Jedem das Seine, oder?!
Mein Lieblingsmensch und ich kennen uns seit etwas mehr als 10 Jahren. Wir waren also nicht mehr jung als wir uns kennen lernten und auch die Familienphase war vorbei.
Wir hatten Beide Erfahrungen unterschiedlicher Art erlebt.
Von Anfang an war unser Sex sehr-sehr wundertoll und -schön. Als wären wir füreinander gemacht. Wir sprachen auch sehr viel über unsere gemeinsame Sexualität und früh und schnell stellte sich heraus, dass wir es beide erregend finden dem anderen beim Sex mit anderen zuzusehen und auch gemeinsam Sex mit anderen Menschen zu haben. Und zwar nicht als Swinger. Das war für uns nicht der Weg. Wir wollten nicht mit irgendwem zufällig Sex haben. Sondern mit jemand, die-der das-unsere-Vorlieben nutzt und genießt. Das ist Chuckold und Chuckquean.
So haben wir das gelebt und uns gegenseitig sehr viel gegönnt und ausgelebt. Unsere eigene Sexualität war dadurch ungemein bereichert. Es war großartig.
Dann hat sich mein Lieblingsmensch in eine Frau verliebt. Ehrlichkeit gehört zu unserer Beziehung wie Sonne zum Tag. Er hat es mir gleich gesagt, als es ihm selbst klar geworden war. Ich war verletzt. Ich war auch eifersüchtig, allerdings ohne Szenen zu machen. Tränen. Viele, viele Gespräche zu Zweit. Er wollte mich nicht verlieren und diese andere Frau eben auch nicht. Er wünschte sich zwei Beziehungen. Das konnte ich mir nicht vorstellen, jedenfalls nicht wie sich das abspielen sollte. Endlose Gespräche. Mehr noch als die Gespräche brachten mir die Zeit in der er sich sehr viel um mich bemühte, obwohl er auch Zeit mit der anderen Frau verbrachte. Er wollte mir zeigen, dass ich nichts vermissen werde, wenn da noch eine Beziehung besteht. Wir lasen gemeinsam in Foren über Polyamorie. Schließlich traf ich auch die andere Frau und wir mochten uns. Gespräche-Gespräche brachten uns dann in einen Modus, der es erlaubt die Gefühle des Partners-Freundes-Lebensgefährten mit leben zu können. Das mit-leben ist sehr-sehr wichtig. Die Gefühle des Partners mit leben-verstehen.
Im Laufe dieser Zeit begann ich auch über mein eigenes Gefühlsleben nachzudenken. Es gab bei mir immer wieder mal kleine-heimliche Verliebtheiten. Nicht unbedingt mit Sexpartner im Chuck, sondern ein Arzt, der Kioskverkäufer, der Restaurantbesitzer. Ich selbst verliebte mich aber nicht entscheidend in einen anderen Mann.
Vor 18 Monaten wurde mein Lieblingsmensch sehr krank und liegt im Koma. Die Frau in die er sich verliebt hat ist verzweifelt, kann diese Situation aber nicht leben.
Für mich war es nie eine Frage, dass ich für ihn da bin. Aber ich vermisse auch die körperliche Nähe zu einem Mann. Ein Freund, den ich schon länger kenne, nie Sex mit ihm hatte, der offen Poly lebt hat mich lange getröstet, mir aber auch gezeigt, dass er viel Lust auf mich hat. Ich habe es dann zu gelassen, weil mir die Körperlichkeit sehr fehlt. Und es tut gut, ist wunderschön. Sicher ist mir dieser Freund gefühlsmäßig nicht so nahe wie mein Lieblingsmensch. Aber wir haben eine gute und stabile Beziehung. Wir sind füreinander da, ich liebe ihn und brauche ihn. Und ich weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann. Ich denke jeden Tag oft an ihn. Leider trennen uns über 100km.
Einer meiner – früheren - Chucks wohnt ganz in meiner Nähe. Wir treffen uns auch recht regelmäßig. Er ist mir auch sehr wichtig und ich möchte ihn, unsere Nähe und Gespräche keinesfalls missen. Und wir haben auch schönen, erfüllenden Sex.
Was will ich mit diesem langen Beitrag sagen? Es gibt immer Menschen, die man lieben kann und sollte
Warum soll ich darauf verzichten? Weil mir die Gesellschaft oder gar die Kirche vorschreibt monogam sein zu müssen, zu leben?
Liebe, Zuneigung, einander-nahe-sein tut gut, ist wichtig. Für alle Menschen. Wie weit das geht bestimmt JedeR einzeln und für sich selbst. Nähe, Offenheit, Verlässlichkeit und vor allem Zusammengehörigkeitsgefühle kann JedeR für mehrere Menschen haben. Wenn Liebesgefühle und Sex auch dazu gehört, dann ist das gut, nicht schlecht. Auch Poly-Beziehungen sind immer individuell und nicht vergleichbar.
Ich glaube, ich lebe offen Poly. Meine erwachsenen Kinder wissen Bescheid, Freunde, ich verstecke es auch nicht vor Nachbarn oder beim Bäcker. Nur bei der Arbeit geht es niemand etwas an. – Viele denken Poly sei Swingen. Ich war selbst schon viele Male im Swingerclub – früher – das ist was Anderes. Ich habe einfach kein Bedürfnis, das meinen ArbeitskollegInnen und Chefs eventuell erklären zu müssen. Kommt dazu, dass ich bei einer katholischen Organisation (als Atheistin-ich gehöre auch keiner Kirche an) arbeite. Aber wenn es darauf ankäme, würde ich auch dort auf mein Poly bestehen und vor allem dazu stehen. Aber ich muss dies am Arbeitsplatz nicht herausfordern.
Mein Leben fühlt sich trotz des schrecklichen Verlustes einigermaßen angenehm an. Das verdanke ich meinem Poly-Leben. „Meine“ „Männer“ fühlen sich wohl mit mir und ich mich mit ihnen. Das ist doch das Entscheidende. Ehrlichkeit, Offenheit für Gespräche gehört dazu. Aber ansonsten fühlt sich Poly für mich sehr leicht an.
Das wünsche ich auch Allen Menschen, nicht nur hier im Joy.