Ist bei mir auch so gewesen, wie ihr es hier beschreibt.
Ich war immer in mehrere Menschen verliebt, schon von Anfang an, als Teenie, aber habe mir da nie einen Kopf gemacht. Zuerst, weil ich zu jung war und das extreme Schwärmen (ok, in den einen, sehr jungen Lehrer war ich so verknallt, das ich heute noch dran denke, was wohl gewesen wäre, wenn ... aber ich war ja erst 12
) ja alles war, was passierte.
Und dann kam die Situation, daß ich mich in jemanden verliebte, extrem schüchtern und introvertiert wie ich war aber zwei Jahre brauchte, bis ich mich traute - meine "Wunsch-Männer" waren immer ein ganzes Stück älter als ich bzw. zumindest über 30, alle darunter fand ich selbst als Teenager zu albern oder unreif - außer meinen Mann später, der war ähnlich alt. Ich wachse irgendwie auf "mein Alter" zu, was vieles Leichter macht.
Bei ihm jedenfalls damals war ich 16 und hatte 2 Jahre mit mir gerungen und war völlig fertig. Schließlich schrieb ich einen Brief, wir kamen mehr oder weniger zusammen (so ein on-off Ding, er wollte das so, ich war unglücklich damit) - weil er, wie ich nach 2 Monaten erfuhr, eine feste Freundin hatte. Und als ich davon erfuhr, brach für mich keine Welt zusammen (ich weiß das noch wie heute und es verdutzt mich immernoch), sondern ich habe das nur ruhig hingenommen und angefangen drüber nachzudenken, wie das dann laufen könnte. Für mich war mit der Information völlig logisch und auch ohne jedes Nachdenken oder inneren Widerstand sofort das "beide eine Einheit" Denken da. Was genau das eigentlich bedeutete, daß er mit mir eine Affäre hatte und sie mit Sicherheit von mir nichts wußte, wurde mir erst Jahre später klar, als mein Mann und ich polyamor zu leben begannen. Der Gedanke war mir damals garnicht gekommen.
Und als ich bei ihm war und sie anrief und er mit ihr am Telefon sprach, sehr zärtlich und deutlich hörbar - fand ich es schön, ihn so zu hören. Und fühlte mich ein wenig desorientiert, ohne sagen zu können, wieso. Heute weiß ich, daß ich auch da nicht drüber nachdachte über monogam und nicht-monogam, aber zumindest vom Konzept der Eifersucht gehört habe und irgendwo vielleicht wußte, daß das von mir jetzt erwartet würde. Oder nicht? Und es eine verwirrende Situation war, ihn in dem Tonfall zu jemand anderem sprechen zu hören, wie er sonst nur mit mir sprach. Aber es hat mich eben nicht gestört und wurde nie ein Thema.
Das ging so gut 1,5 Jahre, glaube ich, dann war ich sein stop-and-go leid und trennte mich, ging eine andere Beziehung ein. Und vermisste ihn immernoch furchtbar. Eines Tages kam ich in der Nähe seiner Wohnung vorbei - und ging zu ihm, wir landeten im Bett als hätten wir nie aufgehört. Ich ging danach nach Hause und war voller Schuldgefühle. Ich hatte meinen Freund betrogen! Was um Himmels Willen hatte ich getan?!? Aber ich liebte den anderen doch! Ich hab es nicht ausgehalten und meinem Freund am nächsten Morgen gebeichtet. Für ihn war es ein großer Schlag.
Aber er sprach Trennung nicht an und er wußte, wieviel ich für den anderen empfand, er hatte die ganze Phase vorher miterlebt. Ich war zutiefst verwirrt. Irgendwas stimmte doch hier nicht, ich würde doch nicht fremdgehen, wenn ich für meinen Freund genug empfinde und mit dem anderen konnte ich doch nicht zusammen sein. Dann waren doch beide "Beziehungen" nicht in Ordnung oder hatten keine Zukunft - und ich mußte das in Ordnung bringen.
Also habe ich mich von meinem damaligen Freund getrennt nach gut 1,5 Jahren und zu dem anderen Ex jeglichen Kontakt abgebrochen.
Mit dem Ex-Freund bin ich immernoch in freundschaftlichem Kontakt, den anderen Ex habe ich tatsächlich nie wieder gesehen, aber er ist immernoch in meinem Herzen, fast fürchte ich mich davor, ihm wieder zu begegnen, was es selbst nach 10 Jahren noch auslösen könnte, fast möchte ich es, um genau das zu testen. Wobei ich nichtmal weiß, ob er noch lebt schon wegen der Herzinfarkte oder wenn wäre er jetzt so alt, daß ihm das Konzept der Polyamory wohl erst recht fertig machen würde.
Naja, dann war ich Single für eine Weile und ging zum Studium, traf dort meinen Mann und er war der erste Mann, der in meinem Alter war und in den ich mich verliebte - und er wird wohl auch der einzige 20-jährige bleiben, bei dem das passiert, glaube ich.
Wir waren glücklich, die Konfusion der Zeit davor hatte ich ganz weit weggeschoben, monogam. In den Jahren im Studium habe ich mich dreimal verliebt in jemand anderen ... naja, eigentlich viermal
, aber es war immer genug Raum zum Ausweichen, um das nicht zu intensiv werden zu lassen und damit zum Problem. Ich war mir bewußt, daß ich verliebt war, aber hab geschwiegen, es mit einem inneren Schulterzucken abgetan, das Spiel mit dem Feuer (meinen Gefühlen) genossen und es nicht ernst genommen. Gelitten habe ich deswegen jedenfalls nicht, nachgedacht auch nicht. Für mich stand einfach fest: ich gehe nie wieder fremd, egal was passiert, soviel Stärke habe ich, das ist unsere Beziehung auf jeden Fall wert.
Und dann kamen wir vor 4,5 Jahren nach Berlin. Puh naja, das war wie ... aus dem Winterschlaf erwachen, Studienort war eine Kleinstadt, alles gemächlich und schläfrig, Berlin pulsiert vor Energie. Ein wenig hab ich mich wie in meiner Heimatstadt vor dem Studium gefühlt in Berlin. Und dann hab ich mich auf Arbeit verliebt, ziemlich sofort und da war ein Ausweichen auch garnicht möglich, wir haben intensiv zusammen arbeiten müssen.
Ohje. Nach 1,5 Monaten war ich schon richtig im Eimer von wegen verliebt und er hat mich tierisch angeflirtet (was ich nicht wußte, er war ein Schürzenjäger, fuhr mehrgleisig), aber er hatte auch eine Freundin. Ich habe versucht, mit ihm behutsam darüber zu reden (daß er mit der Flirterei aufhören soll, wie sein Verhalten rüberkommt) - gott war ich naiv/aufrichtig.
Er hat das dann als Anmache aufgefaßt und mir erlärt, daß er ne Freundin hat. Ich hab mich darauf versucht, so sehr zurückzuziehen, wie ich konnte, er lies aber nicht locker und setzte nach, was ich nicht begriffen habe und unehrenhaft fand. Ja was denn nun?!? Meine Gefühle waren da aber in völligem Aufruhr, Kopf hin oder her, es wurde ständig schlimmer. Gut ein dreiviertel Jahr nach unserem Kennenlernen war ich langsam am Ende meiner Kräfte, ich habe unheimlich Kraft gebraucht, meine Gefühle zu unterdrücken, es hat mich total belastet, meinem Mann nichts sagen zu können, ich hatte Schuldgefühle, wie ich für jemand anderes sowas empfinden konnte.
Und dann bin ich zufällig über Poly gestolpert bei nächtlichen (inzwischen normalen) Streifzügen durchs Netz. Das hat mir richtig die Füße weggerissen erstmal, ich war total erschüttert - ich war vielleicht garnicht falsch, sondern nur ANDERS. Auf die Idee, Monogamie in Frage zu stellen, war ich nie gekommen, nur wie üblich mich härter ... ranzunehmen. Und plötzlich stand die Option, so sein zu können, ohne daß andere Beteiligte drunter leiden mußten.
Das war eine unglaubliche Befreiung, ist es noch heute. Wie ein Heimfinden und sich selbst Finden.
Das ist kurz gefaßt meine Geschichte, als ja, ich war schon immer poly, schon immer offen selbst in Beziehung für weitere Menschen. Wobei ich nur offen bin für andere Menschen, wenn es mir gut geht als Single oder in einer Beziehung, nicht zuviel Streß ist, Organisationsbedarf oder Intensität. Und die Gefühle für Ex-Partner oder Menschen, in die ich verliebt war, brechen eigentlich nie ab, auch nicht nach 17 Jahren für denjenigen, in den ich zum allerersten Mal verliebt war. Nur, damals, vor meinem Mann oder auch in den ersten paar Jahren unserer Beziehung hätte ich poly vermutlich nicht leben können, selbst wenn ich davon gewußt hätte. Reife, Beziehungserfahrung und -verhalten ebenso wie Reflektionsgrad waren da nicht genügend ausgeprägt.