Transparenz definiere ich — relativ simpel gestrickt — ebenso einfach: Jeder weiß, woran er beim anderen ist.
Für mich eine notwendige Bedingung für
jede verbindliche Beziehung. Vielleicht sogar jeder Couleur, von der Freundschaft bis zur Geschäftsbeziehung. Nur Transparenz ermöglicht, bewusste Entscheidungen zu treffen — sowohl für als auch gegen etwas. Deswegen verorte ich Verschweigen, „Kleinigkeiten weglassen“ oder die Realität etwas zu verbiegen nahe der Lüge, denn das führt zu Entscheidungen, die bei Transparenz vielleicht — eher: wahrscheinlich — anders ausgefallen wären. Damit lebt man von geborgter Zeit, bis sich Transparenz einstellt. Mit einem hatte der Genosse also ausnahmsweise Recht: „Nur völlige Klarheit der gegenseitigen Beziehungen kann den Erfolg eines Abkommens zur Erreichung des nächsten gemeinsamen Zieles gewährleisten.“ (Wladimir Iljitsch Lenin, 1870–1924).
Einvernehmen finde ich etwas gestelzt. Ist es nicht meistens ein „Will ich auch“ oder ein „will ich nicht“? Die Beziehung insgesamt betrachtet: Im Großen und Ganzen. Die Anforderung, dass bei bzw. in allem immer Einvernehmen oder Übereinstimmung sein muss, finde ich weltfremd. Realistischer finde ich dagegen, sich zu überlegen, mit wie viel Nicht-Übereinstimmung ich noch gut leben kann. In den wesentlichen Punkten muss es passen, sonst macht’s keinen Sinn. Bei den „Kleinigkeiten“ finde ich „Leben und leben lassen“ pragmatischer als sich über jedes Härchen in der Suppe das Hirn zu zermartern oder zu echauffieren. Mit „Kompromiss“ tue ich mich mit der Definition „einem anderen etwas zum Gefallen zu tun, was ich selbst nicht mag/möchte“ schwer. Konzessionen
–Zugeständnisse– zu machen finde ich passender und kann damit –bis zu meinen Grenzen– leben.
Zwischen Kompromiss, Konsens und Konsent zu differenzieren mag für eine eher wissenschaftlich geprägte Analyse taugen, aber im Alltag? Lies: Einer alltagstauglichen Beziehung? Da sind die Fragen doch eher: „Kann ich damit leben?“, „Bin ich damit zufrieden?“ oder „Bin ich damit glücklich?“ Würde ich alles sezieren und mir dazu einen Knoten in den Kopf machen, würde mich eher
das unglücklich machen. Dafür kann Gegenüber aber nichts, und das sollte ihm auch nicht angelastet werden.
Konsent… bisher nicht gehört, aber spannend. Das Popper-Theorem der Beziehung? In der Wissenschaft kann man ja nach Popper postulieren, dass jede These so lange valide ist, bis sie falsifiziert worden ist. Die Mathematik lasse ich mal außen vor, die ist ja so konservativ, dass man auf Beweisen besteht. Zur Soziologie könnte so eine steile These wie „Konsent“ aber passen — wir sind ja beim Thema „Beziehung“ in sozialer Interaktion unterwegs. Wenn ich eine fehlende ausdrückliche Zustimmung bis zum Veto in den Beziehungskontext setze, kommt heraus, dass jeder so lange machen kann, was er will, bis ihm jemand Einhalt gebietet, und das auch noch begründen muss. Das passt schon mal nicht zu „Nein ist nein.“ Lebe ich eine weibliche Seite aus, wenn ich gefragt werden will? Schweigen ist ja nicht immer Zustimmung — auch wenn es manche sich gerne so einfach machen. Gegenüber zu ihm wesentlichen Dingen nicht zu fragen ist für mich eine Form der Nichtachtung — oder bei der Ausrede, nicht gewusst zu haben, dass es wesentlich ist, nachlässig oder oberflächlich. Im Ergebnis kommt bei mir dasselbe heraus.
Sich Vereinbarungen für schlechte Zeiten aufzusparen halte ich auch für sinnlos; Vereinbarungen reißen den Karren dann auch nicht mehr aus dem Dreck. Wenn man ähnlich tickt, mit Interesse für/an Gegenüber und mit etwas Empathie miteinander umgeht, braucht es für das, was für beide selbstverständlich ist, keine Vereinbarungen. Wenn man sich (so) nicht (mehr) versteht, stellt eine Vereinbarung das Verständnis nicht (wieder) her. Der Spruch „drum prüfe, wer sich (ewig) bindet“ kommt nicht von ungefähr. Die Leute reden viel, wenn der Tag lang ist, aber Vorstellungen, etc. wollen nicht nur kommuniziert, sondern auch gelebt sein. Da wird es bei einigen schwierig — wenn Anspruch und Wirklichkeit bei einem selbst schon nicht zusammenpassen, ist die Aussicht darauf, dass in einer Beziehung passt, eher schlecht. Andere sind ja nicht doof — meistens spätestens nicht mehr, nachdem sich die erste Verliebtheit gelegt hat. Alfred Lord Tennyson (1809–1892) hat es mit den Worten „Ein Mann von Worten und nicht von Taten ist ein Garten voller Unkraut.“ gut auf den Punkt gebracht.
Das Stichwort „Fassade“ finde ich in dem Kontext tatsächlich angebracht. Allerdings nicht für eine Kernsanierung des dahinter liegenden, sondern selbst keine Fassade bzw. Kulisse aufzubauen und sich selbst nichts vorzumachen oder schön zu reden. Bei Beziehungen ist es eben auch „gekauft wie besichtigt“ — deswegen lieber vorher genauer hingucken. zugegeben: Manchmal hat man trotzdem Pech, einstürzende Neubauten kommen gelegentlich vor.