Zitat von **********liste:
„Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben kann. Vielleicht so: Du sprichst in der Stadt jemanden an (erstmal unabhängig zu welchem Thema). Dieser Mensch aber schaut dich „VIELLEICHT“ an, lässt dich dann aber kommentarlos stehen und dreht sich einfach um.
Das ist dieses vollkommen ohne Antwort lassen, und wenn es auch nur eine vorgefertigte freundliche Absage wäre.
Genau das ist in der Kaltaquise auf dem Marktplatz völlig normal.
Genau das versuchte ich dir mit meinem Beitrag zu vermitteln.
Mal weg vom Flyer-Verteilen. Mit 22 Jahren rutschte ich in einen Face-to-Face Kaltaquise-Job auf dem Marktplatz.
Eigentlich war ich für Telefoninterviews auf Niederländisch ins Markt- und Meinungsforschungsinstitut gefahren. Doch diese europaweite Studie, in der ich eingesetzt werden sollte, war auf unbestimmte Zeit verschoben worden.
Das war doof.
In einer Woche wäre meine Miete fällig und ich hatte bereits mit dem Verdienst aus der Telefonstudie gerechnet. Damit hätte ich alles zusammen, was ich bräuchte und könnte mich in der kommenden Woche voll auf die Uni konzentrieren.
Eine halbe Stunde später stand ich auf dem Marktplatz.
Mein Job war: Männer 50+ Anbaggern und Abschleppen.
Für einen Parfüm-Test.
Fester Stundensatz fürs Baggern + Abschleppprämie, für jeden Mann, den ich im Marktforschungsinstitut um die Ecke ablieferte.
Der erste Tag lief überhaupt nicht gut. Nach der Hälte hatte ich immernoch keinen einzigen Mann abgeschleppt. Und ich machte mir selbst einen riesen Druck. Ich befürchtete, jederzeit würde der Gruppenleiter kommen und sagen: "Vergiss es Mädel. Du kannst es nicht. Geh nach Hause." Und ich brauchte doch das Geld für die Miete.
Der Knackpunkt ist einfach der: Viele Menschen lassen sich nicht gerne um die Ecke bringen.
Auch nicht für einen - in meinen Augen: interessanten - Parfümtest, für den sie sogar eine Aufwandsentschädigung erhalten.
Also selbst wenn mir der Gesprächsauftakt gelang (was schon schwer genug war) und mir ein Mann 50+ einen Augenblick seiner Zeit schenkte, mich anschaute, mir zuhörte und auch mal eine Verständnisfrage stellte, so malte sich die Mehrheit meiner Gesprächspartner doch einen anderen Gesprächsverlauf aus.
Von der Idee, im Marktforschungsinstitut um die Ecke an einem Parfümtest teilzunehmen, waren die wenigsten meiner Gesprächspartner begeistert.
Gleichgültig wie ich die Sache anging: Die Mehrheit meiner Gesprächspartner war enttäuscht. Und Enttäuschung fühlt sich für viele Menschen unangenehm an.
Sich wortlos von mir abzuwenden und weiter zu gehen, gehörte noch zu den "netten", zu den "normalen" Reaktionen.
Eine Erfahrung, die sich später in anderen Face-to-Face Kalt-Aquise-Projekten mehrfach wiederholte.
Gleichgültig, ob die Zielgruppe Männer oder Frauen war.
Gleichgültig, welches Alter die Zielgruppe hatte.
Gleichgültig, um welche Art gewerbliches Projekt es sich handelte.
Gleichgültig, ob es sich um ein Vereins-, ein politisches oder um ein gewerbliches Projekt handelte.
Ein paar wenige, sehr wenige, reagierten mit Begeisterung.
Da passten mein Angebot und das Interesse des Gesprächspartners.
Doch die überwiegende Mehrheit der Angesprochenen war enttäuscht.
Und sich wortlos von mir abzuwenden und zu gehen, gehörte zu den "netten" & "normalen" Reaktionen.
Im privaten Kontext wäre es übrigens dasselbe in grün.
"Wäre"
Denn im privaten Rahmen habe ich mehr Zeit. Da muss ich niemanden aus Zeitdruck ein konkretes Angebot unterbreiten.
Und wenn die Resonanz nicht passt, lasse ich das Gespräch einfach so auslaufen... anstatt mit einem konkreten Angebot einen Korb zu provozieren.
"Gespräche auslaufen zu lassen" finde ich für beide Seiten angenehmer. Da gibt es dann auch keine Absage. Und in vielen Fällen gab es auch keinen Abschied.
Beispiel: Ich baggerte einen Mann in der Disco an. Nach kurzer Zeit zeigte sich: Nee, die Resonanz passt nicht. --> Beide ließen das Gespräch an der Bar dahin dümpeln. --> Früher oder später wendete sich einer von beiden, was anderem/ einer anderen Person zu... Sprang z.B. wieder auf die Tanzfläche oder fing ein Gespräch mit einem Kumpel oder einem/ einer Fremden an.
Nix passiert.
So ganz ohne den Erfolgs- und Zeitdruck, den man in der gewerblichen Kaltaquise spürt, ist es doch sehr viel leichter. Und diese Ergebnisoffenheit im privaten Kontext machte mir schon immer sehr viel mehr Freude.
Privat-Menschen, die im offline-Leben auf Teufel komm raus einen Korb, eine Absage provozieren, die sind doch arg in der Minderheit. Online scheinen sich mehr Männer zu tummeln, die gerne einen Korb provozieren. Doch auch hier scheint mir die überwiegende Mehrheit der Männer gerne auf einen Korb zu verzichten.
Was ich hier im Joy nun zuhauf erlebt habe, ist, dass Männer anstatt mit mir zu flirten, Männerbashing betrieben. Sie entwerteten die Motivation anderer Männer, mit Frauen in Kontakt zu treten. "Ja, wenn die anderen Männer mit ihrer "minderwertigen" Motivation nicht wären, dann wären die Frauen doch nicht so entnervt und würden mir eine Chance geben.", denken viele.
Falsch gedacht.
Ich gab ihm doch eine Chance, er nutzte diese Chance fürs Männerbashing und Männerbashing nervt mich.
Meine 1. Antwort: "Soso."
Meine 2. Antwort: "Aha." (Danach war die Mehrheit weg vom Fenster.)
Meine 3. Antwort: "Soso."
Mann abgewimmelt.
Genau genommen waren das drei ungenutzte Chancen, um irgendwas in eine CM zu schreiben, was mein Interesse hätte wecken können.
So würde es übrigens auch an einer stinknormalen Bar laufen, wenn ein Mann versucht mich anzubaggern und so überhaupt nix bringt, was mein Interesse weckt. Aber hier im Joy sollen die vielen anderen Männer Schuld daran sein, dass er mein Interesse nicht wecken konnte??