@ Yoyo_Willy
Nur in diese alten Muster zu verfallen hat doch im Grunde nichts mit Poly zu tun.
Eben! Warum muss man dann so tun, als sei man "poly"? Wozu ein Etikett und all die Hirnerei?
Wir sind alle "nur" Menschen mit mehr oder weniger Defiziten, Ängsten, Nöten, Problemen, behindernden Mustern, Bedürfnissen und Sehnsüchten. Müssen wir uns deshalb gleich ein Schild umhängen: "Ich bin poly" (oder was auch immer)?
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Völlig unabhängig voneinander habe ich (zufällig?) drei Mal in den letzten Wochen erlebt, in welchen ein angebliches (?) Poly-Paar in erhebliche Konflikte "geschlittert" ist. Und in allen drei Fällen hatten sie letztlich die Konflikte selbst völlig unnötig verursacht: Sie stellen sich selbst nämlich nach außen, also gegenüber anderen, als Paar dar, das "polyamor lebt". Sie laden z. B. Dritte ein. Diese gehen dann logischerweise davon aus, dass sie wirklich ein Poly-Paar besuchen - und in allen drei Fällern stellt sich heraus, dass einer der beiden Polys (zwei Mal die Frau, einmal der Mann) im Grunde mit jedem zweiten oder weiteren Partner des jeweils "eigenen Partners" Probleme hat und mit keinem Dritten wirklich richtig klarkommt. Also nicht nur in diesem Fall, sondern bisher in jedem!
Vielleicht verständlich, denn was meinem Partner an mir fehlen mag, das fasziniert ihn vielleicht an anderen. Bin ich z. B. ein eher kühler und herb bzw. spröde wirkender Mann, der andere ist aber lebendig und voller Lebensfreude, dann macht es mir möglicherweise Angst, dass meine Partnerin sich ausgerechnet in den verlieben könnte und mit dem was anfangen will. Logisch. Aber das kann ich doch von vornherein sagen. Oder nicht?
In allen Fällen wurde übrigens fast "verzweifelt" - gegen sich selbst - versucht, dem Partner den Sex mit der dritten Person zu gönnen, obwohl man selbst eigentlich damit gar nicht zurechtkam (sicher mit den allerbesten Absichten) und es anschließend endlos lange Diskussionen gab und alles bis ins kleinste Detail zerredet wurde.
Und alle drei, die also noch überhaupt nicht damit umgehen konnten oder wollten, dass ihr Partner auch andere hat, haben sich dennoch als Polys bezeichnet, als frei von Neid und Eifersucht usw.!
Und ich frage mich, wie ich finde berechtigt: Ist das nun eine narzisstische Erhöhung von sich selbst? Ein falsches Selbstbild? Oder eine Show, die vor anderen abgezogen wird? Oder will ich mich mit diesem noch falschen Etikett selbst anspornen? Warum können sie nicht einfach nur sagen: "Ich will zwar gerne poly leben, aber ich kann es noch nicht. Also bitte lass die Finger von meinem Partner, bis ich damit klakomme!"?
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Ich wiederhole mich noch einmal, liebe Yoyo (denn ich spiele hier sozusagen ein Stück weit den "Anwalt" für den Beitrag von MondZeit, auch wenn ich dabei so einiges anspreche, das auch mich beschäftigt:
"Erkennen heisst nicht zerlegen, auch nicht erklären. Es heisst, Zugang zur Schau finden. Aber um zu schauen, muss man erst teilnehmen. Das ist eine harte Lehre." (Saint-Exupery)
Man muss wohl versuchen, poly zu leben, um manches zu erkennen, auch all das, woran es bei einem selbst noch hakt. Aber man muss deshalb nicht so tun, als sei man schon poly und andere damit in die Irre führen. Ich halte das für acht- und respektlos gegenüber den anderen.
Und, so sehe ich das, man kann und darf dazu stehen, dass man erst in diese Lehre geht und noch lange nicht fertig ist damit (falls man überhaupt jemals damit fertig sein kann), dass man zwar gerne poly wäre, es aber leider noch nicht ist!
Mich erinnert das fatal an all diese Eso-Jünger, die ein- oder zweimal bei einem Tantra-Seminar dabei waren und nun behaupten, sie seien Tantramasseure oder hätten das Wesen des Tantrismus verstanden und seien jetzt selbst Tantrika. Das sind sie eben nicht.
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Und auch wenn es manchmal kaum vorstellbar ist, YOYO liebt sich so wie sie ist. Mit all ihren Maken, egal ob anerzogen, entwickelt oder genetisch.
Und das ist auch gut so, liebe Yoyo - aber nach meiner Meinung noch lange kein Grund, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen und nicht mehr an sich zu arbeiten, sich weiter zu vervollkommnen etc.!
Ohne Selbstliebe ist meines Erachtens ohnehin kein wirkliches Lieben möglich. Sich selbst aber so zu akzeptieren und zu mögen, wie man nun mal gerade ist, bedeutet auch zu wissen, wo es noch hakt und wo es manches zu verbessern gäbe. Und dazu darf man stehen, das sollte man Außenstehenden gegenüber sogar betonen, die sich in einen verlieben könnten: "Hör mal, ich merke, dass ich mich in dich verliebe und du dich in mich. Ich hab aber eine Partnerin, die damit überhaupt nicht klarkommt. Was machen wir denn nun?" Man muss also niemanden "ins offene Messer rennen lassen". Doch wem schreibe ich das - Du bist da sicherlich der gleichen Ansicht wie ich.
Und da geraten wir prompt wieder in ein anderes Thema und in diesen interessanten Thread von Felixx:
Polyamory: Beziehungsmuster
(Der Antaghar)