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Dann kann ich auch sagen: "Ich bin fremdgegangen und mein Mann hat sich deshalb scheiden lassen? Was erdreistet sich der Kerl, das als "skandalös und unmoralisch" vor Gericht anzuführen? Der hat doch gefälligst meinen Lebenswandel nicht zu diskriminieren!"
Mein Mann entscheidet sich, ob er mit mir zusammen sein will oder ob er sich scheiden lässt. Mein Mann kann das was ich tue gut oder schlecht finden.
Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun.
Etwas erfolgreich vor Gericht auf diffamierende Art und Weise anführen zu können, wenn es ums Recht am Kind geht, dagegen eventuell schon. Dann diskriminiert aber weniger der Ex als das Gericht.
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Wo ziehen wir die Grenze, wenn wir alleine persönliche Befindlichkeiten ins Feld führen?
Und wäre es nicht umgekehrt auch eine Diskriminierung, wenn wir jemandem absprechen Polyamorie nicht gutzuheißen oder zu fordern, das in einem Scheidungsfall "neutral" betrachten zu müssen? Das können wir nicht einmal von einem Richter in Gänze verlangen.
Es ging in dem Beispiel nicht um Befindlichkeiten, sondern um das Recht, das eigene Kind zu sehen.
Und: Doch. Ein deutsches Gericht hat neutral zu sein. Ein Richter richtet neutral auf der Grundlage von Gesetzen. Er muss unbefangen sein.
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Der Vorwurf ist ja der, dass da jemand vor Gericht Nachteile habe, weil der Partner die polyamoröse Lebensweise anführt. Da geht es doch aber um persönliche Konflikte, nicht um die Frage, wie "tolerant und offen" mein Ex-Mann meiner Lebensweise gegenüber steht. In so einer Frage bin ich als beteiligte Person ja genauso wenig "neutral" oder "tolerant" gegenüber den Beziehungsvorstellungen meines Partners.
Nein. Der Haupt-Vorwurf ist, dass das vor Gericht in so einem Fall ein Nachteil ist. Nicht mal ein Vorwurf, eher eine Feststellung und ein kritisches Hinterfragen, wieso das denn nachteilig ausgelegt wird. Mal provozierend und überspitzt gesagt, Monogamie wird ja auch niemand nachteilig ausgelegt.
Und ja, auf persönlicher Ebene kann man auch von einem Ex verlangen, dass er einen zwar scheiße findet, aber dennoch keinen Krieg um das gemeinsame Kind beginnt. Das hat weniger mit Diskriminierung zu tun, da gebe ich dir recht. Der Typ kommt aber nur durch mit solchen Argumenten, wenn jede Menge falscher Vorurteile kursieren.
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Für Toleranz und Offenheit kann ich werben, ich kann aber nicht fordern, eine Mehrheit dazu zu zwingen. Und wer sollte das durchsetzen? Die Steigerung einer gesellschaftlichen Akzeptanz muss anders geschehen, das können wir nicht "einklagen", indem wir "Diskriminierung!" schreien.
Das hab ich auch nicht gesagt (und ich glaube auch sonst keiner). Im Gegenteil, eine der Ausgangsfragen war, ob wir unsere Lebensweise eventuell mehr nach außen tragen sollten, um dadurch Verständnis zu schaffen und das Ganze etwas "normaler" zu machen. Das war allerdings sogar eine offene Frage, keine Aussage.
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Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis sich - wenn überhaupt - Polyamorie als "normale" Beziehungsform gesamtgesellschaftlich durchsetzen wird.
Durchsetzen hört sich so nach Kampf oder Überlegenheit an. Ich denke das ist aber wahrscheinlich nicht so gemeint. Es geht ja hier um den Wunsch, dass Polyamorie eine akzeptierte Möglichkeit der Beziehungsführung ist, eine unter vielen akzeptierten und normalen Möglichkeiten.
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Wir können polyamor leben, ohne dass das vom Staat bestraft oder aktiv unterdrückt wird. Das sieht anderswo GANZ anders aus.
Nur weil es woanders schlechter ist, muss man meines Erachtens aber nicht aufhören, sich um die Verhältnisse im hier und jetzt Gedanken zu machen und sie verbessern zu wollen.
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Die Menschen sehen nicht, dass mein Lebensstil nicht "verwerflich" und "unmoralisch" ist, weil ich sie anklage, mich zu diskrimieren, sondern sie sehen es dann, wenn sie mich als moralisch und verantwortungsbewusst erleben.
Richtig. Dazu muss mein Lebensstil allerdings sichtbar sein. Was wieder auf die Ausgangsfragen zurückführt. Sollte man seine polyamore Lebensweise zeigen, um mehr Akzeptanz zu schaffen und es "normaler" zu machen? Oder ist es einfach nur Privatsache, ob ich mich offen zeige?
Ganz ehrlich, ich hab jetzt hier aber auch kaum anklagende Beiträge gelesen. Dass Menschen im konkreten wütend werden, wenn sie wegen ihrer Lebensweise angegriffen werden, schon, aber das ist doch auch ganz normal (insbesondere wenn es ums Recht am eigenen Kind geht, da kann man nämlich sehr hart getroffen werden).
Diskriminierung beziehungsweise Benachteiligung festzustellen ist doch weder etwas, woraus man ein Drama machen muss, noch ist es etwas irgendwie verwerflich. Durch diese Feststellung allein klage ich auch lang noch niemanden aggressiv an oder oder greife jemand persönlich an. Viele Menschen werden aus vielen Gründen benachteiligt und vorverurteilt, ob nun der alleinerziehende Vater, die Frau die Kopftuch trägt oder der offen polyamor lebende Mensch... was ist so schlimm daran, das festzustellen? Wie gesagt, man muss kein Drama draus machen, kein "alle sind böse zu mir". Menschen haben nunmal negative Vorurteile. Wir alle, auch du und ich. Sich derer bewusst zu werden, ist immer hilfreich. (Ich glaube, die meisten haben auch mal einen mehr oder weniger harmlosen rassistischen Gedanken, nicht weil wir alle Rassisten sind, sondern weil die Vorurteile unbewusst da sind. Wenn wir uns dessen bewusst sind, dann können wir wirklich durch und durch offen und fair miteinander werden.)