Ohne von "Tyrannei" reden zu wollen, fühle ich mich durch die mehrfachen Threads zur Unterrepräsentierung von Polyamorie auch stark an andere Bewegungen der letzten Jahre erinnert, in der verschiedenste Gruppen in der Gesellschaft eine stärkere Repräsentanz fordern, die aber in ihren Forderungen letztlich dahin führen würde oder führt, dass diese Gruppen dann überrepräsentiert sind.
Polys sind eine absolute Minderheit, und das nicht nur wegen angeblich verquerer gesellschaftlicher Normen, sondern weil die allermeisten Menschen eben nicht so fühlen.
Als Bisexueller glaube ich auch nicht, dass ich unterrepräsentiert bin in den Medien oder dass der Idealzustand sei, dass alle oder die Mehrheit der Menschheit endlich erkennen, dass Bisexualität das Beste und Natürichste überhaupt sei.
Zum Thema selbst: Ja, in den allermeisten Medien wird Liebe und "Romantik" stark auf Schubladen und wenige Muster reduziert (vor allem, wenn wir Romantik auf ihr Wesen zurückführen, was die Epoche der Romantik eigentlich vermitteln wollte), aber wenn wir genau hinschauen, gilt das inzwischen für alle Bereiche der Wirklichkeit: Wie wir andere Länder und Kulturen wahrnehmen und darstellen, Politik, Religionen, selbst naturwissenschaftliche Weltmodelle.
Es gibt aber, vor allem im Bereich der Öffentlich-Rechtlichen (die ja gerne aufgrund der "Zwangsgebühren!" so oft gescholten und kritisiert werden) viele Gegenbeispiele, aber das wird dann leider wenig geschaut.
Da ergibt sich ein sich selbst erhaltender und verstärkender Kreislauf: Es wird produziert, was geschaut wird, und es wird geschaut, was den Erwartungen entspricht, wobei die Erwartungen wieder dadurch erzeugt werden, was gesendet wird.
Und dann entsteht, was Jean Baudrillard und andere mit "Hyperrealität" meinen:
Ein Abbild von Realität, das wir nicht mehr als solches erkennen. Und weil das so ist, verwechseln wir die "Hyperrealität" mit der Realität und haben keinerlei Zugang mehr zur eigentlichen Realität, wenn es so etwas überhaupt noch gibt.
Wir erkennen dann z.B., dass die in einem Werbespot dargestellte Familiensituation nicht eine wirkliche Familie darstellt, erkennen aber nicht, dass die "Familienwirklichkeit", die wir im Werbespot als übertrieben dargestellt erkennen, auch nur konstruiert ist.
Oder wir erkennen, dass die in Hochglanzmagazinen (durch Photoshop) künstlich hergestellten Schönheitsideale eine Übersteigerung der Wirklichkeit sind, aber nicht, dass das diesen Übersteigerungen zugrunde liegende scheinbar "reale" (also in der Wirklichkeit durch Sport, Ernährung, Makeup und Styling erreichbare) Schönheitsideal auch nur ein Konstrukt ist.
Und das lässt sich auch auf die Vorstellungen der Menschen von Liebe und Beziehung, aber auch auf Sexualität übertragen.