Polyamorie – der historisch authentische Inhalt
Für eilige Leser: Die Werte der Polyamorie als Maßstäbe polyamoren Verhaltens sind nicht ohne Weiteres durch persönliche Interpretation dehnbar; zu klar sind die Aussagen der Verbalavantgrdistin Morning Glory Zell-Ravenheart . Jedenfalls gilt das, wenn mensch ihre Intention und Inhalte gelten lässt.Ich wundere mich sehr, hier einen Beitrag über den Begriff Polyamorie zu schreiben und die Geschichte meiner persönlichen Metamorphose zu seinen Inhalten zu offenbaren. Dafür gibt es einen besonderen Anlass und meine Motivation,
• meinen Informationszuwachs mit Euch zu teilen,
• die Wirkung des Textes und seiner Inhalte auf Euch zu erfahren,
• den von mir immer wieder als ermüdend empfundenen Diskussionen, die für Newbies natürlich wichtig sind, einen klarer erkennbares Fundament zu geben. So klar, dass sich in Zukunft erübrigen könnte, darüber zu debattieren, was „poly“ ist und was nicht (mehr). Gratwanderungen und Zweifelsfälle wird es immer geben können, aber hoffentlich viel seltener.
Schon lange war das Thema für mich abgenudelt, seit ich mich etwa 2009 dazu bekannte, dass ich polyamor sei, und verschiedene Formen von lust- und liebevollen sexuellen Begegnungen, aber ohne Liebe (für mich ein großer Anspruch), ebenso mag. Letzteres geschah mit trotzigem Freimut, und so richtig wohl war mir immer noch nicht dabei. Seitdem beteiligte ich mich nur noch ausnahmsweise an begrifflichen Auseinandersetzungen. Außerdem
1. erschienen mir die Werte-Hardliner unter den Polies so rigide, dass deren Haltung mir wie eine persönliche, geistige Freiheitsberaubung erschien. Das passte mir nicht in den Kram, weil
2. ich schließlich (meist von Herzen) gerne vögelte, und da waren intellektuelle Diskussionen, und sie mir so erscheinenden „aufgeplusterten Moralapostel“, die in mir Gewissensbisse hätten auslösen können, nur unangenehm.
In einer Mischung von Unkenntnis, später eher des Unwillens, war ich schlampig in der persönlichen Meinungsbildung und Recherche, und mein sachlicher Wissensstand zum Begriff blieb auf Wikipedia-Niveau. Das ist fast 11 Jahre her.
Das sage ich mit nüchterner Trockenheit, weil ich diese Wahrheit sehe und für mich annehme.
Diese Zeit meines intellektuellen Notstandsgebietes beendete vor ein paar Tagen Atman_Bln (sein Einverständnis zu einem Posting liegt mir vor) mit einer deutschen Übersetzung des Textes von Glory Morning Zell-Ravenheart – ja, genau Derjenigen, die den Begriff Polyamory erstmals für das Oxford Dictionary formulierte, und der später Eingang in Wikipedia fand. Was mir all' die Jahre nicht bekannt war: Sie hatte einen 15-seitigen Text dazu geschrieben, der mittlerweile in Wikipedia erwähnt ist; das war 2007 noch nicht der Fall, wenn ich mich recht erinnere. Seit wenigen Tagen gibt es diesen Text mit den wichtigen FAQs in Deutsch:
http://www.andersartig.biz/w … 1990-Deutsch-2018-Vers-3.pdf
Seit Jahren finde ich es zum ersten Mal wieder interessant, mich mit den ursprünglich gemeinten Inhalten dieses schillernden Begriffes „Polyamorie“, der bei oberflächlicher Betrachtung wegen des individuell interpretierbaren Begriffes „Liebe“ von Manchen bis zur Beliebigkeit mit individuellen, teils selbstbetrügerischen Empfindungen und Vereinbarungen verbogen werden kann, zu diskutieren.
Denn nun gibt es (auch für mich endlich) eine authentische Quelle, also die Wurzel dieses Begriffs, die für mich neu ist. Wie gesagt: ich könnte sie längst kennen, aber bemüht habe ich nicht um die Recherche, denn wenn es um Englisch geht, schütze ich meine Horizontbeschränkung gerne mit einer Fremdsprachenlegasthenie. Schon weil ich weiß, wie schwierig mir eindeutige, klare und gefühlvolle Kommunikation in meiner Muttersprache fällt. Wo kein Wille ist, da findet sich eine Ausrede .
Ich bin aufrichtig dankbar für die Arbeit des Übersetzers, denn
1. sie bereichert meinen geistigen Horizont,
2. ich verstehe die Position jener, deren Polyamoriebegriff mir immer wie ein freiheitsberaubendes Wertekorsett (welch Widerspruch zur Freiheit, die so fett auf den Fahnen der Polyamoristen prangt) vorkam, nun viel besser. Weil sie ein dokumentiertes Fundament hat, kann ich nun den „Richtigkeitsanspruch“ (an)erkennen. Das war dem egoistischen Skeptiker in mir nicht möglich, solange es nur einen Wikipedia-Eintrag oder Interpretationen Dritter gab.
Wo stehe ich jetzt?
Heute ist mir bewusst,
• dass die Hardliner und Begriffsjongleure (denen ich mich immer wieder verbunden fühle) Recht hatten mit Ihrer Auffassung über das, was – unter Wertegesichtspunkten betrachtet – unter Polyamorie zu verstehen sei. Da stört es mich nicht, dass der Terminus „liebevoll“ oder „Liebe“ - isoliert betrachtet - individuell interpretierbar bleibt oder es Unterschiede geben könnte aufgrund kultureller Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Sprachgepflogenheiten („friend“ ist zB inhaltlich etwas anderes „Freund“). Im Kontext wird sehr deutlich, was Glory meint.
• dass ich früher im Kern mich selbst wegen meiner Neigung zu sexuellen Begegnungen ohne „Liebe“, gieriger Geilheit und Befriedigung meines narzisstischen Egoismus' verurteilte, wenn ich mal wieder einen „Moralapostel der reinen Polyamorie“ witterte, der aus meiner Sicht mein ebenso sauberen Selbstbild anpinkeln wollte,
Ich bin älter geworden. Der Testosteronspiegel ist deutlich gesunken, und da ist nichts und niemand, der ihn wieder ankurbelt. (Das verdient einen Smiley, aber ich kann mich gerade für keinen entscheiden ). Das schenkt mir eine Freiheit, die ich früher so nicht wirklich hatte. Die Gier nach neuen, überwiegend sexuell motivierten Erfahrungen ist verschwunden. Seit 2007 lebe ich in beständigen, parallelen Herz- und Liebes(ver)bindungen seit insgesamt 28 Jahren.
Geistig bin ich in erotischer Hinsicht jünger geblieben, als mein körperlicher Zustand, aber ich schätze auch die Gelassenheit des Alterns ;-). Die Schwerpunkte verschoben sich: Sinnlich-erotische Freuden haben sich um die reine Betrachtung von Naturschönheiten und um kulinarische Genüsse erweitert.
Meine Vorliebe für „Sex mit Seele“ hat sich dadurch nicht grundsätzlich geändert.
Heute wie damals bin ich weit davon entfernt, Menschen, die polyamor und promisk o.ä. sind und sich selbst heftige Schlampereien leisten, negativ zu bewerten. Aufgeplusterte Moralapostel, die undifferenziert mahnend den stinkenden Zeigefinger heben und Andere an ihren Wertmaßstäben messen, sind mir nach wie vor sehr unsympathisch. Ich kann vieles tolerieren – aber keine Intoleranz .
TM
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