Liebe und Schmerz...
Meine liebe Brujita,
du kennst meine Ansicht über das, was sich zwischen deinem Geliebten und seiner Frau abgespielt hat bestens.
Deshalb hier vielleicht mal etwas "unkonkreter" und allgemeiner betrachtet:
Den Thread "Liebe ist...?" Wollte ich vielleicht irgendwann mal eröffnen, weil ich glaube, dass es darauf unendlich viele, subjektive Wahrheiten und Definitionen gibt, die alle ihren Wert haben.
Ich denke über den starken Tobak von darkangel nach:
Liebe muss das Einzige sein, das Gott und der Teufel zusammen erschaffen haben
Wenn ich das recht erinnere wurde in einem anderen Thread schon geschrieben, dass Liebe und Beziehungen zweierlei sind - und ich denke das macht die Sache mit Gott und dem Teufel klar.
Liebe ist etwas sehr "Göttliches", Schönes, Wahrhaftiges, Öffnendes... etwas, das mit Freiheit, Wertschätzung, Hingabe zu tun hat und irgendwie fast untrennbar mit Loslassen einher geht!
Ich glaube deshalb, dass es unmöglich ist an Liebe zu leiden – sie kann höchstens so überwältigend groß sein, dass wir sie nicht fassen können!!!
Wir kommen auf die Welt als vollkommen offene Empfänger für alles und senden Signale ohne Berechnung und Vergleiche... Schmerz gibt es auch, aber nicht die Art psychischen Schmerz, der später für soviel Leiden sorgt. Fast unwillkürlich lächeln wir zurück, wenn uns ein kleines Kind anstrahlt - das funktioniert nicht im gleichen Maße mit Erwachsenen...
Der Zustand eines Kindes ist nicht frei von Leiden, aber es gibt noch die „Einheit“, die man paradiesisch nennen könnte!
Mit jedem Schritt in die Selbstständigkeit muss das Kind Unterschiedsbildung betreiben – also Grenzen und Objekte identifizieren, die es natürlich bei den Eltern abguckt.
Und um jetzt komplett biblisch zu werden:
Ein Mann traf den Teufel und fragte ihn nach einem guten Tipp! Der Teufel sagte: Sag niemals „ich“ – damit du nicht so wirst wie ich!
Nach meinem beschränkten theologischen Wissen war Luzifer der erste aller Engel – aber er „fiel aus der Einheit“, weil er vor Gott „ich“ sagte!
Wir alle brauchen ein Selbst, eine Person, eine praktisch-funktionale Identität, damit wir im Alltag lebenstauglich sind. Das Ich ist nur ein Konstrukt, das sich aus den „Du-Botschaften“ in der Kindheit (und – wenn auch weniger nachhaltig – danach) errichtet und dann in Selbstbotschaften übergeht... was fast den ganzen Tag in unserem Kopf quascht und quatscht sind nicht wir, sondern diese Instanz... aber da wir uns irgendwann mit diesem ich verwechseln, folgen wir dem Gequatsche, damit es unsere Realität zusammenhält, die in, von und v.a. FÜR die Umgebung zusammengestöpselt wurde (und wenn man mal genau hinhört, dann ist in diesen automatischen Gedanken NICHTS Neues!!!).
Wir lassen uns auf die kulturellen Beschränkungen ein, die uns umgeben, damit wir ein Teil dieser Kultur werden können, damit eine Basis für Beziehungen geschaffen wird! In unserer Gesellschaft gilt das Mono-Ideal und jedeR der/die versucht etwas anderes zu leben hinterfragt und bricht ungeschriebene Gesetze.
Das stört andere Egos – und da fängt der Wächter, der unsere Person einst sein sollte an unser Wärter zu werden: Durchfahrt verboten!
Entwicklung, Öffnung, Freiheit?
Das bedeutet Veränderung und Risiko... und der Quatschkopf im Schädel ist mal als Sicherheitsberater eingestellt worden – leider verbeamtet und unkündbar!
Ich glaube nicht, dass der Teufel böse und Gott gut ist – es geht eher um verschiedene Schichten oder Ebenen der Wahrheit!
Wenn der Teufel – die arme Sau – an seinem Ich hängt (was ich ihm leider sehr gut nachfühlen kann) und es in jeder Religion heißt, dass Gott keinen Namen hat, dann macht das deutlich, dass da eine Existenzform für Grenzen und die andere für Grenzenlosigkeit steht!
Wenn ich zur U-Bahn sprinte brauche ich eine Wahrnehmung fester Grenzen... wenn ich mit einer Musik, einem Bild, einer Partnerin verschmelze, dann wird jede Grenze den Austausch behindern, den Genuss einschränken, das Lebendige limitieren.
Wenn unsere Grenzen verletzt werden – egal ob physisch oder psychisch - ist die spontane Reaktion Kontraktion! Wer eine reinkriegt krümmt sich vor Schmerz – er macht sich nicht weit und sagt: Bitte mehr davon!
Na gut - es gibt Ausnahmen
Das es auch anders geht weiß jeder, der mal beim Yoga in einen Dehnungsschmerz reingeatmet hat... der in einer Therapie alte Blessuren mit Achtsamkeit und Liebe (!) neu gespürt hat...
In der Hypnose gibt es die sogenannte Angst-Erwartungs-Schmerz-Triade. Will heißen, je mehr ängstliche Erwartung ich aufbaue, desto deutlicher fokussiere ich auf den kommenden Schmerz und werde ihn viel intensiver erleben!
Aber es geht auch andersrum – ein Klient kann mit etwas Training in Hypnose im Geiste an einem Südseestrand spazieren gehen und das ferne Sausen ist eigentlich nicht der Jet-Ski sondern der Zahnarztbohrer, der gerade den Kieferknochen auffräst – ohne Betäubung!
Wir sind unglaubliche Wesen!
Es gibt nach meiner Erfahrung auch bei psychischen Schmerzen die Möglichkeit dem konditionierten Reflex zu folgen, der z.B. Beziehungen abbricht, wenn sie unklar oder gefährlich (für unsere Vernunft) werden oder sich an die Alternative zu erinnern und den Schmerz zuzulassen – „reinzuatmen“, sich dem zu öffnen... daran zu wachsen!
Das ist kontraintuitiv, aber nach meiner beschränkten Erfahrung damit ist es möglich den Schmerz in einer völlig anderen Farbe wahrzunehmen, ihn oft sogar völlig aufzulösen – ihn sozusagen als Weg zu nutzen (wo er eh schon mal da ist!), das eigene Ego, die eigenen Grenzen sehen zu lernen und dann vielleicht zu erweitern, darüber zu schmunzeln und sie künftig nicht mehr allzu ernst zu nehmen!
Ein Mann kam zum Zen-Meister und sagte: Meister ich bin so furchtbar unglücklich, mach dass es weggeht! Der Meister sagte: Kein Problem, leg dein Unglück auf diesen Tisch und ich nehme es von dir... Der Mann war etwas verwirrt (spürte in sich hinein) und meinte dann: Aber das geht nicht, da ist nichts, was ich auf diesen Tisch legen könnte... Und der Meister meinte: Dann habe ich es schon von dir genommen!
Wer hinschaut anstatt zu denken erlebt manchmal Erstaunliches! Und da wären wir dann wieder zurück in der Einheit – im Hier und Jetzt.
Ja – es gibt Schmerz... aber wenn wir nicht ständig damit beschäftigt sind die Welt in glückbringende und unglücklich machende Dinge, Gefühle und Menschen einzuteilen, dann kommt Schmerz und er geht auch sehr schnell wieder...
Als ich noch braver war in meinen Meditationsübungen habe ich unglaublich friedvolle Zustände erlebt, wenn ich es geschafft habe, nach schweren Enttäuschungen einfach die Klappe zu halten (auch geistig!!!) und hinzuspüren... Das fällt mir heutzutage wieder etwas schwerer (ich fauler Sack ich!!!)
Und Ent-Täuschung heißt ja positiv formuliert:
Der Wahrheit einen Schritt näher zu sein!
Alten Menschen kann man oft anmerken, ob sie unter den Erfahrungen des Lebens eher härter und rigider geworden sind, oder diese schöne, reife Gelassenheit entwickelt haben, die da versonnen lächelnd sagt: Jaja... so ist das...
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Deshalb glaube ich, dass Liebe so was ist wie ein Ruf des Lebens nach einer Öffnung zur höheren Wahrheit! Wir verlieben uns in das (im anderen), was wir noch entwickeln wollen oder in dieses Gefühl, dass uns durch den anderen mit einer tief ersehnten Qualität des Seins verbindet... der andere ist ein Katalysator!
Und dann kommen unsere Ansprüche an eine Beziehung, die Grenzen der Konventionen, die Angst sich zu verlieren, sich zu verletzlich gemacht zu haben, die Größe dieses Gefühls nicht aushalten zu können (Liebe kann Angst machen – da gab es mal diesen Thread mit dem Glücksboykott – laaaaang ist’s her
) – kurz unser Sicherheitsberater zurück und die Vernunft! Und es ist nicht vernünftig sich wehrlos zu machen, sich hinzugeben – wunderschön vielleicht oder sogar der Sinn des Lebens (wasweißdennich!!!) aber eben NICHT vernünftig!
So – meine liebe Brujita... du wolltest dass ich schreibe und ich bin immer noch nicht fertig (Gott – wie in alten Zeiten gell?) – da haste den Salat!!!
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Du und Altair habt euch gefunden, euch geöffnet, Nähe zugelassen und Sehnsüchte befriedigt gefunden – ihr habt geliebt!
Dein Mann war offen genug das nicht nur zuzulassen, sondern sogar das Wundervolle daran zu sehen und deine Freude zu teilen!
Altairs Frau war zunächst auch offen... dann kam ihre Angst! Sie war diejenige, die sozusagen als erste „kontrahiert“ ist – etwas anderes konnte sie aus ihrer Wahrheit heraus nicht tun.
Es folgte Altairs Angst davor eine von euch zu verlieren. Seine Frau konnte ihre Grenzen nicht erweitern, er konnte nicht von dir lassen, das hat viel zerstört, weil Niemand einen klaren, entscheidenden Schritt gegangen ist oder in achtsamer und ehrlicher Kommunikation ein behutsames Wachstum bewirken konnte!
Und damit schleicht sich der Gedanke an Taktiken, Grenzen, Sicherheitsabstände etc. ein. Es könnte ja vorbei sein, es könnte verletzen... Ego strikes back!
Angst kommt vom Wort Enge... und die hat nichts zu suchen in der Liebe – ist aber der stete Begleiter als Antagonist, wenn die Liebe an den Türen rüttelt!
Du hast dir viel Gedanken gemacht um ihn und dich und um SIE!
Ihr habt euch versucht mit den gegebenen Grenzen zu arrangieren, denn das Risiko wäre andernfalls gewaltig gewesen.
Ihr habt euch abgekämpft – und auch Kampf und Liebe passen nicht so gut zusammen. Kennst du die Szene, in der Romeo frisch verliebt seinem einstigen Feind Tybalt in die Arme taumelt und – zunächst – durch absolut NICHTS zum Kämpfen zu bewegen ist? Ein Traum!!!
Es zeigt, dass ich zum Lieben eigentlich nicht mal das Gegenüber brauche (sondern nur meinen Entschluss, mein volles Herz offen zu tragen)... zum Streiten aber sehr wohl!
Und ich sag es mal ganz pompös, wie es hin und wieder so meine Art ist:
Eure Liebe war eben zu groß für eure (Um-)Welt...
Egal, ob du es jetzt beendet hast – ihr liebt euch immer noch und das wird wohl auch so bleiben! Seine Frau wird ihn nie wieder „für sich haben“, und das scheint sie auch immer mehr verstanden zu haben... dementsprechend warst DU für sie sicherlich die böse Verführerin (realistischer wäre die Wut auf ihren Kerl gewesen) und sie wurde immer misstrauischer und gekränkter, denn du hattest eigentlich keine Veranlassung zu einem Schlussstrich – das wäre SEINE Sache gewesen!
Ich glaube, dass Liebe mit Loslassen einhergehen sollte aber die Beziehungen haben das nicht hergegeben, also hast du die Beziehung losgelassen.
Denn unter solchen Umständen offen zu bleiben erfordert.... EINIGES!!!
Wenn alle Grenzen permanent über Monate in Frage gestellt werden, Sehnsucht, kurze Erfüllung, Hoffnung und immer neuer Schmerz sich die Klinke in die Hand geben dann ist es mit der Fähigkeit im alltäglichen Leben klarzukommen irgendwann nicht mehr weit her und die Vernunft ist dann vielleicht als Rettungsinsel gerechtfertigt.
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Ich glaube nicht, dass das alles wirklich zuende ist (das Gefühl sowieso nicht). Und ich weiß, dass es verdammt nahe liegend ist, sich unter diesen Schmerzen zu krümmen, zu verhärten, wütend, resigniert oder zynisch zu werden.
Aber ich glaube, dass es so auch besser möglich ist, an dem Schmerz zu wachsen, ihn anzunehmen, zu trauern, diese Liebe für das zu würdigen was sie war – sehnsüchtig, unerfüllt, hoffend, leidenschaftlich, heimlich, kämpferisch, hingebungsvoll, kostbar!
Und die Beziehung, die sich aus dieser Liebe ergeben hat, war schlicht das Beste, was euch unter diesen Umständen möglich war!
Du weißt, dass ich mit dir fühle!
Und um diesen Kurz-Roman mit einem letzten Bild zum Thema Liebe und Schmerz abzuschließen:
Auch wenn der Regen pladdert, scheint über den Wolken die Sonne, denn die spielen nicht mal ansatzweise in der gleichen Liga – nur muss man eben Pilot sein, um das zu sehen... oder eine Biene!
Alle(s) Liebe!!!