Zunächst mal vorneweg: Beide Poly-Modelle sind in Ordnung. Nur, ob es zusammen passt, ist fraglich.
„Ich fühlte mich völlig abgemeldet, als die er die nächste am Start hatte und genötigt ich solle sie kennenlernen, gut finden und im Idealfall Sex mit ihr wollen. Da müsse ich noch lockerer werden.
Sich genötigt zu fühlen, jemanden kennen zu lernen, gut finden zu sollen und im Idealfall sogar Sex mit dieser Person zu wollen, geht oftmals einher mit: An dich gerichtete Bedürfnisse der Person, die danach verlangt. Zum Beispiel wäre da das Bedürfnis nach positiver Bestätigung seiner Partnerwahl zu nennen. Aber noch eine ganze Reihe andere Bedürfnisse.
Die Bedürfnisse kann und darf dein Partner haben.
Aber du musst sie nicht teilen.
Zum Beispiel hat nicht jeder Poly das Bedürfnis, dass seine Poly-Partner sich kennen und mögen, geschweige denn mit beiden gleichzeitig Sex zu haben.
Manchen ist es in bestimmten Fällen sogar sehr viel lieber, zwei Poly-Partner getrennt voneinander zu halten. So können sie mit dem Einen Facetten ihrer Persönlichkeit ausleben und weiterentwickeln, die dem anderen Poly-Partner so gar nicht schmecken und umgekehrt.
Bei einem Treffen zu Dritt würde man sich aus Rücksichtnahme auf den gemeinsamen Nenner beschränken oder man würde immerzu bei Einem von beiden anecken. Beides wäre so manchem Poly zu anstrengend.
Dritte finden gerade das reizvoll. Die Konflikte haben dann die beiden Poly-Partner. Während man selbst immer einen Poly-Partner auf seiner Seite hat oder angeblich - den anderen zuliebe - in die Rolle des "angeblich neutralen Vermittlers" schlüpft. Neutralität und Unbefangenheit ist faktisch aber selten gegeben. Viel häufiger ist es die Scheu davor, den eigenen Standpunkt im 1:1 zu vertreten und sich mit Kompromissen zufrieden zu geben.
Dieses 2:1 kann und wird häufig zu Machtspielchen genutzt. Also zur Einflussnahme auf den Polypartner, der in Punkto XY in der Minderheit ist und den man allzu gerne verändern würde. Da wird der Mensch nicht so geachtet & geliebt wie er ist. Sondern es wird das geliebt, was man möglicher Weise aus diesem Menschen machen könne. Im festen Glauben daran, man wisse es besser und täte dem Poly-Partner damit etwas Gutes.
Ich finde solche Machtspielchen übrigens total mies.
Mit welchen Personen ich mich auseinandersetzen will, entscheide ich selbst.
Und meine Auseinandersetzungen führe ich im 1:1.
2:1 finde ich unfair.
Und ich kann Beziehungspartner, die primär "über Bande spielen" als Beziehungspartner nicht ernst nehmen. Andere mögen dafür mehr Verständnis aufbringen. Doch mir fehlt da beim Gegenüber das Vertrauen oder Selbstvertrauen, Dinge direkt mit mir im 1:1 zu klären.
Selbst in meinem rein platonischen Freundeskreis haben wir immer eine Gruppenkultur gelebt, in der Menschen ihre Konflikte bitteschön im 1:1 austragen. Wer da Fronten im Freundeskreis bilden wollte, war nicht gern gesehen und konnte sich nicht lange halten. Und wenn sich Einer in die Streitigkeiten anderer einmischen wollte, hieß es oftmals: "Wenn du streiten willst, such dir deinen eigenen Streit." Oder: "Stell dich hinten an, wenn du unbedingt mit XY streiten willst. Im Augenblick sind wir zwei beschäftigt."
Und ich weiß, dass es Freundeskreise gibt, die das ganz anders handhaben. Da war ich dann Fehl am Platze und zog weiter. Sowas will ich gar nicht leben.
Beziehungsweise habe ich diese Art Gruppenkultur oft genug zu Schulzeiten erlebt. Da hat man es ohne Verbündete schwer. Und als Schulkind hatte ich ja noch nicht die Freiheit, mir meine Schulklasse selbst auszusuchen. Doch als Erwachsene habe ich die Freiheit, selbst zu entscheiden, welchen Gruppen ich mich anschließe. Und so eine Gruppenkultur, in der viele Menschen über Bande spielen anstatt ihre Auseinandersetzungen im 1:1 auszutragen, die brauche ich in meiner Freizeit nicht. Das passt einfach nicht zu meinen Idealen und Bedürfnissen.
Ein Mensch, der so etwas leben will, passt nicht zu mir. - So nett er auch ansonsten sein mag. Liebe, Verliebtheit kann viel vorhanden sein. Doch auf Beziehungsebene will ich unter diesen Umständen nicht mehr als Bekanntschaft+.
Sollte ich also von mir aus kein persönliches Interesse am Kontakt bzw. Aufbau einer Freundschaft zur Metaamour haben, bleiben die Bedürfnisse eines Polyparnters, dem diese Kontakte - aus welchen Gründen auch immer - so verdammt wichtig sind, unbefriedigt.
„Da müsse ich noch lockerer werden.
ist kein Argument.
Du könntest Du doch ebenso gut sagen: "Da müsstest du lockerer werden."
Oder: "Warum willst du mich da in etwas verwickeln? Lass mal locker!"