Leider kann man ja den Eingangsthread nicht mehr nachträglich ändern. Aber mit ein paar Veränderungen aus Euren Antworten hier im Thread oder per CM würde ich das jetzt so formulieren wollen:
1. Polys sind auch nur Menschen, die sich entwickeln, dazu lernen und Fehler machen, wie jeder andere auch. Solange wir keine Heiligen sind und auch unsere Ängste und Begrenzungen immernoch haben, ist die Wahrscheinlichkeit für Krisen relativ hoch - vor allem wenn Neuankömmlinge dazu kommen. Im Idealfall wird es eine harmonische Traumreise, im Realfall eher steinig. Wenn Du nicht bereit bist, das mit Deinem Partner durchzustehen, laß es gleich bleiben.
2. Polys sind nicht dazu da, Dir die Antworten abzunehmen oder nicht auch an Dir selbst zu arbeiten. Das hat jeder selbst zu tun. Man kann aber erwarten, daß man in einer Krise nicht alleingelassen wird.
3. Polys sind auch keine Trainingsgeräte, keine leichten Betthupferl oder Abenteuerspielplätze, sondern Menschen, die viel Arbeit investieren, um komplexe Beziehungen aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Du hast als Teil dessen genauso Verantwortung zu tragen.
4. Jeder Mensch gibt, was er geben KANN, wenn jemand etwas nicht kann oder Ängste bekommt, muß das anerkannt werden. Wenn man anfängt, dem Gegenüber seine Ängste vorzuwerfen oder ihm zu sagen, was er tun muß oder müßte, wird es nicht leichter - sondern schwerer. Es ist erstaunlich, wozu ein Mensch fähig ist, wenn er geben DARF, aber Druck hilft nicht, sondern macht es schlimmer.
5. Wenn irgendetwas passiert zwischen Deinem Partner und Dir, was Dich verunsichert oder belastet - tu erstmal GARNICHTS, rede
"nur". Sprich
behutsam über Deine Gefühle ("Ich bin enttäuscht" oder "Du provozierst mich" sind keine Gefühle, das sind Vorwürfe, übe Dich in gewaltfreier Kommunikation) und was Du Dir wünschst. Wohlgemerkt wünschst, nicht was sein muß.
Dein Gegenüber kann Dir das geben oder nicht, wenn er es nicht tut oder nicht geben kann, kann sich das noch ändern, aber Du kannst das erstmal nur akzeptieren. Trotzdem kann die Aussage/Entscheidung Deines Gegenübers auch für Dich Konsequenzen haben. Erkläre Deinem Gegenüber, was das für Dich für Konsequenzen hätte, ohne Ultimaten zu setzen, laß ihm Zeit, sich darauf einzulassen, darüber nachzudenken. Agiere nicht einfach, stelle Deinen Partner nich vor getroffene Entscheidungen. Selbst schmerzhafte Entscheidungen trifft man besser gemeinsam. Wenn Du zu durcheinander bist, irrational sein würdest, zieh Dich zurück, sortiere Deine Gefühle, beruhige Dich zuerst.
6. Sei Dir bewußt, daß jemand, der frisch verliebt ist, nicht ganz zurechnungsfähig agiert. Das ist keine Ausrede für rücksichtsloses Verhalten, wir sind alle erwachsen und in der Lage, über unser Verhalten zu entscheiden. Wenn Dein bestehender Partner Dir sagt, daß er sich gerade allein gelassen oder verunsichert fühlt, weil Du Dich aufgrund einer neuen Liebe anders verhältst - beruhige ihn, verbringe Zeit mit ihm, gib ihm Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen und überprüfe Dein Verhalten kritisch. Eine neue Beziehung einzugehen, wenn die bestehende Beziehung nicht stabil ist, funktioniert nicht. Das wird die bestehende Beziehung eher zerstören. Das hat dann nichts mit Polyamory zu tun.
Die meisten Trennungen bestehender Partnerschaften entstehen in der Polyamory wegen neuer Partnerschaften. Das ist eine kritische Phase, nicht nur rose rote Wölkchen, stell Dich darauf bitte ein.
7. Wenn Du Verlustängste oder Eifersucht fühlst, z.B. weil Dein neuer Partner einen neuen Partner hat, gilt das Selbe wie 5. - tu erstmal garnichts, rede nur. Die erste Reaktion wird sein, von Deinem Partner zu erwarten, daß
ER Dir Dein Sicherheitsgefühl wieder gibt.
Das ist aber nicht Sinn und Zweck des Ganzen, das könnt Ihr nur gemeinsam und Du bist dafür genauso verantwortlich. Dein Partner sollte allerdings verständnis- und liebevoll an Deiner Seite sein und Dir sagen, warum Du so wichtig für ihn bist, was Dich so einzigartig macht. Letztendlich jedoch mußt Du Deine Ängste selbst in den Griff bekommen. Wenn Dein Partner Deine Ängste durch sein Handeln nicht zerstreut oder sich nicht verständnisvoll verhält, wirst Du vermutlich tiefer in die Angst rutschen.
Wenn er Dir anbietet, sich von seiner anderen Partnerin zu trennen, oder Du von ihm Trennung verlangst, habt ihr das Problem nicht behoben. Ihr werdet in Zukunft wieder darüber stolpern- und die alte "Lösung" steht abermals im Raum. Erwarte nicht, daß Dein Partner seine Gefühle verleugnet oder auf Eis legt - als Partner stehe zu Deinen Gefühlen. Derjenige mit Verlustangst braucht Zeit, um sich daran zu gewöhnen, daß der Partner fest steht, aber eben nicht geht (egal in welche Richtung). Verlustangst läßt sich (unterstützend) am besten dadurch bekämpfen, daß man ruhig und eindeutig bei beiden bleibt. Hektik hilft hier niemandem.
Wenn er sich für oder gegen einen von Euch entscheidet, hat er klargemacht, daß er einem Partner die Auseinandersetzung mit den Ängsten zu Lasten eines anderen erspart. Dies kann die ganze Situation nur noch stärker belasten, da es Hierarchien zwischen Beziehungen erzeugt und eingesteht und diese "Lösung" für die Zukunft wieder im Raum steht. Das ist für den verbleibenden Partner nicht notwendigerweise beruhigend, die Entscheidung kann beim nächsten Mal ja auch in die andere Richtung erfolgen...
8.
Wenn Du Deine Verlustängste oder Eifersucht nicht in den Griff bekommst, kannst Du nicht polyamor leben. Selbst Partner zu haben, die keine weiteren Partner haben dürfen, ist nicht das Ziel - doch wenn man nur das leben kann oder will, sollte man sich und andere nicht selbst betrügen. Wenn man nicht polyamor leben kann, ist das in Ordnung, aber darunter kann niemand leiden oder die "Schuld" zugesprochen bekommen. Finde den Punkt, an dem Du dazu stehst, wer Du bist, was Du leben kannst, selbst. Erwarte nicht von anderen, daß sie Dir das abnehmen. Damit handeln sie nicht polyamor.
Versuche niemanden zu überreden, polyamor zu leben, auch nicht Dir zuliebe. Du übernimmst damit Verantwortung, die niemand schultern kann und Dir später schwere Vorwürfe einbringen wird, wenn es eben nicht geht.
Deine Partner sollten Dich die ganze Zeit dabei liebe- und verständnisvoll begleiten, während Du Deine Entscheidung triffst, Deinen Weg suchst. Aber sie werden genauso darunter leiden, was in Dir vorgeht und sie vielleicht verlieren, also berücksichtige bitte auch ihren Schmerz.
9. Es wird wie in monogamen Beziehungen auch immer mal wieder passieren, daß jemand aus Verzweiflung, Schmerz oder sonstigen Gefühlen etwas sagt oder tut, was Dich verletzt oder verunsichert. Ihr könnt das nur zusammen klären. Und da hier mehr als zwei Personen beteiligt sind, kann das auch öfter vorkommen ...
10. Jede Einzelbeziehung in der Polyamory muß sich erstmal um sich selbst kümmern, was Stabilität oder Intensität angeht. Egal was an äußeren Faktoren wirkt (ein weiterer Partner, der dritte Weltkrieg), man kann nur an dieser Beziehung arbeiten und ihr Gelingen nicht von weiteren Beziehungen abhängig machen. Wenn ein bestehender oder potentieller Partner verunsichert ist, kann das nicht zu Lasten weiterer Beziehungen gehen.
Beziehungen sind nicht unabhängig voneinander, also wird natürlich eine Krise in der einen die Beziehung zu weiteren beeinflußen. Und im allgemeinen wird eine Beziehung zugunsten einer kriselnden Beziehung zeitweise zurückstecken. Aber wie weit das geht, daß kann eine einzelne Beziehung selbst beeinflussen und entscheiden. Es geht nur im Ausnahmefall als freies Angebot, daß man eine Beziehung auf Eis legt, damit eine weitere laufen kann oder beginnt. Das ist aber bei Verlustangst oder Eifersucht keine Lösung, das ist Selbstbetrug. Es wird nicht besser, weil man den Konflikt hinauszögert, einem Partner die Aufarbeitung seiner Ängste abnimmt.
Oder man lebt hierarchische Polyamory in klarer Erst- und Zweitbeziehung. Nur sollte das von vornherein klar sein, damit sich jeder darauf einstellen kann.
11. Lerne über Dich zu reflektieren, sei ehrlich zu Deinen Partnern, aber auch zu Dir selbst. Es kann sehr schwer sein, sich die Wahrheit einzugestehn, wenn man liebt und nicht verlieren möchte. Sei Dir dessen bewußt. Sei vorsichtig mit Urteilen über eine Situation, die Du noch nicht erlebt hast, stell Dir die Umkehrfrage (wie ginge es mir, wenn ich in dieser Situation wäre, was würde ich wollen). Kein Mensch tut Dinge, die er tut, aus einer bösen Absicht heraus. Wenn Dir etwas schlecht, niederträchtig o.Ä. vorkommt, frag nach, wie das gemeint war, ob Du richtig verstanden hast, daß ... und erkläre Deine Gefühle deswegen.
12. Denk über DEINE Bedürfnisse nach, was Du möchtest, was man Dir gibt - nicht darüber, was jemand anderes bekommt oder möchte. Du bist für Dein Glück verantwortlich, d.h. eben: Du kannst nur über die Erfüllung Deiner Bedürfnisse, Achtung Deiner Gefühle verhandeln, wenn Du sie kennst. Mache nicht Dritte dafür verantwortlich, wenn Deine Bedürfnisse nicht erfüllt sind, Deine Beziehung nicht glücklich ist. Wenn ihr das zusammen nicht geklärt bekommt, ist das Euer beider Problem, nicht das eines Dritten.
13. Freu Dich an kleinen Dingen und beiß Dich nicht an Regeln fest, wenn sie mit der Praxis nicht vereinbar sind, besprecht neue.
14. Ignorier die Nummerierung, denk Dir ... Gänseblümchen.