„Ich denke, dass sich ältere Semester wesentlich ausgeprägter über ihre Gefühlsmöglichkeiten und Neigungen im Klaren sind. Zumindest geht es mir/uns so.
Das sehe ich auch so.
Nicht nur im sexuellen Bereich sondern auch in punkto gemischt-geschlechtlicher platonische Freundschaften begegnete ich bei älteren Semestern zunehmend mehr Reife & Toleranz.
„Soll heissen, sie sind auch glücklich, ohne Partner ihre Interessen
(teilweise) auszuleben.
Teilweise die eigenen Interessen ohne Partner ausleben?
Ja, so ticke ich auch. Und so tickte ich schon immer.
Gleichgültig ob in polygamen oder monogamen Lebensphasen.
Einerseits suchte ich immer nach den Dingen, für die wir beide brennen. Da gab es Mal mehr, Mal weniger Schnittmengen. Zeiten, in denen wir mehr und Zeiten in denen wir weniger gemeinsam machten. Andererseits wollte ich auch immer Freiräume - für beide Seiten. Um die Faibles auszuleben für die der Partner halt kein so ausgeprägtes Interesse hat. Nein, es geht sogar um mehr als das:
• Das Bedürfnis alleine neue Menschen kennenzulernen.
• Unter Fremden ganz auf mich allein gestellt zu sein.
• Autonomie-Erleben.
• Mich einfach mal ganz unbefangen - ohne Rücksicht auf einen Partner - ein neues Hobby beginnen und in die Gemeinschaft Gleichgesinnter eintreten zu können. Mich in einem neuen Umfeld neu zu erleben. Andere Seiten zu entdecken.
Ab und an muss ich mein Autonomie-Bedürfnis befriedigen!
Irgendwann nimmt man dann den Partner Mal mit, um diesem die neu entdeckte Welt zu zeigen. Oder andersherum. Das gibt immer wieder neue Impulse. Dadurch hört das gegenseitige Kennenlernen auch nie auf.
Nun, diese Offenheit für Neues sowie das Streben nach (Selbst-)Erkenntnis führte dazu, dass meine Partner und ich oft innerhalb relativ kurzer Zeit feststellten: "Im Grunde genommen streben wir in unterschiedliche Richtungen. Dauerhaft werden wir - als Partner - miteinander nicht glücklich." Je nachdem landeten wir dann bei einer Freundschaft (mit oder ohne plus) oder trennten uns im Guten.
Doch ich mag keinen dieser Partnerschaftsversuche missen.
Die bescheuerten Trennungen erlebte ich eher mit jenen, die die Vorstellung hatten, die ganze Zeit an ihrer Partnerin zu kleben.
Mir bedeutet es wenig, wenn ein Partner "nur um mir zu gefallen"/ "nur um die Zeit gemeinsam zu verbringen" bei einem meiner Hobbys oder Interessensgebiete mitmacht. Auf mich wirkten sie wie ein Klotz am Bein. Da kam nie diese magische Stimmung auf wie bei zwei Menschen, die für dieselbe Sache brennen. Alles hing von meiner Freude an der Sache ab.
Solche "Liebesbeweise" fand ich total doof. Sie waren nicht sie selbst. Und das Schlimmste: Sie waren nicht ehrlich.
In meinen Augen war das keine Liebe.
Doch es gibt Menschen, die länger brauchen, um zu realisieren, dass die Schulzeit vorbei ist. Dass sie nicht mehr mit Klassenkammeraden in eine Klasse gezwungen sind. Dass sie sich nicht mehr so stark anpassen/ verstecken müssen. Dass sie endlich sie selbst sein können. Dass sie ihren Faibles - ungeachtet dessen, ob das im bestehenden Umfeld gerade in oder out ist - nachgehen können. Dass sie die Freiheit haben, sich ihr Umfeld selbst zu suchen und Gleichgesinnte zu finden. Und dass sie die Freiheit haben, ihr Beziehungsmodell entsprechend ihrer Bedürfnisse und Neigungen selbst zu wählen - und mit dem/ der betreffenden Partner(in) ggf. lebbare Kompromisse auszuhandeln. Und dazu gehört eben auch: Trotz aller Liebe "Nein" zu sagen, sollte kein Kompromiss möglich sein.
Dies kann dann dazu führen, dass jemand erst im fortgeschrittenen Alter erste Erfahrungen mit polyamoren Beziehungskonstrukten sammeln mag.
Oder dass ein Mensch, der jahrelang im polyamoren Umfeld zu Hause war, plötzlich eine monogame Partnerschaft leben will.
Summa sumarum finde ich die älteren Semester selbstbewusster.
Bei Kontakten übers Joy ist das Bild jedoch verzerrt: Hier trifft man viele, die nach oder in einer Krise eine sexuelle Experimentierphase einlegen. Dazu gehören dann auch Mal alternative Beziehungsmodelle wie die Polyamorie. Womöglich bleiben sie dabei. Wahrscheinlich nicht.