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Und auch hier: Polyamorie ist nicht frei von Vereinbarungen, auch hier kann verletzt werden, wenn sich jemand nicht an Grundsätze oder Vereinbarungen hält.
Ganz abgesehen davon, wieviele Polys sind in ihrer Entwicklung schon soweit, dass sie völlig ohne Neid und Eifersucht sind und daher nicht verletzt werden können? Ich bin es jedenfalls (noch) nicht.
Es ist zweifelsohne unangenehm, an Eifersucht zu leiden, doch dieses Gefühl schürt eine falsche Intuition dahingehend, wer sie verursacht. Wer sich eifersüchtig fühlt oder gar verhält, trägt die Verantwortung dafür selbst. Die Schuld ist nie bei einem/r Partner/in zu suchen. Wieso sollte jemand anderes für die eigenen Persönlichkeitsschwächen aufkommen?
Besagtes Gefühl ist letztlich eine Form von Wut, die aus dem Bewusstsein entsteht, ungerecht behandelt zu werden. Es wird einem ein Mensch – zumindest partiell – weggenommen. Beinahe könnte man sagen, man ist bestohlen worden. Doch dies setzt erst einmal voraus, die Person zuvor besessen zu haben. Dass einem ein solcher Zustand abhandengekommen ist, berechtigt nicht zur Beschwerde. Eifersucht zu überwinden ist ein Akt der Selbstaufklärung und der Charakterfestigung. Wer ein bisschen Vertrauen hat, ist auf Sklavenhaltergefühle nicht mehr angewiesen.
Ich lese und verstehe es so, das es sozusagen völlig normal ist, sich in einer Liebesbeziehung
gegenseitig Verantwortung für seine Gefühle zuzuschieben. Wenn sich der Partner so oder so verhält, dann verletzt er mich. Liebt er mich wirklich, dann würde er das nicht tun.
Das ist ziemlich genau der Mechanismus, den wir in einem Nachbarthread besprechen und den Sonne-Licht in meinen Augen supergut beschreibt. Es macht Stress aus, immer immer genau darauf achten zu müssen, was den anderen Partner jetzt verletzen könnte - und ich muss natürlich darauf achten, weil ich den Partner ja liebe und ihm maximal wohlwollend und fürsorglich gegenüber stehe...
Natürlich gibt es Verletzungen, aber genau das ist doch der wichtige Punkt, inwieweit ich den Partner als Verursacher verantwortlich mache oder ihn als Auslöser meiner Gefühle sehen kann. Das sagt für mich eben auch oben zitierter erster Satz aus dem Artikel.
Und ich verstehe diese riesige Regel- und Absprachediskussion, die in diesem Forum immer wieder geführt wird, als genau das, was Du in Deinem ersten von mir zitierten Satz schreibst. Und das beschreibt nichts anderes als das normale Beziehungsverständnis, das wir haben: wir brauchen Regeln, an die sich alle Beteiligten halten müssen, damit man nicht andere verletzt und selbst verletzt wird. Die Verletzungen zu sich zu nehmen - nein, zu anstrengend. Die Verletzung selbst zu fühlen - nein, bedrohlich. Da ist es einfacher, den anderen verantwortlich zu machen. Und noch sicherer, direkt eine klare Definition von Polyamorie hinterherzuschieben - oder besser noch eine klare Definition davon, was Polyamorie definitiv nicht ist.
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[...]Mir ist es ebenfalls wichtig, dass Polyamorie nicht als Promiskuität oder dieser berühmte Freifahrtschein verstanden wird.
Ich finde den Artikel wirklich ziemlich gut dekonstruierend.
Monogamie einzufordern heißt, dem anderen aktiv verbieten zu wollen, bestimmte Dinge zu tun. Wenn die andere Person Sexualität mit dritten Personen wünscht, dann, weil sie sich davon irgendetwas erhofft – und sei es nur Spaß. Wenn ich mit meinem Wunsch nach Monogamie dem den Riegel vorschiebe, setze ich mich aktiv dafür ein, dass meine geliebte Person etwas nicht bekommt, was sie gerne hätte – und das wohl aufgrund niederer Motive meinerseits. Mit welchem Recht und aus welchem Grund sollte man sich dem Streben nach Glück einer Person in den Wege stellen, die man zu lieben behauptet?
Warum genau ist es Taride wichtig? Was genau ist ihr wichtig? Was genau heisst überhaupt Freifahrtschein? Also doch Konstruktion von Verletzungsvermeidungsstrategien, unterstützt mit der immer gut funktionierenden Be- und Abwertungsmethodik - pomisk, igitt?
Polymono? Die übliche, normale Beziehungsführung mit Verantwortung für die Gefühle des Anderen einfach auf mehr als zwei Menschen erweitern?
Ja, der Artikel gibt keine Anweisungen und Tips für polyamore Beziehungsgestaltung, stimmt. Er dekonstruiert eher die monogame Sichtweise - könnte man ja mal als Selbstreflexion nutzen, inwieweit man tatsächlich achso poly denkt, fühlt und handelt oder vielleicht doch noch sehr in klassischem Verantwortungsdenken unserer christlichen Monokultur verhaftet ist.
Eifersucht zu überwinden ist ein Akt der Selbstaufklärung und der Charakterfestigung. Wer ein bisschen Vertrauen hat, ist auf Sklavenhaltergefühle nicht mehr angewiesen.
Es würde bedeuten, selbst Verantwortung für seine Gefühle zu übernehmen.
Und nein, ich finde es absolut nicht schlimm, eifersüchtig zu sein, genauso wie alles andere, was man fühlen kann. Aber man sollte es auf sich beziehen und nicht den Anderen für diese Gefühle verantwortlich machen. Und nein, ich bin auch nicht der Meinung, das man Beziehungen, egal welcher Art, erst führen kann, wenn man dies oder jenes nicht fühlt, wie zum Beispiel Eifersucht. Nein, im Gegenteil. Wenn man sich denn wirklich in die Nähe traut und sich dem Anderen zumutet, ohne ihn verantwortlich zu machen.