Das Ja und das Nein im Kontakt
Dies ist auf den ersten Blick kein Polythema im engeren Sinne, aber wir haben ja in dieser Gruppe einige besonders kompetente Mitglieder, die das ebenso betrifft. Denn es geht um die Verbalisierung unserer Wünsche und Gefühle.Ich meine mit dem Ja oder Nein diesem Kontext die erotischen Nähe-Situationen und denke, dass das im Grunde oft nur ein Unterthema des allgemeinen Kommunikationsverhaltens eines Menschen ist.
Aber schon bei der Festlegung auf erotische Nähe-Situationen fängt das Dilemma bereits an: Was für die eine Seite erotisch gemeint ist, muss es für die andere (je nach Bedürfnislage) noch lange nicht sein, wenn beide auf verschiedenen Frequenzen senden und empfangen oder eine projektionsgetrübte Wahrnehmung vom Gegenüber haben.
Also jetzt mal ganz praktisch und harmlos. Ich erfinde Max, der hat die erfundene Alexa auf einem Polytreff getroffen. Am Ende geht er zu ihr:
Max zu Alexa: lächelnd "Ich würde gern mal mit dir Essen gehen".
Ich lasse bewusst offen, ob Max dabei eigentlich an Sex denkt oder noch nicht an Sex denkt, oder nicht mal im Traum an Sex denkt. Aber vielleicht denkt Alexa an Sex oder glaubt, dass Max eigentlich Sex will.
Alexa könnte jetzt verschieden reagieren, je nachdem, was sie von Max hält oder von ihm möchte oder glaubt / fühlt/ befürchtet/ wünscht, dass er es möchte.
Es entstehen daraus unterschiedliche Möglichkeiten zustimmend oder ablehnend zu reagieren:
Absolute (gilt immer oder zumindest auf absehbare Zeit und sind eindeutig als Ich-Botschaft formuliert):
"Das kommt für mich überhaupt nicht in Frage!"
Relative (gelten zurzeit - bis Montag oder in dieser Stimmung/diesem Kontext, müssten daher erläutert werden, - das unterbleibt aber vielfach)
"Im Moment habe ich wenig Zeit, ein andermal vielleicht."
paradoxe Aussagen (meint nicht wirklich, was er/sie sagt, sondern erwartet das der andere "eigentlich" das Gegenteil tut. Oft ganz schwer zu unterscheiden oder nur anhand der Differenz zwischen Körpersprache und Gesagtem zu identifizieren)
Alexa schnippisch "Naja Max, wenn du dich noch ein bisschen anstrengst, bin ich vielleicht bereit, darüber mal nachzudenken."
Sagt sie, hofft aber, damit hätte sie ihn ausgeknockt, der fragt nie wieder.
opportunistische Aussagen (sagt Ja oder Nein in Abwägung etwaiger
Vor- oder Nachteile, z.B. um nicht aus einem Gruppenkontext zu fallen oder jemanden nicht zu verletzen, ist vom "Empfänger" nicht von authentischen Ja's/Nein's zu unterscheiden, führen aber in der Konsequenz zu problematischen Verstrickungen).
Er ist ja so nett, ich will ihn nicht verletzen, bestimmt will er ja nur ins Bett mit mir, das kann ich mit gar nicht vorstellen, aber ich mag ihn auch nicht brüskieren, ich seh mich einfach vor, und was sollen die anderen denken, er muss ja auch merken, dass ich gar nichts von ihm will... "Danke, ja klar, warum nicht".
unklare Aussagen (Verhält sich abwechselnd wie Ja oder Nein, , geht aber jeglicher Erläuterung aus dem Wege, oft als Ausdruck innerer widersprüchlicher Impulse.)
"Hmm... naja, vielleicht, ruf doch vielleicht mal die nächsten Tage an." Ist überrascht, als er dann tatsächlich anruft, weicht aus, beim nächsten Aufeinandertreffen flirtet sie, als wäre nichts gewesen, denkt aber im Moment noch, "hoffentlich kommt er mir nicht zu nahe".
Interessanterweise merken sich Menschen oft weniger das, was sie wirklich gesagt haben als das, was sie in der Situation gefühlt haben.
Und dementsprechend sind sie davon überzeugt, dass das Ja oder Nein oder wie immer sie es ausgedrückt haben, doch ganz klar bei anderen angekommen sein müsste. Aber wie ist das Signal beim Empfänger der Botschaft wirklich angekommen? Möglicherweise diamentral anders. Und schon fängt das Drama an: "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich .... "
(Nähere Erläuterungen in Paul Watzlawiks "Anleitung zum Unglücklichsein", die Geschichte von Mann, der einen Hammer brauchte fällt mir da gerade ein.)
Eine Frau erzählte mir, dass sie an einem Workshop zum Thema Nein-Sagen teilgenommen hätte.
Dabei wurde gefilmt. Sie war dann überrascht, wie wenig eindeutig sie gewesen ist, obwohl sie vom Gegenteil überzeugt war: "Dieses Nein hätte ich mir selbst auch nicht geglaubt".
Das Beispiel ist ja noch scheinbar harmlos. Schwieriger kann es werden, wenn es um körperliche Nähe geht, je nachdem, welche
Wertigkeit z.B. eine Umarmung für beide hat. Und die kann ganz unterschiedlich sein, so dass dann ganz unterschiedliche Filme ablaufen, ohne dass beiden der Unterschied bewusst ist. Besonders Menschen aus tantrischen oder spirituellen Kreisen umarmen ja oft recht freizügig und können Verwirrungen auslösen, wenn dann weitergehende Wünsche oder Befürchtungen entstehen, zu denen sie sich dann wieder mit einem Ja oder Nein verhalten müssten...
Wer kennt das Dilemma? Wer hat Lösungen gefunden?