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Brauchen bedeutet im alltäglichen Sinn "verwenden, gebrauchen ". Ich brauche eine Tasse für meinen Kaffee. Es kann auch "benötigen" bedeuten, ich benötige eine Tasse für meinen Kaffee.
Brauchen hat im alltäglichen Sinne noch mehr Bedeutungen, der Kontext ist hier entscheidend.
„Es braucht noch etwas um…“
„Die Mannschaft braucht noch einen Kapitän“ zB.
Um eine Bindung einzugehen, braucht es… mindestens mal einen anderen Menschen.
In dieser Verwendung bedeutet „brauchen“ dass ein Bestandteil benötigt wird, um etwas ganz zu machen, zu erhalten usw.
Menschen brauchen andere Menschen für ihr emotionales Wohlbefinden.
Wer sich mit anderen nicht so richtig wohlfühlen kann, dem fehlt stets etwas. Dieses Fehlen kann verdrängt sein, abgespalten und es hat Gründe, wenn es so ist.
Dennoch kommt der Mensch dem Menschsein halt nicht aus.
„„zu unabhängig, zu wenig „braucht“.
Darunter könnte ich mir nichts vorstellen. Meine Liebsten und ich sind maximal unabhängig und brauchen uns nicht, sondern wir lieben uns. Welche Folgen hätte denn ein "zu wenig Brauchen"?
Mir scheint es so, als assoziierst du „brauchen“ meist mit „gebrauchen“?
Andere zu wenig brauchen, zu unabhängig:
Zu abgegrenzt sein, andere zu wenig einbeziehen, zu wenig (an)nehmen (können)
In einer Beziehung ist so jemand immer auf subtile Art unerreichbar, die Bindung kann nicht wirklich wachsen (beide können nicht zusammen(-)wachsen), weil damit eine Form von gegenseitiger Abhängigkeit einhergehen würde.
Eine gute, kooperative Abhängigkeit beinhaltet, dass man sich vom anderen emotional (usw) beeinflussen lässt und beeinflusst.
Maximale Unabhängigkeit in einer Beziehung? Gibts doch gar nicht.
Das würde bedeuten, dass alles nur von einem selbst abhängt, der Partner in nichts einbezogen wird, keinerlei Relevanz hat.
Insofern liegt im „brauchen“ auch die Anerkennung.
Ich erkenne an, dass dieser Mensch Einfluss hat auf mein Wohlbefinden.
Um das Glück, das Wohlbefinden, die Liebe zu erleben, dass ich mit diesem Menschen erleben kann, brauche ich denjenigen eben.
Als Teil des Ganzen.
Nur weil in „jemanden brauchen“ und „Abhängigkeit“ auch Schattenseiten liegen können, heißt es nicht, dass es da nichts gutes und positives gibt.
Ich hab das Wort auch sehr lange vermieden und ich mag es immer noch nicht im zwischenmenschlichen Kontext. Nicht weil ich an „gebrauchen“ denken muss, sondern weil es schwer erträgliche Gefühle weckt.
Erinnerungen an verletzliche, hilfsbedürftige Momente. Wo ich wirklich jemanden gebraucht hätte, Situationen, Zeiträume mit großer Not. Und niemand war da. Statt Hilfe, Unterstützung kam oftmals noch mehr Schaden.
Es macht dann Sinn so etwas künftig zu vermeiden.
Die kindliche Lösung ist halt zB: niemanden mehr zu brauchen. Weil das hat man auch alleine geschafft.
Auf lange Sicht verhindert man damit gute Bindung.
Das eigene „brauchen“ zuzulassen, bringt dann auf Dauer wirklichen einen Mehrgewinn an Wohlbefinden.
Weil man auch dann erst die Unterstützung erbitten, einforden und annehmen kann, die man manchmal eben braucht.
Und man nur so die Erfahrung machen kann, dass es Menschen gibt, denen man tief vertrauen kann. Die verlässlich sind, die einem zur Seite stehen.
Menschen, die „zu viel“ brauchen, haben andere Erfahrungen gemacht und „müssen“ für ihr Glück und gute Bindung lernen, dass sie mehr für sich alleine können, zu weit mehr in der Lage sind. Dass sie sich selbst mehr vertrauen können. Oder dass ihre Autonomie gute Bindung nicht gefährdet.
Dass sie auch mal loslassen können und dürfen.