Hallo Mil,
danke für deinen Beitrag, dein Thema spricht mir aus der Seele. Als ich zum ersten Mal mit Polyamorie in Kontakt kam, war das leider ebenfalls eine hierarchische Konstellation, die ER aber als etwas Gleichberechtigtes beschrieb.
Die Fakten sprachen jedoch dagegen:
• EIN einziges gemeinsames Wochenende in 2 Jahren Beziehung
• KEINEN einzigen Urlaub (weil mein Metamour das nicht aushielt)
• Übernachtung nur bei mir (weil sie keine getrennten Schlafzimmer hatten)
• dazu noch ganz seltene Übernachtungen (später ist er sogar spontan nachts heim gegangen, wenn mein Metamour zu viel Angst alleine hatte und ihm gefühlt tausend SMSe schickte)
• meine Metamour und ich verstanden uns anfangs auch gut und dann fingen bei ihr die Panikattacken an, die meine Zeit mit IHM immer mehr einschränkten (Was man verbal nicht hinbekommt auszudrücken, das erledigt dann eben mit der Zeit der Körper)
• ER ist immer wieder zu ihr gerannt, wenn sie gerufen hat
• wie oft bin ich heulend zurück geblieben, habe mich verletzt und im Stich gelassen gefühlt
• irgendwann drohte sie sogar mit Selbstmord, wenn er nicht sofort nach Hause komme
Ich würde gern noch zwei Punkte beisteuern:
1. Begriffsdefinition
2. Eine persönliche Erfahrung mit Primär/Sekundär aufgrund von Verheiratet/Kinder/Wohnung
1. Triade versus V-Beziehungen
Du schriebst in deinem Eingangsposting etwas davon, dass ihr eine Triade versucht. Vielleicht kam das Thema auch im weiteren Verlauf hier schon auf. Du sprachst im nächsten Schritt von einem klar abgegrenzten V. Eine Triade ist meines Wissens kein V, sondern ein Dreieck. In einer Triade hättest du nicht nur mit IHM eine Liebesbeziehung, sondern auch mit IHR. Wenn sie und du einfach einen netten, freundschaftlichen oder auch gar keinen weiteren Umgang habt, dann ist es keine Triade.
Wobei ich aus den letzten Nachrichten wie manche andere hier ebenfalls den Eindruck gewann, dass bei euch dreien gar nicht klar ist, wer nun eigentlich welche Form von Beziehungsmodell sucht.
Niemand kann einen anderen Metamour dazu zwingen in eine Triade zu gehen, nur damit man den Partner "behalten" darf. Das wäre ein emotional "abusive" Verhalten bzw. ein ziemlich toxisches Verhältnis, vor dem ich persönlich so schnell wie möglich fliehen würde.
2. Eine persönliche Erfahrung
Ich habe aktuell ebenfalls eine V-Konstellation. ER wohnt mit IHR zusammen, verheiratet, keine Kinder. Anders als die Situation damals fühle ich mich in meiner Beziehung heute sicher, geborgen, respektiert und geschätzt. Von Anfang an war klar, dass ich IHR keinerlei Rechenschaft ablegen muss. Die zwei haben klare Vereinbarungen miteinander, die auch mir mitgeteilt wurden und die ich respektiere. Umgekehrt haben auch ER und ich Vereinbarungen festgelegt, die mein Metamour respektiert. Wir sind zwei unabhängige Paarbeziehungen ohne emotionale Hierarchien.
Mithilfe von regelmäßigen Kalender-Vergleichen sprechen mein Partner und ich uns für private Treffen ab. Ich kann mich bisher immer darauf verlassen, dass er diese Termine auch mit meiner Metamour entsprechend koordiniert. Es ist echt selten, dass bei uns geplante Treffen ausfallen. Das gibt mir persönlich enorm viel Sicherheit.
Was das Räumliche bzw. Gesetzliche angeht:
• Durch ihre getrennten Schlafzimmer schlafe ich bei Wochenendbesuchen mit bei IHM.
• Wir küssen uns auch voreinander (ich habe gelernt, dass manche davor Angst haben den eigenen Partner bei normalen Zärtlichkeiten mit anderen Partnern zu sehen).
• Ja, heiraten kann ich meinen Partner in Deutschland nicht mehr. Zumindest nicht mit einer rechtlichen Wirksamkeit, was z.B. Krankenhausbesuche oder Sorgerecht angeht. Wir könnten nur eine freie Trauung machen, quasi als ein Ritual für ein gegenseitiges Versprechen. Ich weiß, dass ich in meinem Leben auch mal gesetzlich heiraten möchte, jedoch bin ich da nicht auf IHN festgelegt. Das darf dann gerne auch mit einem anderen Partner passieren.
• Ich habe das Angebot bekommen mit einzuziehen (3. Zimmer).
• Er und ich sind vollkommen frei in der Entscheidung, ob wir Kinder zusammen haben möchten, genauso wie Er und mein Metamour da völlig frei sind. Die Verantwortung liegt beim entsprechenden Paar.
• Grundsätzlich kläre ich Beziehungsthemen allein mit meinem Partner. Er geht darauf ein mit der Prämisse, dass die Bedürfnisse meines Metamours gewahrt bleiben (dafür ist er alleine zuständig). Umgekehrt wahrt er vor meinem Metamour auch MEINE Wünsche. Das ist das, was ich unter einem V verstehe. Die Person, die Knotenpunkt ist, hat zwei Beziehungen und ist dafür verantwortlich, dass er/sie sich auch um beide Beziehungen kümmert. Wenn ich selbst mal einen weiteren Partner habe, wird es mir genauso ergehen.
Sprich:
Unter KEINEN Umständen bin ich für die Klärung der Ängste meines Metamours zuständig! Das ist vollkommen unabhängig davon, dass ich sie als Mensch sehr gerne hab. Denn ich führe schlicht und ergreifend keine Beziehung mit ihr.
Fazit:
Es tut mir sehr leid zu lesen, dass deine erste Erfahrung mit der Polyamorie direkt eine so herausfordernde und chaotische ist.
Ich habe selbst auch im Verhältnis deutlich mehr schlechte Erfahrungen bisher damit gemacht als gute und eigentlich wollte ich nie, nie wieder etwas in diese Richtung machen. Es hat mich viele Jahre zerrissen, Tränen gekostet und meine Seele gequält.
.... Und noch immer habe ich diesbezüglich keine rosa Brille auf. Noch immer empfinde ich Ängste, Neid und auch mal Eifersucht.
... Und dennoch bin ich erneut in einem Poly-Gefüge gelandet. Aber diesmal irgendwie mit Menschen, die für mich zum ersten Mal eine aufrichtige Polyamorie leben. Ich bin quasi ein Monopoly, also eine aktuell monoamor lebende Person, die einen polyamor liebenden Partner hat. Die Frage nach einer Rangreihe stellt sich bei uns gar nicht mehr. Ich habe eine schöne und liebevolle Partnerschaft mit einem einzigen Menschen. Und alle Privilegien und Verantwortlichkeiten, die damit einhergehen.
Vielleicht macht dir das ja etwas Mut. Ich habe damals auch selbst nicht mehr daran geglaubt, dass sich Polyamorie in irgend einer Form gut anfühlen könnte.
Eine emotionale Primär/Sekundär-Konstellation kommt mir jedenfalls nicht mehr in die Tüte, das habe ich schmerzhaft nun gelernt und verstanden.
Alles Liebe für dich,
Taride