum angesehen wird, sondern die Freiheit besitzt sich in seinem Liebesleben, sowie seiner Sexualität, frei ausleben zu können. Alles unter der Maßgabe absoluter Ehrlichkeit und Offenheit dem Partner gegenüber. Zudem ist natürlich die familiäre Vereinbarkeit zu beachten, da wir eine 10 jährige Tochter haben, welche allerdings unsere "Beziehungsform" auch zunehmend versteht und damit keine Schwierigkeiten hat.
Wir haben weder einen Hang zur Esoterik, noch sind wir anderweitig alternativ (Vegetarier, Veganer, etc.). Kurz gesagt, wir sind das ganz "normale" Paar von nebenan, welches in einer alternativen Beziehungsform lebt und offen auf Menschen zugeht.
Jetzt zu unserem eigentlichen Anliegen:
Polyamorie ist ja nun mal gerade in Deutschland nicht allzu bekannt. Zudem ist die Akzeptanz in der Gesellschaft auch sehr schwierig. Also versucht man sich natürlich mit Gleichgesinnten Kontakte zu knüpfen um sich auszutauschen.
In unserem Fall haben wir dies in Form von Facebook Gruppen, Foren und Treffen/Veranstaltungen getan.
Unsere Erfahrungen sind dabei äußerst ernüchternd!
Warum?
1. Beispiel: Facebook Gruppe
Die meisten Mitglieder der Gruppe waren mehr damit beschäftigt, sich mit Esoterik oder "grünen" Themen auseinander zu setzen. Mitglieder, die nicht in dieser Form alternativ lebten, wurden außen vor gelassen oder, noch schlimmer, diskriminiert. Gleiches gilt für den Fall, wenn Mitglieder Polyamorie nicht "identisch" definierten wie sie selbst.
Danach kam uns in den Sinn: Hm...gerade Polys behaupten doch immer von sich selbst, offen und gnadenlos tolerant zu sein!? Irgendwas passt da nicht!
2. Beispiel: Poly Veranstaltungen
Nach den Online Erfahrungen dachten wir uns, wir sollten in die Offensive gehen und an Poly Veranstaltungen teilnehmen. Gerade für uns als kommunikative Menschen, sollte dies doch wirklich von Erfolg gekrönt sein. So die Theorie!
Die Praxis sah leider ganz anders aus.
Am Besten lässt sich dies am Beispiel des "Poly Meetup Berlin" vom 30.04.18 beschreiben.
Mit großer Vorfreude haben wir diese Veranstaltung am letzten Montag besucht und wurden innerhalb kürzester Zeit sehr enttäuscht.
Schon beim Betreten der Location ernteten wir erste böse Blicke von den Gästen. Beim Bestellen an der Bar würden wir von einem der Gastgeber angesprochen und gefragt, ob wir den wüssten wo wir hin wollten bzw. wo wir sind. Klar wussten wir das und erklärten ihm das auch. Und weg war er....
Da wir erst 1,5h nach Start der Veranstaltung eingetroffen sind, hatten sich bereits "Grüppchen" gebildet. Scheinbar von Besuchern von bereits vorherigen Veranstaltung, da man sich kannte. Bei den Außenplätzen genau das gleiche Bild. Also setzten wir uns draußen an einen noch leeren Tisch, da wir trotz freundlichen Anlächelns unsererseits nur abwertende Blicke oder gar keine der anderen Besucher empfangen haben.
Dabei bekamen wir ein Gespräch eines scheinbar anderen Paares mit, welche sich über "die verlorenen Seelen" ausließen. Gemeint waren z.B. wir damit.
Während wir unseren Drink zu uns nahmen, suchten wir immer wieder den Blickkontakt zu anderen Gästen, u.a. auch durch das Fenster.
Immer wieder würden wir abwertend angesehen, nach dem Motto: Was wollt ihr denn hier???
Danach folgte ein ignorantes Wegsehen.
Für uns war dieses Verhalten absolut unverständlich! Wir schauten uns an..."Haben wir irgendwas an uns?!"
Wir waren im Ausgehoutfit. Die meisten Gäste waren eher alternativ gekleidet und zeigten damit auch ihre alternative Lebensweise deutlich. Wir kamen uns teilweise vor wie Ausserirdische.
Zudem hatten die meisten Gäste Namensschilder, ausgegeben von Gastgeber mit Klebeband. Warum hatte er uns keine gegeben?
Nach einer gewissen Zeit traf ein sehr junges Paar ein. Der männliche Part fühlte sich sichtlich unwohl. In der Situation hätte sie eigentlich auf ihn eingehen sollen. Stattdessen versuchte sie krampfhaft an einem vollen Außentisch Fuß zu fassen und ließ ihn quasi stehen. Allerdings hatte sie kein Erfolg. Ihr ging es genau wie uns, denn sie wurde komplett ignoriert! Verzweifelt setzen sie sich kurzzeitig auf eine einzelne Bank, bis schließlich ein paar Leute den Tisch verlassen hatten. Daraufhin stürzte sie sich mit ihrem Freund im Schlepptau auf die freien Plätze. Geholfen hat es ihnen trotzdem nichts, denn sie wurden weiterhin einfach ignoriert und unterhielten sich nur zu zweit.
Dies war für uns eine Bestätigung und wir verließen die Veranstaltung nach nicht mal 1,5h.
Diese Erfahrung deckt sich mit bereits vorherigen Erfahrungen bei Poly Veranstaltungen!
Danach sind wir in eine Bar und haben darüber diskutiert, warum es so ist.
Teilweise zweifelten wir an uns selbst.
Wir diskutierten auch über die Persönlichkeiten von Polys und ob wir halt einfach "anders" sind.
Schlussendlich kamen wir zu dem Ergebnis, dass viele Polys in keinster Weise tolerante Menschen sind! Im Gegenteil....wenn man die ganzen Erfahrungen sieht, dann neigen sie schnell zu Vorverurteilungen und Intoleranz. Für uns ist dies furchtbar, zudem ist es ein absoluter Widerspruch zum polyamoren Leben.
Dadurch sehen wir für die Zukunft eigentlich keine Chance mehr, polyamore Kontakte knüpfen zu können. Das, was wir ursprünglich wollten.
Nochmal, wir möchten hiermit keine einzelnen Personen verurteilen oder anprangern. Wir möchten nur unserer Erfahrungen darlegen und eine konstruktive Diskussion anstoßen.
Liebe Grüße
Nancy und Uwe