Auf der Suche nach ihrem Ideal- und Seelenpartner, der alles sein soll, Geliebte|r, Freund|in, Vertraute|r (die eierlegende Wollmilchsau eben), „stolpern“ immer mehr Menschen von Beziehung zu Beziehung. (…) Ich bin also der Überzeugung, dass es auch serielle Polyamorie gibt. Warum sollen in diesen Beziehungen die Mechanismen anders sein?
Sprachlogisch gibt es "serielle Polyamorie" nicht, emotional schon:
Seriell bedeutet „nacheinander“, also nicht parallel. Deshalb sind monoamore Beziehungen grundsätzlich seriell und der Begriff „serielle Monogamie“ ein doppeltes Lottchen bzw. eine Tautologie. Das wird spätestens deutlich, wenn mensch versucht, das Gegenteil davon mit „paralleler Monogamie“ auszudrücken. Es entsteht ein sich gegenseitig ausschließendes Begriffspaar, ein Oxymoron. Die Gegenstücke sind „parallele Polyamorie“ (Tautologie) und „serielle Polyamorie (Oxymoron): wenn ich mehr als einen Menschen gleichzeitig/parallel liebe, kann dies grundsätzlich nicht seriell geschehen.
Schwierigkeiten, die durch Differenzierungen entstehen, worauf sich „seriell“ und „parallel“ genau beziehen (das Gefühl der Liebe, die „gelebte“ Liebe in Form gemeinsam verbrachter Zeit, auf welche Zeitspanne bezogen und aus wessen Sicht) lasse ich der Einfachheit außen vor.
Jedem von uns ist aber klar, was im (emotional) gemeint ist: die verkürzte Dauer von (Liebes)beziehungen auf der Suche nach passenden PartnerInnen. Tempo, Anspruchsdenken und Wohlstand unserer Lebensform bringen es mit sich, dass das Ende von Beziehungen häufiger erlebt wird als früher.
Ich spüre bei vielen Menschen, Bedauern, Trauer oder Schmerz über die Endlichkeit der Liebe und/oder der Beziehung, weil die Sinnverdopplung „seriell“ diese Umstände benennen, anerkennen, vielleicht sogar betonen. Vielfach ist damit auch das Gefühl des persönlichen Scheiterns oder Schuldzuweisungen an sich und/oder andere verbunden Die Ursache dieser Gefühle liegt in unserem Prägungen vom romantischen Liebesideal, nach dem zwei Menschen einander möglichst alles sein sollen und die Liebe am besten über den Tod hinaus währen soll.
Diese Prägungen legen wir in der Regel nicht ab, wenn wir uns für ein polyamores Leben entscheiden, also sind die Werte-Mechanismen die gleichen; in bestimmten Konstellationen können polyamore Beziehungen stabiler sein als monogame, in anderen Konstellationen labiler.
Die Frage ist für mich, wie ich meine "Mechanismen", besser: meine Einstellung an die veränderten Bedingungen im Umgang mit Anderen und mir selbst anpasse, wenn ich erkenne, dass das romantische Liebesideal für mich nicht mehr tragfähig ist.
Wenn ich
- einem Menschen, den ich liebe, nur das geben brauche, was ich geben kann, um geliebt zu sein und mir vom Gegenüber nicht mehr wünsche, als er geben kann oder möchte (würde ich ihn wirklich lieben, wenn ich mir mehr wünsche?) und
- akzeptiere, dass Liebe sich verhält wie ein Lebewesen, das bestimmte Lebensbedingungen braucht, das wachsen, gedeihen, blühen und sterben kann,
dann habe ich viele Möglichkeiten, mit dem Schmerz über das Ende einer Beziehung positiv umgehen: in Liebe loslassen, die Liebe im Herzen weiter leben lassen, die Hoffnung bewahren, dass sie wiederkommt, anerkennen, dass eine Liebe im Herzen ist, aber aktuell nicht gelebt werden kann u.v.m.
Ab diesem Punkt werden für mich Begriffe wie seriell, parallel, mono, poly unwichtig – mir ist wichtig, dass ich lieben durfte und darf und geliebt wurde und werde.
Die Mechanismen sind die gleichen oder nicht – meine eigene Einstellung dazu und meine Handlungen entscheiden, wie es mir und anderen damit geht.
Das ist eine Reife, die
• jedem Mensch die emotionale Freiheit lässt, eine Beziehung zu beenden, wann es sich für IHN richtig anfühlt,
• aber auch den anderen in der Verantwortung dafür belässt, wie er mit einer Trennung umgeht,
• mich nicht von der "Beziehungsarbeitsqualität" anderer abhängig macht sondern die Verantwortung dafür übernimmt, wie ich mit der Situation umgehe,
• die Ursachen/Verantwortung für das Ende von Beziehungen und den damit verbundenen Gefühlen nicht auf andere delegiert, indem ich glaube, Maßstäbe dafür aufstellen zu können, wann es denn "genug" Arbeit war. Jeder Mensch hat seine Geschichte, persönliche Ressourcen, seine eigene Wirklichkeit.
• andere Menschen in ihrer Wirklichkeit mit dem Herzen annehmen kann.
Diese Haltung anerkennt jeden Liebenden in seinem individuellem Sein, lässt ihn frei sein und lässt ihm die Verantwortung für sich und seine Gefühle, ohne dass ich meinen Anteil daran negiere.
Wenn dazu die Bereitschaft kommt, jemanden auch in der Trennung zu begleiten und das Positive zwischen zwei Menschen in der Zeit danach lebbar zu machen, ist das auch eine Form von Liebe - finde ich.
Eine schöne Bescherung wünscht Euch
Tom