verliebt bin ich, weil ich jemanden nicht kenne. ich liebe jemanden, weil ich ihn kenn.
wenn ich verliebt bin, greift das prinzip "faszination entsteht durch das weglassen von information."...solle heissen, ich bin in jemanden verliebt, weil ich aufgrund nur ganz weniger informationen meine sehnsüchte, bedürfnisse, erwartungen, etc. auf diese person projeziere.
Emergenz, das fand ich wunderbar formuliert, aber wie Kaiserschmarrn möchte ich deswegen Verliebtheit keinesfalls unterdrücken oder vermeiden. Läßt sich meistens auch garnicht erreichen ...
Aber Verliebtheit sehe ich als Beginn einer Möglichkeit - nicht mehr. Voller Hormone, Wildheit, Blindheit, Realitätsferne, Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Und dann läßt dieser "kleine" Drogencocktail langsam nach und man fängt an, den Gegenüber wirklich kennenzulernen, realistisch einschätzen zu können auch aufgrund der ersten Krisen, wie tragfähig das ist, wer das da vor einem ist, hinter der Fassade aus bestmöglichem Eindruck und Hormonrausch. Und dann kann es Liebe werden - und die ist mir lieber, wichtiger. Den die hält, gewinnt Dimension, wächst sich fest.
Und so schön diese Phase der Verliebtheit auch ist: Ich würde gern den Selbstbetrug des Verliebtseins überspringen, wenn ich dafür den Schmerz der Ernüchterung, Ent-Täuschung auch weglassen könnte ...
Aber Liebe funktioniert ohne Verlieben irgendwie nicht, ohne Verlieben ist man nicht genügend aufeinander eingeschossen, um sich anzupassen, beweglich zu werden für das neue Konstrukt des Wir. Jedenfalls ist das meine Erfahrung bisher. Ohne Verliebtheit nerven die Macken und kleinen Eigenheiten des Gegenübers zu schnell, um daran nicht in sinnlosen kleinen Debatten zu zerbrechen - oder nicht akzeptieren zu wollen.
Also eine Lanze für den meist schmerzhaft endenden Wahnsinn gebrochen ...
Und was das lange vorher kennen angeht und dann eine Beziehung starten: man kennt einen Menschen nie, auch nicht als Beziehungsmensch, bevor man SELBST mit ihm einen Versuch gestartet hat, mögliche Krisen und sich eingefühlt hat. Bis dahin ist alles graue Theorie, denn zwei zusammen ergibt immer ein unvorhersagbares Neues, oder? Wenn nicht, wäre aus der Beziehung mit einer Person der Ausgang mit einer anderen zwingend ablesbar, aber außer grober Beziehungsunfähigkeit (und nichtmal das muß zwischen zwei zum Tragen kommen) ist da nie wirklich eine Vorhersage möglich?
Es ist auch nicht so, daß es gleich Liebe wird, nur weil man sich platonisch schon lange kennt. Kaiserschmarrn und ich z.B. (Du erlaubst das kleine "Outing"?
) kannten uns bereits einige Monate und waren nur Freunde, nichts mit verliebt, das war von vornherein auch abgemacht so, denn ich hatte einen Beziehungsbesuch beerdigt und brauchte viel Zeit zum Wunden lecken, heil werden. Daß es zum Kuß kam schließlich nach vielen sehr sachlichen Debatten über Beziehungen und uns und das war ... eher von langer Hand vorbereitet und dann spontan "Ach verdammt, mal schaun". Das Gefühl der Verliebtheit kam erst danach und wuchs ...
Und bis ich von Liebe spreche, vergeht bei mir immer eine lange Zeit, meistens ein Jahr oder länger ...
Es gibt nur vier Menschen auf diesem Planeten, die ich in den vergangenen zwölf Jahren geliebt habe oder liebe, in Anbetracht der Beziehungsvielzahl ist das ziemlich wenig.
Und Venuskind kann ich mich uneingeschränkt anschließen.