Outing& Wirkung auf die Kinder
@ Nomi28: Ich kann deine ambivalenten Gefühle total gut verstehen! Früher oder später wird es wohl dazu kommen, dass mensch sich damit auseinandersetzen muss, wie man es der Umwelt nahe bringt . Bei uns musste es etwas schneller gehen, weil wir ja zu dritt zusammen leben und da einfach keine Möglichkeit mehr war, es zu verstecken (steht ja am Klingelschild, und wenn ein anderer Mann die Kinder von der Kita abholen möchte, muss mensch Farbe bekennen, wer das denn nun ist; das mit dem "Freund der Familie" ist irgendwann unglaubwürdig).
Also haben wir es der Familie, Freunden, Bekannten, Kita und Tagesmutter mitgeteilt. Die meisten haben ganz souverän drauf reagiert, einige brauchten ein bisschen Zeit, weil sie uns vorher als Duo kannten und sich nun an das Trio gewöhnen mussten, aber im Großen und Ganzen war es in Ordnung, obwohl wir uns vorher ziemlich viele Gedanken gemacht haben und teilweise Blut und Wasser geschwitzt haben - aber als es dann raus war, war es ok!
Allerdings leben wir ja in Berlin, was einfach eine Großstadt mit vielen unterschiedlichen Lebensentwürfen ist! In Bayern sieht das ganz anders aus. Wir haben (betagtere) Verwandtschaft aus Bayern, die unserem Lebensmodell äußerst kritisch gegenüber steht, weil dort die Ehe noch ein Sakrament und der Einfluss der katholischen Kirche sehr stark ist. Auch junge Leute in unserem Alter leben dort bewusst ganz klassisch: erst Heirat, dann Sex, dann Haus, dann Kinder etc. Das ist ja auch in Ordnung, aber dadurch ist es zumeist so, dass sie weniger Verständnis für alternative Lebensentwürfe aufbringen...
Dennoch wäre es für uns auch keine Option gewesen, uns nicht "zu outen", denn wir wollten frei zusammen leben, ohne uns ständig verstellen und verstecken zu müssen und außerdem auch andere darauf aufmerksam machen, dass es durchaus lebbare Alternativen zur monogamen Ehe gibt! Schließlich muss die Akzeptanz neuer Lebens- und Liebesmodelle erst einmal hergestellt werden :-)!
Was unsere Kinder (6 J., 4 J., 2 J., 1J.) betrifft: sie empfinden unsere Lebensweise mit zwei Papas und einer Mama als normal in dem Sinne, dass sie es zu Hause kaum anders kennen. Sie wissen schon, von wem sie biologisch abstammen, aber sozial macht es keinen Unterschied, wer gerade für sie da ist, vorliest, Essen macht, sie von der Kita abholt, sie ins Bettchen bringt etc. Sie fühlen sich geliebt und bekommen von allen drei Elternteilen Aufmerksamkeit und Förderung. Allerdings ist ihnen schon bewusst, dass es woanders anders ist und es meist zwei Elternteile (Mama& Papa) gibt. Unsere älteste Tochter postuliert auch ganz stolz, dass sie auf jeden Fall heiraten will - natürlich ihren besten Freund aus ihrer Kindergartengruppe ;-)... Also denk ich, dass die Kinder alle Zeit& Raum der Welt haben, um wiederum ihr persönliches Lebensmodell zu entwickeln/ auszuwählen, das ihnen entspricht...
Ich finde gut, dass wir heute die Wahl haben! Ich wäre nicht mehr bereit (wie vielleicht noch in meiner Kindheit/ Jugend), mir mein Lebensmodell von der Gesellschaft (Nachbarn, Freunde, Verwandte oder wer auch immer) vorgeben zu lassen. Auch wenn es vielleicht so ist, dass manche Menschen es nicht so leicht akzeptieren können und sich auf Grund dessen von uns abwenden (ein paar seltene Fälle gibt es leider), empfinde ich letztlich die Liebe zu meinen beiden Partnern und möchte diese nicht aufgeben müssen.
@ Nomi28: Daher erfordert ein offener& ehrlicher Umgang mit Polyamorie sicher viel Mut. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass er sich in jeder Hinsicht lohnt, denn wir können jetzt ohne schlechtes Gewissen oder Angst unsere Liebe und unsere Beziehungen leben, was anders nicht möglich gewesen wäre. Für die Kinder macht es dieser offene Umgang sicher leichter, das Lebensmodell ihrer Eltern zu akzeptieren und nach außen hin vertreten zu können "Ich habe zwei Papas und du nur einen!"
Das Bild einer immer intakten, glücklichen und standardisierten Traumfamilie (Vater, Mutter, 2 Kinder) entspricht sowieso selten der Realität! Es gibt oft unverheiratete, getrennte, geschiedene Eltern, Patchworkfamilien, manchmal gleichgeschlechtliche Elternpaare, Alleinerziehende etc. Da ist Polyamorie nur ein Lebensentwurf unter vielen.
Ich wünsch dir/ euch alles Liebe!!!
LG,
VM