Ich muss da mal etwas fragen, weil ich es nicht wirklich verstehe. Ich versuche mal ganz vorsichtig zu formulieren und bitte um Geduld und Verständnis für evtl. nicht endgeordnete Gedanken.
Also, dieser ganzen Sache um offene Beziehungen und Polyamorie liegt doch auch der Umstand zugrunde, das es eine sehr eingeengte Sache mit der Monoamorie ist. Zwei Menschen "fixieren" sich zumindest liebes- und beziehungstechnisch aufeinander. Dabei wird sich irgendwie so miteinander arrangiert, das sagen wir mal die Hauptbedürfnisse miteinander abgedeckt werden und auf die miteinander nicht befriedigbaren Bedürfnisse quasi verzichtet wird. Das funktioniert dann nach dem Prinzip "AMEFI"; alles mit Einem/Einer für immer. Man verzichtet aus Liebe zu dem Partner auf dieses oder jenes - oder besser gesagt ist es dann ja gar kein Verzicht, weil ja die Liebe sooo groß ist, das es gar nie nach Verzicht aussieht, sondern wie eben die Verschmelzung zweier Menschen, die sich logischerweise sowieso vergeben, was der andere nicht hat - naja auch das ist schon wieder falsch, weil vergeben hört sich ja wieder nach Richter und Verhandlung an, und das gibt es eh erstmal nicht, sondern frühestens beim evtl. Scheidungstermin.
Wie gesagt, ich weiss es gerade nicht wirklich besser auszudrücken und hoffe, das so etwa klar wird, was ich meine.
Nun ist es aber so eine Sache mit dieser Fixierung, und zwar eben auch andersherum. Der Partner ist eben auch das Gegenüber, was alles abzudecken hat an meinen Bedürfnissen und Wünschen. Und man selber hat dieselbe Rolle auch für den Partner, und das ist ein ganz schön grosser Druck auf beiden Seiten. Und ja, natürlich ist in der ersten vielleicht auch langen Zeit überhaupt kein Aufleuchten von diesen oder jenen Wünschen und Bedürfnissen, weil man sich ja so perfekt und glücklich aufeinander bezieht. Aber irgendwann vielleicht eben doch. Und dann?
Meines Wissens und meiner Erfahrung nach ist es überhaupt nicht schlimm, sich "zusätzlich" zur bestehenden Liebesbeziehung in einen anderen, "weiteren" Menschen zu verlieben. Beide Räume an Intimität und Miteinander stehen nicht in Konkurrenz miteinander - oder besser gesagt müssen es nicht, wenn ich nicht genau diesem Dogma aufliege, das ein Mensch alles für einen zu sein hat, oder man selbst alles für den anderen zu sein hat. Man geht verantwortlich mit seinen Wünschen und Bedürfnissen um, macht nicht sein Gegenüber dafür verantwortlich, dieses oder jenes doch erfüllen zu müssen, weil es die Exclusivbeziehung ist, die doch alles abzudecken und zu beinhalten hat. Denn genau da gehen ganz viele Beziehungen in die Brüche - und zwar ganz unabhängig davon, was man sich an Treue geschworen und an Liebe zugesichert hat.
Was denn nun, wenn eine Beziehung, die geschlossen war, man nun öffnet? Sich nicht trennt, weil alles nicht passt, sondern zusammen bleibt, weil so vieles passt, so viel Zuneigung füreinander da ist - und man sich gegenseitig "ausserhalb" ein Leben erlaubt? Und dann, mit genau diesem Erleben, mit dem Selbsterleben in eigenem ganz anderen Kontext, der so überhaupt nicht in Konkurrenz zum Partner steht, plötzlich wieder Platz ist, wieder Raum ist, dem Partner wieder da zu begegnen, wo man sich früher so leicht begegnet ist?
Ist das wirklich so, das da was gekittet wird? Das ein anderer Mensch benutzt wird, um die Beziehung zu kitten? Ist also der Anspruch doch so, das der eine Mensch eigentlich genau der AMEFI sein muss, alles ganz toll sein muss? Und wenn da Raum für einen anderen Menschen entsteht und da ist, da ja was nicht stimmen kann?
Ich finde, das muss nicht so sein, und ich habe es selbst so erlebt.
Will sagen: aber ja, klar können die "Ursprungspartner" unter der Entlastung der Fixierung wieder ganz anders zueinander finden können - ohne die Beziehung dann erneut wieder schliessen und fixieren zu müssen. Natürlich kann da auch ein neuer Raum für einen "weiteren" Menschen entstehen, der von allen geachtet und geschützt wird. Und ja, mag sein, das dieser "weitere" Mensch die bestehende Beziehung erst wieder lebensfähig macht, weil sie plötzlich nicht mehr alles sein muss. Sondern plötzlich genau den Raum bekommen kann, der beiden so sehr wichtig, so sehr lebens- und liebenswert macht.
Ja und? Ist das schlimm? Oder ist es vielleicht genau diese empfundene Wertung, von der ich oben sprach: Boh, ich reiche ihm/ihr nicht. Die/der Andere ist viel wichtiger, und jetzt bin ich auch noch missbraucht worden, damit ihm/ihr genau das klar wird?
Nur Gedanken, die mir da so kommen.