Ich habe hin- und herüberlegt, ob ich mich in diesem Thread beteiligen soll. Ich bin der Partner, von dem
@******ore schreibt, und das letzte, was ich will, ist, ihre Bitte um Schwarmintelligenz und vielleicht auch Mitfühlen zu stören. Ich habe mich dann aber fürs Schreiben entschieden, weil ich von meiner eigenen Seite Informationen über mein Erleben beisteuern möchte. Was ich damit
nicht will: Mich rechtfertigen, irgendetwas bewerten, mich zanken oder @*******res Äußerungen relativieren.
Zunächst: Ich freue mich, dass sich
@******ore an die Polyrunde wendet. Wir sitzen fest in einem Dilemma, das wir allein nicht geschafft haben zu lösen. Bevor sie den Thread eröffnet hatte, hat sie M. (meine andere Liebste) und mich gefragt, ob wir damit einverstanden seien, und hat uns anschließend den Eröffnungsbeitrag zum Gegenlesen und Freigeben vor dem Posten gegeben.
Von meiner Seite mag ich berichten, dass ich beide Frauen gleichermaßen unsterblich liebe, auch nach der Trennung, die ich tief betrauere. Ich würde so gerne mit
@******ore zusammenleben! Und solange wir unsere Zeit in ihrer eigenen Wohnung bei Hannover verbringen, sind wir seit sechs Jahren in großer Harmonie. Auch ihre Wochenenden bei mir am Niederrhein sind harmonisch, konstruktiv und freudvoll. Wir unterstützen uns gegenseitig in allen Anliegen. Ich bin für diese Beziehung unendlich dankbar.
Einig sind und waren wir uns immer, dass wir egalitäre Polyamorie leben wollen, also ohne Hierarchie, ohne Center-Wing, ohne Nesting oder Ankerbeziehung. Es ist uns durchgehend gelungen, und das gilt für mich auch weiterhin.
Was aber passiert, wenn wir nicht in ihrer Wohnung sind (z.B. zusammen im Ferienhaus, im Wohnmobil, in meiner eigenen Wohnung, in M.s Seminarhaus), und zwar länger als eine Woche, dass ich in Stress gerate. Ich habe intensiv geforscht, woher dieser Stress in mir kommt. Habe unterschiedliche Theorien hin- und herbewegt. Habe Familienaufstellungen gemacht, Rebirthing betrieben, mich von
@******ore coachen lassen (sie ist eine intuitive, begabte Therapeutin für Psychotherapie), meine Männergruppe zu Rate gezogen, im Polykül "gebrainstormt"... dahintergekommen bin ich erst, als wir im letzten Sommer dieses Dreimonats-Zusammenlebe-Experiment in meiner Wohnung gemacht haben.
Der Grund liegt in meiner Kindheit, bestimmt keine Überraschung. Bis zum meinem 12. Lebensjahr lebten meine Eltern, meine drei Jahre jüngere Schwester und ich in einer Bauernschaft an einem Waldrand. Ich fühlte mich pudelwohl in dieser Welt, die ich wie meine Westentasche kannte und die mir und meinen Freunden gefühlt gehörte. Es war meine Heimat. Dann stand ein Umzug in einen anderen Ort an, meine Eltern hatten ein altes Haus gekauft, das sie in Eigenleistung sanierten. Das bedeutete viele Jahre angestrengter Arbeit für meine Eltern, und natürlich wurden wir Kinder ebenfalls eingespannt. Freizeit hatten wir Kinder keine mehr: Nach der Schule Hausaufgaben, und dann bis zum Zubettgehen Helfen bei den Bauarbeiten. Freundschaften, Hobbys, Gegend-Erkunden - alles fiel weg bis zu meinem Auszug. Ich fühlte nur noch Fremdbestimmung, aber keinerlei Heimat mehr.
Nach meinem Auszug hatte ich endlich wieder meinen Raum, war selbstbestimmt und fühlte Heimat jeweils dort, wo ich lebte. Daran änderte auch meine Ehe nichts, und nach deren Ende auch die anderen Beziehungen nicht. Mit
@******ore aber - und das ist die Erkenntnis vom Zusammenlebe-Versuch des letzten Sommers - war es anders, sobald wir länger als eine Woche in meinen Privaträumen zusammenwaren. Was ich nach und nach verstand, war, dass sie und ich eine unterschiedliche Haltung haben, wie wir mit dem Privatraum anderer Menschen umgehen. Ihre Haltung ist (korrigiere mich, wenn ich etwas falsches sage, liebste
@******ore ):
"Wenn ich in Deinen Privatraum eingeladen werde mit der Idee, dass wir da zusammensein wollen, dann bedeutet das auch, das wir uns den teilen" - und das klingt ja auch völlig nachvollziehbar.
Sie springt aber für mein Fühlen mit einer solchen Kraft in das Teilen rein, dass ich wieder das bekannte Gefühl von Heimatlosigkeit bekomme. Es fühlt sich für mich nicht mehr an wie mein Privatraum. Und das wiederum bringe ich aus meiner Kindheit mit, weil mein Vater mich so mit Beschlag belegt hatte, dass ich nicht mehr das Gefühl hatte, hier zuhause zu sein. Das ist mein Anteil an unserem Dilemma.
In meinen vergangenen Beziehungen (und auch mit meiner anderen Liebsten M.) habe ich die Haltung beim Zusammenziehen so erlebt, dass sie mir meinen Privatraum so lange beließ, bis ich ihn nach und nach im Vertrauen zum Teilen freigeben kann und konnte. Auf diese Weise komme ich nicht in das Gefühl der Heimatlosigkeit.
Seit dem Sommer sind
@******ore und ich trotz unserer Wege der Selbsterkenntnis und Arbeit an mir selbst, und trotz unserer Gespräche in Liebe einer Lösung des Dilemmas nicht nähergekommen. Ich will mein Thema mit der Heimatlosigkeit auflösen, doch dies ist keine Sache von wenigen Monaten, und ich weiß noch nicht, wie realistisch es ist, dass es mir je gelingt.
Unser Plan war ja zwei Jahre lang, zu Dritt zusammenzuleben. Meine Bestürzung ist groß, dass ich es mir jetzt nur noch mit M. vorstellen kann, und ich habe überlegt, dass ich auch mit M. nicht zusammenziehe, solange es mir mit
@******ore nicht gelingt. Diese Idee habe ich aber verworfen, denn das Problem bleibt ja bestehen. Noch steht das wirkliche Zusammenziehen mit M. jedoch nicht an, sie wohnt 140 km von mir entfernt und ist seit Anfang Dezember einigermaßen regelmäßig von Dienstagmittag bis Donnerstagmittag bei mir, manchmal auch am Wochenende (im Februar sogar jedes Wochenende). Sie kann nicht durchgehend bei mir wohnen, weil sie neben mir in zwei weiteren polyamoren Partnerschaften lebt, und ihre Familie und Arbeit noch am Wohnort hat.
Ich bin dankbar für Euer Schwarmwissen, Euren Zuspruch und Euer Wohlwollen für
@******ore ! Auch ich möchte nichts Abwertendes in ihre Richtung lesen.