Ich finde die Unterscheidung von vier Arten von Exklusivität hilfreich:
• Sexuell (Partner dürfen nur miteinander (oder sich selbst) Sex haben)
• Emotional (Partner dürfen niemand anderes "lieben")
• Sozial (bestimmte (Freizeit)aktivitäten dürfen Partner nicht mit anderen machen.
• Strukturell (bspw. Kinder nur mit dem Partner haben, zusammen nur mit dem Partner ein Haus kaufen und darin wohnen)
Aus dem Eingangspost wird für mich nicht völlig klar, in welchen Bereichen sich Deine Partnerin Nicht-Exklusivität wünscht:
• "Fremdgehen" kann ja bspw. auch lediglich Sex mit anderen ohne Gefühle bedeuten.
• Zu sagen, mensch sei poly würde andererseits auch emotionale Nicht-Exklusivität und das Führen weiterer Beziehungen bedeuten. Habt Ihr das für Euch ganz klar, worum es geht?
Wenn es nur um sexuelle Nicht-Exklusivität geht würde man Euch nicht unbedingt das Gleiche empfehlen, wie wenn es um das Führen weiterer (Liebes-)beziehungen geht.
Ich gehe jetzt mal im weiteren davon aus, dass es tatsächlich um das Führen weiterer Beziehungen geht. Vor diesem Hintergrund erst einmal eine Bemerkung zu einem Kommentar:
„Meiner persönlichen Meinung nach ist sie nicht Poly. Ich definiere das immer mit offener Kommunikation. Das lehnt sie ab. Daher meiner Meinung nach eher eine offene Beziehung.
Nun ja, wenn ich es recht verstehe hat sie ja
offen kommuniziert, dass sie sich die
Zustimmung zu weiteren Beziehungen wünscht und dies auch leben will. Damit sind für mich alle Elemente von Polyamorie vorhanden, sofern sie dann auch tatsächlich nichts grundlegendes ohne Zustimmung und Offenlegung tut .
Die anderen geschilderten Dinge verstehe ich eher als Versuche, das umzusetzen - auch wenn diese Versuche vermutlich nicht ideal sind (weder der Ansatz don't ask, don't tell von ihrer Seite als auch jedes Detail wissen wollen von seiten des Themenerstellers).
Das "wie kann das Gelingen" lässt sich in einem Forum wie diesem hier nur unzureichend beantworten, auch wenn unter den bisherigen Antworten aus meiner Sicht viele gute Impulse sind.
Ich empfehle Dir/Euch zwei Dinge:
• Wenn Du mit englischen Texten etwas anfangen kannst, dann empfehle ich Dir nachdrücklich eine Investition in das Buch "More than two" von Franklin Veaux und Eve Rickert. Ich habe mir das vor ein paar Wochen besorgt, nachdem ich seit über einem Jahr regelmäßig im Poly-Bekanntenkreis davon gehört habe und es hat alle meine Erwartungen übertroffen. Es liefert zu jedem Aspekt von Polyamorie, der mir einfällt, einen Überblick über hilfreiche Herangehensweisen und Anregungen für hilfreiche Geisteshaltungen. Und: Für viele Ideen, von denen Menschen glauben, dass sie hilfreich für das Führen polyamorer Beziehungen sind, wird aus meiner Sicht sehr überzeugend dargelegt, warum sie - zumindest langfristig - keine gute Ideen sind, sondern eher zu Problemen (teilweise auch katastrophalen Problemen) führen können (nicht: müssen). Wie bspw. don't ask don't tell (legt von vornherein sehr harte Grenzen fest, in welche Richtung sich die Beziehungen mit Deinen weiteren Partnern entwickeln kann, ausserdem kannst Du dann wichtige Teile Deines Lebens
nicht mal ansatzweise mit Deiner Partnerin teilen) oder
jedes Detail wissen wollen (verletzt bspw. das Recht der Partner Deiner Partnerin auf Privat-/Intimsphäre - und das Recht Deiner Partnerin, eine Privatsphäre mit anderen zu haben). Wenn es irgendwie möglich ist, lest es. Ich vermute sehr stark, dass Ihr Euch damit viele unnötige Fehler/Probleme spart.
• Überlegt Euch, ob Ihr persönliche Kontakte zu erfahrenen Polyleuten finden wollt, die Du/Ihr um Rat fragen könnt. Bspw. gibt es viele regelmäßige regionale Treffen von Menschen zum Thema einvernehmliche Mehrfachbeziehungen, die einen Schwerpunkt auf gegenseitige Unterstützung im Führen von Mehrfachbeziehungen haben. Ihr könnt viel bessere Unterstützung bekommen, wenn man einen Dialog mit Euch führen kann. Die Materie ist so komplex, dass eine gute Unterstützung viele Rückfragen erfordert - an Euch, aber auch von Euch an die Menschen, die Anregungen geben oder Erfahrungen teilen. Ich finde das im persönlichen Gespräch deutlich einfacher, als in einem schriftlichen Forumsformat.
• Und noch was: Stellt Euch darauf ein, dass es mehr als Monate dauert, bis ihr für Euch eine gute Form gefunden habt (- oder ihr vielleicht auch zu dem Schluss gekommen seid, dass die Arten von Beziehungsleben, die ihr Euch wünscht, nicht zusammen passen). Stellt Euch darauf ein, dass ihr "Fehler" machen werdet, gesteht sie Euch zu, stresst Euch nicht mit dem Anspruch, dass keine Fehler passieren dürfen. Macht Euch klar, dass ihr beide einen langen Lernprozess vor Euch habt und dass sich Vereinbarungen, die ihr trefft, als nicht hilfreich oder nicht ideal herausstellen können und sie in gemeinsamer Absprache veränderbar bleiben sollten.