Poly gescheitert?
So würde ich die Frage mit
Nein beantworten, denn das polyamore Fühlen und die Fähigkeit, polyamore Beziehungen zu führen sind ja nicht gescheitert. Gescheitert ist „nur“ die eine Beziehung zu dem einen Partner.
Dennoch habe ich den Eröffnungsbeitrag mit gemischten Gefühlen gelesen.
Da ist der Mann, da ist der Freund. Der Freund fängt eine Beziehung zu einer weiteren Frau an. Poly-mäßig wäre die Welt bis hierher wohl noch in Ordnung. Das Drama: Diese Frau war bisher monogam, und der Freund, der mit ihr immer mehr Zeit verbringt und sich jetzt mehr auf sie konzentriert, wird scheinbar ihr zuliebe weniger verfügbar.
Die Frage ist für mich nicht, ob
die andere Poly kann oder nicht. Wenn er sich für diese Beziehung entscheidet und eine andere dafür aufgibt, ist das sein gutes Recht: Jeder hat die Freiheit, sich ebenso für eine Beziehung zu entscheiden, wie sie zu beenden.
Wenn der Grundgedanke von Polyamorie ist, in glücklichen Beziehungen zu leben und dass die Partner ebenso glücklich sind, dann gehört für mich dazu auch die Akzeptanz, dass einen Partner eine andere Beziehung glücklicher macht — selbst wenn diese monogam ist und es mir nicht gefällt, dass ich den jetzt „nicht mehr haben kann“.
Die Frage, ob eine Person, die bisher nur monogam war, zum Poly werden kann, kann ich für mich noch nicht abschließend beantworten. Ich kann dazu nur eigene Erfahrung beisteuern. Das Bild ist einerseits anders, andererseits ähnlich.
Eine alte Freundschaft+ zu einer Frau, die in offener Beziehung lebt und mit der auch Liebe im Spiel ist, war nach längerer Pause (knapp 10 Jahre) wieder aufgelebt. Vorher hatte ich eine monogame und eine offene Beziehung, wobei die Offenheit nicht gelebt wurde. Meine F+ nahm mir jetzt das Versprechen ab, dass ihr nicht wieder eine andere „reingrätscht“. Das konnte ich geben — hatte ich doch nicht vor, mir eine „feste“ Partnerin zu suchen.
Völlig überraschend lernte ich eine Frau kennen, die einen Tanzpartner suchte. Da meine bisherige Tanzpartnerin aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, traf ich mich mit ihr. Meine aktuelle Situation sprach ich im ersten Treffen offen an. Ihre Erziehung und ihr Glaube sahen nicht-monogame Beziehungen nicht vor. Dennoch hat sich eine Beziehung entwickelt. Obwohl mir meine F+, für die ich eine bereichernde Ergänzung zu ihrer Primärbeziehung war, mir das (etwas eigenes) gönnte, war sie zuerst nicht wirklich begeistert.
Die F+ bestand weiter, sie, ihr Mann und meine neue Partnerin lernten sich kennen.
Einige Monate später hat sich eine 30-jährige Freundschaft zu einer anderen Frau weiterentwickelt. Meine F+ war davon überhaupt nicht begeistert. Sowohl meine Partnerin als auch meine langjährige Freundin hatten den Eindruck, dass meine F+ eifersüchtig ist. Das hat dazu geführt, dass das + sich erledigt hat und die Freundschaft belastet ist.
Meine Partnerin und meine langjährige Freundin verstehen sich immer besser, und ich hoffe, dass sich daraus etwas stabiles entwickelt. Dennoch wird meine Partnerin — obwohl sie das gleiche Recht dazu hat — wohl kaum eine weitere Beziehung eingehen (wollen).
Mir ist wichtig, dass sich alle damit wohl fühlen. Falls meine langjährige Freundin jemand kennen lernen sollte, dem sie exklusiv gehören möchte, würde ich sie –obwohl auch mir das Herz bluten würde– ihren Weg gehen lassen, wenn der sie glücklicher macht. Mir wäre wichtiger, dass sie glücklich ist, als eigennütziges Empfinden.