„„Gibt es Grenzen? Beispielsweise das Bett? Oder ist es am Ende nur ein Gegenstand? Wer braucht auf welche Art Schutz-, und Sicherheitsfaktoren im Zusammenleben? Wie können wir sicherstellen dass ein gemeinsames leben und nutzen der Räume nicht zu einem entgrenzten Gefühl beim einzelnen führt?
@***ia Diese Überlegungen finde ich sehr spannend. Ich würde mich freuen, wenn du mehr davon erzählen könntest!
Grundsätzlich ist jeder Mensch anders gestrickt.
Aber das zu Hause ist für die meisten Menschen ein sehr intimer Raum und kommt der Funktion eines Schutzraumes nach.
Das kann man evolutionär begründen, oder durch unsere Sozialisation, oder auch einfach nur empirisch ableiten.
Das bedeutet, dass es für Menschen bedrohlich wirken kann, wenn ihr zu Hause nicht mehr ihr urpersönlicher intimer Schutzraum ist.
KANN.
Das bedeutet, dass es für Menschen in Ordnung sein kann, ihren Partner mit anderen Menschen zu teilen, aber das gemeinsame Bett ist eine Grenze, der urpersönlichste und intimste Ort.
KANN.
Das bedeutet, dass Menschen Abgrenzungsbedürfnisse haben können, um sich weniger entgrenzt zu fühlen. Entgrenzt durch den möglichen Verlust des Schutzraum-Gefühls durch das Teilen mit anderen.
Dieses Abgrenzungsbedürfnis kann sich in Regeln zeigen, z.B. dass das gemeinsame Bett nur gemeinsam +Partner genutzt wird, oder eben das Gegenteil, nur in Abwesenheit. Dass es jedes Mal frisch bezogen werden muss.
ZUM BEISPIEL.
Das Bedürfnis Regeln aufzustellen, wenn es um das Teilen von urpersönlichem geht ist recht verbreitet. Aber da die Regelwünsche wieder genauso individuell sind wie die Menschen, müssen sie eben detailliert besprochen werden und zwar immer auch mit einem Blick hinter dem Vorhang indem man sich im Gespräch fragt: "Wozu soll die Regel dienen, welchen Zweck erfüllt die Regel". Also nicht nur sachlich über die Regel sprechen, sondern auch hinter den Regelwunsch zu gucken.
Beispiel: So kann der Wunsch nach einem regelmäßigen Bettwäschewechsel zwischen den Partnern mit Ekel begründet sein. Dieser kann rein physiologisch sein, kann aber auch Symptom sein, dass im Beziehungsgefüge etwas nicht in Ordnung ist und generell ein Problem mit einer Partnerschaft besteht, das sich im Symptom Ekel vor genutzter Bettwäsche zeigt.
Beispiel: Wenn alle Zimmer der Wohnung in Ordnung sind zu teilen, außer das Schlafzimmer, wozu dient diese Grenze? Dient sie dazu dem Partner das Gefühl von letzter Instanz zu geben? Ist dort ein Kontrollbedürfnis? Von was? Geht es darum doch eine Exklusivität zu teilen, die andere Partner nicht teilen? Wenn ja, warum ist das nötig? Gibt es Unsicherheitsgefühle?
Es ist nie nur die simple Frage danach, ob man Haus, Tisch und Bett teilt.
Es ist immer die komplexe Auseinandersetzung damit, wem das Haus und das Bett was bedeutet und welche Bedürfnisse, Gefühle und Wünsche da dran hängen.
Für den einen Partner ist die Einladung in das Bett eines anderes Paares vielleicht fast so bedeutsam wie ein Heiratsantrag, für den anderen einfach nur praktisch und pragmatisch.
Die Bilder die wir in uns zu den Objekten (Haus, Bett, usw.) abgespeichert haben sind das entscheidene und unser Handeln beeinflussende. Wir treffen unsere Handlunsgentscheidungen aufgrund unserer Erfahrungen und gespeicherten Erinnerungen und unseren Assoziationen, die wir zu Dingen haben.
Darüber müssen die Partner sprechen. Welche Dinge bedeutet mir Was und Warum?
Und wenn ich beispielsweise reflektiert habe, dass ich Exklusivitätsräume brauche, dann kommt die Frage auf: Was für ein Bedürfnis steckt dahinter? In der Regel ist es das Bedürfnis nach Sicherheit und Klarheit. Ein klarer Raum nur für dich und mich und sonst niemanden.
"In diesem Raum bleibt immer alles wie es ist weil nur du und ich da rein dürfen".
Das ist natürlich irrational. Aber das dürfen Gefühle auch sein. Es geht nicht darum sie zu bewerten oder einfach zu sagen "du denkst irrational, so ein Blödsinn". Sondern achtsam herauszufinden, welche Bedürfnisse verstecken sich hinter einem Anspruch. Um dann daran zu arbeiten, diese Bedürfnisse anzubringen statt Ansprüche zu stellen.
Zu sagen:
Ich wünsche mir, dass wir diese Woche viel Paarzeit alleine verbringen, weil ich ein großes Nähe-, Ruhe-, und Anlehungsbedürfnis nach meiner Klausurenphase habe.
Ist etwas anderes als zu sagen:
Claudia, Andreas und Peter will ich hier diese Woche nicht sehen.
Beides mag die gleichen Beweggründe haben, aber das eine ist Ich-Botschaft und Bedürfnisorientiert, das andere ist ausgrenzend und lässt offen warum diese Ausgrenzung eigentlich stattfindet.
Ich könnte noch viele Beispiele nennen, aber ich hoffe es wird klar worauf ich hinaus will. Es ist so wie immer im polyamoren Leben: Reden, Reden, reden
Hinter die Kulissen gucken, Gefühle reflektieren, spiegeln und reden