Ob der Mensch nun "von Natur aus" poly der mono ist, halte ich, bezüglich der zukünftigen Entwicklung gelebter Beziehungsmodelle, für wenig relevant. Die beiden Antworten auf den von Tom eingestellten Beitrag, die ich bisher hier lese, finde ich klasse. Und doch glaube ich nicht, dass sich polyamore Beziehungen jemals über das hinaus - und in diese Gesellschaft hinein - etablieren werden.
Warum?
Weil es "in der Natur des Menschen"
etwas gibt, was dagegen spricht und das zeigt sich (leider) im Streben nach "Überwinden der Individualtität", die bereits mit der Geburt auf jedes neue Leben einwirkt.
Klar, braucht Zusammenleben Regeln, aber die, die wir heute teilweise vorfinden, resultieren daraus, Menschen schon sehr früh zu normieren und das ist im Sinne von Religionen, von Regierungen und von allen Institutionen, die ein Interesse am Erhalt ihrer Macht haben - so gewollt und seit vielen Jahren praktiziert.
Menschen, die unter Berücksichtigung der menschlichen Natur nach einer freiheitlichen Gestaltung im menschlichen Miteinander streben, können noch so tolle Erkenntnisse gebildeter Zeitgenossen anführen, um ihren Weg zu begründen... sie werden sich nicht durchsetzen.
Selbst die, die es in Gemeinschaften anders zu leben versuchen, scheitern meiner Meinung nach am oben Erwähnten - nämlich an der Macht, welche sich auch dort immer wieder einzuschleichen scheint und sich in von mir wahrgenommenen Dogmen zeigt, die ja nicht besser sind, wenn sie in kleineren Einheiten wiederum zur Normierung führen.
Ich glaube, dass Polyamorie im gelebten Miteinander nur in der kleinsten Einheit überschaubarer Verbindungen ggf. längerfristig lebbar sein könnte und dass alles darüberhinaus Angedachte ein schöner Traum bleiben wird, der daran scheitert, dass der Mensch selbst seine Natur diesbezüglich nicht einfach als gegeben annehmen kann, sondern... analysieren, sortieren, ergründen und lenken will.
Das fängt m.E. schon bei der Überhöhung der Polyamorie an, die ich oft beim Lesen von Gruppenbeiträgen empfinde. Da wird eine Erkenntnis - eine "Wahrheit", die man in der Polyamorie zu finden glaubt - mit einer Allgemeingültigkeit versehen ( z.B. "liegt in der Natur DES Menschen"
), die wieder zeigt, dass der, der eine Erkenntnis zu haben scheint, allen anderen Menschen deren Allgemeingültigkeit überzustülpen versucht.
Ich glaube, so funktioniert das eben gerade nicht.
Hat für mich auch nichts mit der Freiheit zu tun, die ich persönlich erstrebenswert finde.
Mein ganz persönliches Fazit, zu dem ich immer wieder - auch beim Reflektieren aus verschiedenen Gesichtspunkten heraus - komme:
Wachsam sein, beim Übernehmen irgendwelcher (noch so schlauer) Thesen, denn es könnte die Gefahr bestehen, am Ende wieder von Zwängen und Dogmen überrollt zu werden und dann geht etwas ganz Bedeutsames verlohren, zu dem wir vielleicht im ganz kleinen finden KÖNNTEN und das ist das Achten unserer Individualität und der jeden Gegenübers.
Vielleicht lässt sich daraus ein Stückchen der Freiheit - und auch der Polyamorie - leben, die wachsen kann?
Mir sind bisher wenige Menschen begegnet, die das ähnlich sehen und mit denen ich persönlich ein Stück Weg polyamor gehen durfte.
Alle diese Menschen sind heute wieder in monoamoren Beziehungen lebend - mich eingeschlossen.
Und, wenn es im Leben keine (weiteren) Begegnungen gibt, die die Lust und den Mut auf neue Wege durch genau dieses Zusammentreffen möglich machen, so können 'ne Menge Menschen schlaue Dinge schreiben...
Wir werden sie evtl. in der Idee - im Kopf - toll finden, aber nur dann wirklich (er)leben, wenn was im Fühlen ankommt.
Alles Andere ist Theorie und mir ist nicht bekannt, dass reine Theorien wirkliche Veränderungen herbeigeführt hätten...