Ganz generell glaube ich - das Thema ist eigentlich kein Poly-Thema, sondern trifft exakt so auf jede Beziehung zu. Und während auch ich eine harmonische Beziehung generell für wichtig halte, und Forderungen an Partner ablehne, bin ich dennoch der Meinung: mit Verbindlichkeit kommt auch eine gewisse Verpflichtung. Denn: gewährt man einander alle Freiheiten, aber lehnt jegliche Verpflichtung füreinander ab, ist die in meinen Augen logische Konsequenz, dass man, wenn Bedürfnisse unbefriedigt bleiben, die Beziehung aufgibt und sich eine passendere sucht. Die Verbindlichkeit wäre dann also dahin.
Für ich bedeutet das also: ich muss, wenn ich Bedürfnisse formuliere, nicht darauf achten, ob jemand eventuell dadurch unter Druck gerät, sich zuständig zu fühlen. Denn in einer Beziehung, poly oder nicht, IST eben genau jeder dafür mit-(!)-verantwortlich, dass die Partner glücklich sind, sofern das möglich ist. Ich fühle mich den Bedürfnissen meiner Partnerinnen verpflichtet - also ja, äußert jemand ein Bedürfnis, entsteht bei mir für mich ein gewisser Druck, das leisten zu können. Es wäre für sie absolut unmöglich, ein Bedürfnis auszusprechen, ohne mich unter Zugzwang zu setzen.
Aber: das ist erstmal ok. Denn andersrum darf auch ich mein Bedürfnis äußern, etwas nicht zu tun (was dann andersrum Druck ausübt, weil jemand eventuell sich dann dafür verantwortlich fühlt, das nicht mehr zu fordern).
Es gibt Bedürfnisse, die können nicht beide erfüllt sein. Da muss man darüber sprechen, Kompromisse suchen, andere Lösungen in Betracht ziehen und schlimmstenfalls gemeinsam Beschließen, dass es keine gemeinsame Lösung gibt (dann kann man entweder versuchen eine Lösung unter Zuhilfenahme weiterer Partner zu finden, oder die Beziehung aufgeben). Enorm wichtig für diesen Prozess ist aber, dass isch jeder beteiligte Mensch verpflichtet fühlt, zur Lösung beizutragen. Und eben NICHT die Haltung zu vertreten, dass das jeder für sich klären muss.
Ich persönlich sage also ganz klar: Verantwortung für den Partner ist wichtig, um in einer Beziehung gemeinsam an Problemen zu arbeiten. Auch, wenn es manchmal unbequem ist. Denn (auch) um nicht mit allem Alleine zu sein HABE ich eine (oder mehrere) Beziehung(en).
Freilich aber gehört eine wertschätzende Kommunikation ohne Fingerzeigen dazu. Ob nun GFK nach Buch oder anderweitig achtsamer Umgang ist dann nicht entscheidend. ALs Grundsatz dient mir immer:
• Emotionen sind immer legitim, auch wenn sie irrational oder "Unfair" sind, denn für Emotionen kann niemand was, die sucht man sich nicht aus
• Bedürfnisse sind immer legitim, auch wenn sie nicht begründet werden können und egal ob sie bekannt oder neu sind
• Es ist für die Problemlösung immer irrelevant, ob jemand "Schuld" hat oder nicht und wer - das muss man also gar nicht thematisieren
• es gibt kein quid pro quo, Bedürfnisse kann man nicht aufrechnen, sie sind immer unabhängig voneinander zu betrachten. Wenn man über X spricht, ist es irrelevant, ob jemand Y erfüllt bekommt oder nicht. Darüber spricht man danach extra, wenn bedarf besteht.
Mit diesen Grundregeln finde ich persönlich, kann man sehr gut hantieren, ohne sich unfair zu behandeln. (Konkrete Beispiele kann ich gerne machen, wenn jemand will). Natürlich kann es trotzdem mal sehr emotional zugehen, aber das ist ok. Streit hilft oftmals sogar, zumindest um sich gehört zu fühlen.