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Ich verstehe es sogar so, dass Polyamorie gleichgesetzt wird,
mit Freifahrtsschein zum durch die Gegend vögeln.
Genau das beobachte ich bislang halt leider immer noch und immer
wieder, und dies nicht zuletzt in der Poly-Szene:
Dass die Grundsatzentscheidung zu sexueller Nichtexklusivität
als Argument dafür genutzt wird, schwierige Gefühle, die dadurch
bei dem einen oder der anderen aufgewühlt werden, auszublenden,
zu unterdrücken und/oder für unterentwickelt oder unangemessen
zu brandmarken...
In diesem Sinne habe ich alles andere als den Eindruck, hier Krokodile
in den Nil zu werfen...
Gerade weil sowohl im Umgang unseren Gefühlen und überdies im
Umgang mit unserer Sexualität wohl nur ganz wenige von uns wirklich
gute Lehrerinnen oder Vorbilder hatten, die ihnen zeigten, wie es möglich
ist, und was es dafür braucht, um die in beidem (und insbesondere in
ihrer Verbindung zueinander) freiwerdende Energie bewusst dafür zu
nutzen, um Verbindung und Heilung zu ermöglichen...
Schlimmer noch: Die allermeisten von uns haben in ihren eigenen prägenden
Jahren (die ja nicht ohne Grund so heißen...
) geradezu gegenteilige
Erfahrungen gemacht...
Nämlich, dass es schmerzhaft ist oder gefährlich, sich auf einen anderen
Menschen wirklich blind und bedingungslos zu verlassen... Nicht wenige von
uns sind subtil zutiefst verunsichert oder gar misstrauisch... Sie geben sich
nach außen hin souverän und abgeklärt... In ihrem Herzen aber kauert ein
kleiner Junge oder ein kleines Mädchen, der/das mit hoffnungslosen Augen
in die Leere schaut und wünscht, sich selbst nicht spüren zu müssen...
Sexualität ist ein emotionaler Prozess-Katalysator. Immer.
Darum glaube ich auch niemals die Geschichte von "Es ist ja nur Sex..."
Sexuelle Lust öffnet uns emotional - und bringt uns dadurch immer mal
wieder auch in Kontakt mit alten, unverheilten Wunden in uns...
Wenn das passiert, dann ist es sehr, sehr hilfreich, in diesem Moment und
in diesem Prozess mit einem Menschen verbunden zu sein, von dem wir
uns wirklich sicher und geborgen, gesehen, geachtet und geliebt fühlen...
Ist dies nicht der Fall, dann wird das wahlweise in der Situation selbst oder
aber spätestens irgendwann danach zu eher unschönen Gefühlen führen...
Aus meinem Verständnis der evolutionären Entwicklung des Menschen heraus
übrigens glaube ich ja zutiefst: Einander zu vertrauen ist für uns Menschen im
Grunde das Natürlichste der Welt... Nur ist vielen von uns genau diese Natürlichkeit
in frühen Jahren geradezu mit Macht abtrainiert worden...
Ganz dasselbe glaube ich übrigens auch über die Aufrichtigkeit...
Ich glaube, wir Menschen sind genetisch darauf programmiert, miteinander
in kooperativen Gemeinschaften Dinge zu vollbringen, die keinem und keiner
von uns allein auch nur im Ansatz möglich sind. Der ideale Nährboden für
derartige Gemeinschaften besteht meiner Auffassung nach in einer Kultur
auf der Basis von Aufrichtigkeit, Mitgefühl und Wohlwollen...
Und stellen wir uns doch nur für einen Moment lang vor, zwei Menschen
(oder auch drei) gingen mit genau dieser Einstellung zueinander miteinander
ins Spiel- oder Schlafzimmer, um dort ein Fest der Liebe und Lust zu feiern...
Was könnte dabei je anderes herauskommen als echter High-End-Sex...?!
Nur haben es halt viele von uns als Folge ihrer ganz persönlichen Prägungs-
erfahrungen nicht besonders leicht damit, wirklich aufrichtig und echt zu sein.
Wenig verwunderlich, aber doch bemerkenswertfinde ich, dass nicht selten
genau dieselben Menschen grimmig darüber klagen, wie wenig man anderen
Menschen in dieser Welt doch vertrauen könne...
Ich mag das Internet-Meme, das sagt:
Be yourself.
It's not that
complicated...!