„Ein Mensch ist weder seinen Gefühlen noch Bedürfnissen unterworfen.
Allein das Wort „unterworfen“.
Im Moment sind sie einfach existent. Was daraus folgt, was man selbst damit macht, ist erstmal offen.
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Ich sehe das ein bisschen anders. Gerade weil Gefühle und Emotionen häufig sehr unmittelbarer Natur sind, sind wir ihnen insofern schon unterworfen, dass wir ihr initiales Auftauchen oder Wegbleiben nicht nach Belieben steuern können. Man kann sie sich hernach bewusst machen und daran arbeiten, wenn etwas schmerzt oder noch nicht da ist wo es sein soll, aber unterworfen ist man ihnen schon allein dadurch, dass man keine Wahl hat: Sie kommen - und sind dann, wie Du sagst, existent und suchen Antworten. Wo man die dann sucht, dazu habt Ihr hier im Strang schöne Dinge geschrieben.
Aber auch da hab ich hinterfragende Anmerkungen.
Etwas, was mir fehlt, zu erkennen? Aber sicher. Ein Mensch, dem niemals etwas fehlt, ist wahrscheinlich tot ;-).
Andere brauchen / Nicht brauchen? Ich muss eine ganz olle Kamelle hier bringen, aber in Biologie hat uns der nette Pater B. gesagt, der Mensch sei ein "Zoon politikon", ein Gemeinschaftswesen. Diese Überhöhung des Niemanden-brauchens / Alles-in-sich-selbst-Findens empfinde ich als überfordernd - Um aus sich selbst schöpfen zu können, muss ja erst mal was drin sein, und diesen Erfahrungsschatz schenkt uns das Leben, i.E. der Austausch mit anderen (samt folgender Reflexion, meinetwegen). Man sollte andere nicht zu sehr brauchen (und ich glaube, das ist mit verbrauchend gemeint - die einzigen, die einen wirklich gern verbrauchend brauchen dürfen, sind Kinder und anderweitig nicht für sich selbst sorgen Könnende (gebrechliche Greise, Kranke...) - aber ist nicht jeder von uns mal kurz "gebrechlich", schwach, am Ende? - Und schon ist es wieder dahin mit der Selbst(er)schöpfung... )
Ich halte hier den Mittelweg also für die passende Haltung:
Sich selbst genug sein (können), aber hingewandt zu anderen und bereit zu geben wie auch zu nehmen. Man kann natürlich auch wie ein Mönch oder Eremit in innere Klausur gehen und so ein erfülltes Dasein führen. Ich halte das aber schlicht für singulär und eine Art mentalen Hochleistungssport, der in meinen Augen nicht für jeden taugt und was ich auch nicht schlimm finde.
Ich für meinen Teil bin für mein Leben gern in Austausch, ich finde kaum etwas schöner und lebendiger als den geliehenen Blick durch andere Augen, weil ich spüre, wie ich aufblühe, wenn neue Impulse mein Leben beflügeln und ich das dann wieder zurückgeben kann und darf.
Und was die Selbstlosigkeit angeht: Warum darf eine Begegnung keinen Nutzen haben? Sie soll es in meinen Augen sogar! Nur eben kein Aus-Nutzen - aber das wird ja auch von den beiden Enden des Kontaktes gestaltet, und wenn die Balance stimmt, egal wie austariert, dann bleiben beide in so einem Kontakt, und wenn es verrutscht, gibt es ganz von selbst Konflikte, die dann beigelegt werden oder zur Zerrüttung führen; aber ganz hart gesagt tut jeder von uns ständig alles mindestens hälftig zu seinem Nutzen, sogar altruistisches Verhalten hat auch eigenen Nutzen, und verwerflich ist daran genau gar nix, denn Menschen, die gut für sich sorgen können, sind stabil; und solang man kein egoistischer Vampir wird (aber das wäre dann auch nicht der Mittelweg, vondem ich sprach), ist dagegen in meinen Augen nichts einzuwenden. Im Gegenteil.
EIn letztes Wort noch zu "erleuchtet"... oha. Ich bin sehr empfindlich gegenüber solcherlei Begrifflichkeiten. Es wohnt dem nämlich in meinen Augen eine gewisse Überheblichkeit inne, als wäre man weiter als andere, aber wie um alles in der Welt mag man sich anmaßen, das Innenleben anderer auf seine "Weitheit" (lol) hin zu beurteilen? Als gäbe es da draußen eine Erleuchtungsleiter und Stufen und Ranglisten? Ich denke, der gute alte Sokrates ist hier die sicherere Bank, ich weiß, dass ich nichts weiß, und meine Gedanken hier wollte ich z.B. mit Euch teilen - erhebe aber keinerlei Anspruch, richtig(er) zu liegen; und der Thread hier ist an sich schon die Gegenthese zur Selbstgenügsamkeit: Wir sind hier, weil wir Austausch suchen. Das ist doch schön. Oder?