HIER MEIN VERSPROCHENER BERICHT
Hallo Allerseits,
seit ich am 17.Februar diesen Thread eröffnet habe ist bei mir so einiges passiert. Ich habe zuletzt geschrieben, dass ich kurz vor einer Entscheidung stand, wie ich mein eigenes Leben nun gestalten soll, diese hat dann aber doch noch gedauert und es hat sich in meinen Augen auch gelohnt.
Ich habe seit dem viel kommuniziert, mit Freunden, mit Bekannten, mit meiner Süßen, dieser wundersamen Frau, die ich nach wie vor Liebe und jetzt sogar immer mehr...anders…
Ich bin nach Mainz zu einem Freund gefahren, hörte mir seine Erfahrungen an, mit seiner zweiten Liebe neben seiner Frau, die er vor 1,5 Jahren hatte. Er hat mir einen entscheidenden Schritt weitergeholfen, später dazu mehr.
Ich habe Sitzungen bei einer sehr netten Therapeutin (eigentlich Sporttherapeutin) besucht,
ich habe Bücher gelesen und diesen Thread hier verfolgt,
ich habe mir Zeit zum Nachdenken und vor allem Zeit gegeben, um tief in mir meine wahren Gefühle hineinzuhören.
Alles war und ist sehr Zeitintensiv,
es war und ist scheiß anstrengend,
es war tränenreich – jetzt geht´s wieder,
es war belastend und befreiend zugleich.
Aber: Es hat sich gelohnt!
Ich bin soweit, meine Süße ist auch soweit und wir konnten sehr entspannt unsere Wünsche, unsere Bedürfnisse unsere gemeinsame Zukunft frei von irgendwelchen Konventionen und Zwängen planen und besprechen.
Nun für euch meine Schritte zum Erfolg.
Diese sind mit Sicherheit keine "Anleitung zum Glücklich sein",
zumal wir Menschen ja glücklicherweise alle anders gestrickt sind und die Probleme in polyamoren Beziehungsgeflechten sehr vielschichtig sind. Ich versuche die wichtigen Dinge zu benennen, ohne zu sehr ins Detail zu gehen.
1. Das ICH-Bewußtsein
Ich habe gelernt, meine Betrachtungsweise zu ändern und nicht immer nach außen zu gucken und zu bewerten: "Sie hat...", "Sie hat nicht...", "Sie ist weg...", "Sie vögelt jetzt mit jemand anderem..."
Das führt nämlich zu innerem Ärger über die Situation, es klingt auch immer nach Schuldzuweisung bei deinem Gegenüber.
Es ist wichtig sich selbst zu betrachten, was fühle
ich dabei?, Was habe
ich dazu beigetragen, dass in ihrem Herzen Freiraum für eine neue Liebe ist?
Was ist das bei
mir für ein Gefühl, wenn
ich alleine bin?
Wann und in welchen Situationen empfinde
ichdiesen Schmerz im Herzen.
Bei dieser Betrachtungsweise, die der Partner ruhig mitbekommen sollte, erreicht man zwei Dinge:
Erstens wird man sich über seine eigenen Gefühle klarer und zweitens sieht der Partner, dass man sich mit der Thematik selbstkritisch auseinandersetzt und signalisiert, dass man bereit ist was an sich und der Beziehung zu ändern ohne Schuldzuweisungen, bzw. dass man für sich selbst auf einem Wege ist, mit der Situation klarzukommen. Der Partner kommt ja nun mal klar damit, sonst würde er sich nicht einen zweiten Liebespartner suchen.
2. Die Ängste sortieren
Bei mir ist es eine Angst vor dem "Alleinsein".
Ich habe diese Ängste, ich habe von irgendwelchen Ereignissen in der Kindheit eine Konditionierung erhalten, die Alleinsein mit Verlustangst und panischer Unkontrolliertheit in Verbindung bringt, fast schon wie ein angeborener Instinkt, der automatisch da ist, unbeeinflussbar.
Die Erkenntnis war wichtig, weil sie nichts mit dem Verhalten des Partners oder mit der Poly-Situation zu tun hat.
Die Angst war auch vorher schon da, ich konnte noch nie gut Alleinsein.
Gut, jeder hat da andere Ängste, wie zum Beispiel "Eifersucht", die ich nun weniger habe oder Neid. Starke Gefühle, die sich auch körperlich in Herzklopfen, gesteigertem Blutdruck, Schlaflosigkeit äußern können. Alle bringe ich in Verbindung mit Ängsten.
Weil:
Wer sagt denn, dass das, was man da gerade fühlt mit der Vokabel "Eifersucht" belegt werden soll? Wir haben da irgendwann in unserem Leben mal gelernt, dass der verspürte Schmerz so heißt, wenn der oder die Geliebte sich einem anderen Partner zuwendet. Das führt dann dazu, genau in dieses antrainierte Verhaltensmuster zu fallen: Aus Eifersucht wird gemordet, geschehen Suizide, wird gelogen und betrogen und der Begriff "Eifersucht" muss als Motiv immer herhalten. Ich glaube eher, dass es eine Angstmischung, ein Angstcocktail ist und dass jeder Cocktail bei jedem Menschen aus anderen Ängsten gemischt ist. Bei dem einen geschüttelt, beim anderen gerührt
Verlustangst, Existenzangst, Angst vor Demütigung, Angst vor dem Alleinsein, Angst zu alt für etwas neues zu sein, Angst vor Veränderung, Angst vor Kränkung, Angst nicht mehr und nie mehr geliebt zu werden und so weiter...
Es kommt darauf an, seine ganz persönlichen Ängste in dieser Situation zu sortieren und dann stellt man fest, dass viele dieser Ängste schon da waren, bevor der Partner sich abgewendet oder neu verliebt hat. Sie haben also primär nichts mit der Situation zu tun, sondern schlummern in uns drin. Um dies zu erkennen und dann auch auf die Ängste zuzugehen und daran zu arbeiten, bedurfte es bei mir der Hilfe einer Therapeutin, da wäre ich alleine nie drauf gekommen.
3. Die Art, Ängste und Gefühle zu kommunizieren
Irgendwie muss man es dann schaffen, die sortierten, das heißt die Ängste, die direkt mit der Situation zusammenhängen dem Partner mitzuteilen. Als eigene Angst! Es ist ein Unterschied, ob man dem Partner sagt: "Ich habe Angst, dass
du dir eine Krankheit holst und mich dann ansteckst"
oder ob man sagt:
Ich habe Angst vor einer Infektion.
Bei der zweiten Variante ist der Partner nämlich am Zug, aktiv auf
deine Gefühle zu reagieren, während er bei der ersten Variante antwortet: "glaub mir Schatz, mir passiert schon nichts.."
4. Lösungsansatz: Kommunikation mit deinen Nächsten
Mein Lösungsansatz ist die Kommunikation. Eine Anleitung zur Kommunikation kann ich hier nicht geben, bei mir ist es halt so, dass ich meine Süße immer totlaber und sie eigentlich überhaupt nicht reden will.
Ich musste ihr erst mal klarmachen, dass dies mein einziger Lösungsweg ist und dass sie das gefälligst zu akzeptieren hat. So wurde sie zum Zuhören und zur Kommunikation ein Stück weit gezwungen. Ich habe im Gegenzug versucht mich kurz zu fassen. Bei den meisten Paaren, die ich kenne, ist das Geschlechterverhalten andersrum, da labern die Frauen die Männer dusselig.
Ich habe also ein Problem, es ist erst mal das eigene Problem und nicht „der oder die Andere“ ist das Problem.
Zuerst gehe ich dann auf den Menschen zu, der Augenscheinlich nicht der Verursacher, aber der Auslöser meiner Probleme ist:
Ich habe mich mit „Ihm“ getroffen, ich habe ihn ein bisschen kennen und einschätzen gelernt. Auch er kocht Nudeln in Wasser und ich habe festgestellt, dass er zwar völlig anders, jedoch auch nicht sooooo was Besonderes ist. Er ist kein „Nicolas Cage“, den meine Süße so toll findet, er ist ein Typ mit Ecken und Kanten. Er hat Ticks und ein Zuhause und einen Job und Hobbys und geht seinem polyamoren Leben nach. Nein, ich muss ihn nicht mögen! Ich muss ihn aber in gewisser Weise akzeptieren. Ich respektiere die Liebe meiner Süßen zu ihm und rede mit ihm, alleine und zu dritt. Wir treffen Vereinbarungen und setzen Regeln fest, wie z.B. dass wir uns sofort gegenseitig kontaktieren, wenn irgendein Unmut oder Ärger dem Anderen gegenüber hochkocht, oder wie oft übernachtet sie in der Woche bei ihm und so weiter. Wichtig ist, dass die Regeln für alle beteiligten gleichermaßen gelten müssen. Wir beziehen seine zweite Frau in die Gespräche mit ein, weil ihre Bedürfnisse und Wünsche ebenfalls gleichwertig gelten sollen. Das hilft den Alltag zu organisieren.
Ich habe dann festgestellt, dass frisch verliebte Menschen im Alltag ein wenig ihre Empathiefähigkeit verlieren. Oftmals muss man dann mit dem Zaunpfahl winken und andere Dinge tun, um gehört oder verstanden zu werden. Man sagt ja nicht umsonst „blind, vor Liebe“.
4. Lösungsansatz: Kommunikation mit deinen Freunden
Was sagen bloß die engsten Freunde dazu?
Wir haben wenige, aber gute Freunde. Ich mache es kurz:
Freunde müssen das leider aushalten, wenn nicht, dann stellst du ganz schnell fest, dass es keine richtigen Freunde sind. Ein guter Freund oder eine gute Freundin muss auch andere Dinge aushalten, wie zum Beispiel Erkrankungen, Scheidungen, Tod von Familienangehörigen, was ist dagegen schon eine weitere Liebe eines Freundes? Also: Wartet nicht so lange, habt keine Bedenken, Freunde müssen das ja nicht bis ins letzte gut heißen, was man macht, man bekommt aber sehr gute Tipps und eine Sichtweise von „außen“.
Einen entscheidenden Schritt hat mich ein Freund aus Mainz weitergebracht: Wie bereits Anfangs erwähnt, hatte er vor anderthalb Jahren neben seiner Frau und zwei Kindern eine Freundin, in die er sich verliebt hat. Ihm schwebte eine polyamore Gemeinschaft vor, er wollte sie am liebsten bei sich zu Hause einziehen lassen. Seine Frau konnte sich das Leben nicht so vorstellen und die Liebe zu seiner Freundin war nach einiger Zeit verflogen. Meine wichtigste Frage an ihn war: „Wie hast du es geschafft, zwei Frauen gleichzeitig zu lieben, wie kam deine Frau und deine Freundin damit klar, dass du deine Liebe aufteilst?
Er sah mich verständnislos an, er überlegte und antwortete ganz deutlich und klar: „Ich teile meine Liebe doch nicht. Es gibt nicht die „eine“ Liebe. Wenn man einen Menschen liebt, dann liebt man ihn ganz. Wenn man einen zweiten Menschen liebt, dann liebt man ihn ebenfalls ganz.“
Ich habe meine Süße zu Hause dann genau diese Frage gestellt: „Wie teilst du deine Liebe zwischen mir und deinem neuen Freund?“ auch sie schaute verständnislos und gab mir nahezu die gleiche Antwort.
Ich habe gelernt, dass man liebe nicht teilt, bedeutet für mich, dass meine Süße den Anteil der Liebe für mich überhaupt nicht reduziert hat.
Man teilt höchstens die gemeinsame Zeit, bzw. Freizeit.
Es ist also Neid auf die Zeit, die sie mit Ihm verbringt?
Nein, kann auch nicht sein. Ich habe in den letzten beiden Monaten so intensive Zeit mit ihr verbracht, wie zuvor jahrelang nicht. Zeit, die nun wirklich genutzt wird, wir haben kaum Ferngesehen, wir haben super Gespräche geführt, es sind auch viele Tränen geflossen, wir haben beide viel über uns selber und über den Partner gelernt.
4. Lösungsansatz: Akzeptanz
Fakten:
1. Sie (A) hat eine neue Liebe (B)
2. Beide haben reichlich Sex miteinander, der beide ziemlich ausfüllt.
3. (A) und (B)verlieren die Lust am Sex mit den bisherigen Partnern
4. (A) kommuniziert ihre Haltung dazu klar mit mir: „vorerst kein Sex, weil keine Lust, ich bin Partner NR.1, den sie weiterhin lieben wird, zusammenleben gewünscht.
5. (A) und (B) haben mehr Bock aufeinander als auf die bisherigen Partner
Ich habe nun folgende Möglichkeiten:
1. So lange zu werben, bis die Lust wieder aufflammt
2. Die Situation so wie sie ist akzeptieren und einen anderen Sexpartner suchen
Für Punkt 1. (werben) sehe ich im Moment keine Chance.
Wie und womit soll ich denn auch für mich werben. Dass ich ein „guter“ Mensch bin, dass weiß sie. Dass unser Sex in den letzten Jahren nicht so toll war, das wissen wir beide.
Soll ich jetzt abfragen, wie der neue Sexpartner sie befriedigt? Was genau anders bei ihm ist? Wenn ich es dann weiß, soll ich ihn dann nachäffen? Ich könnte genau dieselben Dinge sagen wie er, ich könnte genau dieselben Bewegungen und Handlungen durchführen wie er, es wäre nicht dasselbe.
Zu Punkt 2. (Akzeptanz):
Es ist schwierig zu akzeptieren, dass man quasi in Punkto Sex ausgemustert ist, für die anderen Belange aber anscheinend noch gebraucht wird.
Man fühlt sich zurückgesetzt, ausgegrenzt und leer.
Ich habe Sie gefragt: „War denn unser Sex in den letzten 14 Jahren soooo schlecht?“ Sie antwortete: „Nein, in den ersten 5 Jahren war alles prima“
Na, super, hab ich mir gedacht !!!
Heißt ja mit anderen Worten, dass wir 9 Jahre Sex hatten, der ihr keinen so großen Spaß gemacht hat. Sie antwortete mit „Ja“
Das ist bitter, denn ihre Orgasmen waren echt!
Der Sex hatte aber nicht mehr den Reiz, das Herzklopfen, die Spannung fehlte, es war für sie zu einer Pflichtveranstaltung geworden. Ich habe für meinen Teil versäumt, genau hinzuschauen, es gab Signale, es gab Hinweise. Sie hat nicht deutlich genug signalisiert, über Jahre hinweg haben wir diese Situation einfach so hingenommen, ohne was zu ändern.
Das kann man nicht so einfach reparieren!
OK, kommen wir nochmal zum Thema „Akzeptanz“:
Ich muss akzeptieren, dass ich nicht der „richtige“ Sexualpartner meiner Lebensgefährtin bin und in den letzten Jahren auch nicht war und gegebenenfalls nie mehr sein werde!
Ich muss akzeptieren, dass Sie ein eigenes Leben mit Ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen hat, die ich nur zu einem Teil befriedigen kann.
Ich muss akzeptieren, dass ich, in Hinsicht auf die konsequente Umsetzung eines idealen Lebensmodells, so ziemlich alles versäumt habe, während sie wesentlich straighter ihr Ding durchzieht, als ich es je von ihr vermutet hätte.
Ich muss die Situation jetzt so akzeptieren.
Wenn ich es jetzt noch schaffe, die in den letzten 10 Zeilen gesetzten „muss“ in ein „will“ umzuwandeln, dann geht es mir demnächst noch besser als jetzt
4. Lösungsansatz: Freiheit
Was hält mich fest?
Warum fühle ich mich nicht frei?
Warum mache ich nichts, aus meiner neu gewonnenen Freiheit?
Ich kann, unabhängig von meiner Partnerin meine Freizeit planen und ausleben,
ich kann mit jedem, der mich auch will, Sex haben,
ich kann alleine in Urlaub fahren
ich kann schöne Zeit auch mit ihr verbringen
Ich wollte immer so ein freies Leben,
jetzt ist es da und es ist trotzdem schwer im Alltag….
Ich werde es lernen!
Fortsetzung folgt, vielleicht in einer Woche, vielleicht schreibe ich auch später mal ein Buch darüber, das dauert jedoch noch was
Seit gegrüßt und fühlt euch gedrückt, ihr poly- und mono- und unentschlossen- amoren Menschen, Hauptsache ihr verliert eure Liebe zu euch selbst nicht.
Michael