Polyamorie ist bescheuert (?)
Unter diesem Titel postet eine gute Bekannte in ihrem Blog einen ausführlichen Beitrag:Ich bin nicht polyamor – Polyamorie ist bescheuert!
Ich sage das, obwohl ich in meinem ganzen Leben noch nie in einer monogamen Beziehung gelebt habe. Ich war lange Single, weil ich überzeugt davon war (und bin), dass es moralisch falsch ist, einem geliebten Menschen vorzugeben, mit wem er welche Art von Beziehung aufbauen oder pflegen darf, mit wem er glücklich sein, an wen er denken, mit wem er schlafen oder wen er lieben darf. Ich habe nicht das Recht, dahingehend Zwang auf einen anderen Menschen auszuüben und seine Freiheit diesbezüglich einzuschränken – egal in welcher Beziehung ich selbst zu ihm stehe. Ich räume dieses Recht auch niemandem ein.
Irgendwann, es muß so um 2006 rum gewesen sein, erklärte mir jemand, diese Denke nenne man “polyamor”. Im Unterschied zu “normalen” offenen Beziehungen, wo sich die Partner extern lediglich sexuelle Kontakte ohne Gefühlsregungen erlauben, wäre es bei den Polys auch okay, wenn sie sich fremdverlieben. Klingt vernünftig, dacht ich, schließlich kann man ja vorher nie wissen, in welche Richtung sich eine Beziehung zu einem Menschen entwickelt und warum sollte ich mich zwingen, präventiv meine Empfindungen zu regulieren und dieser Entwicklung keinen freien Lauf lassen? Er interviewte mich für das Buch, an dem er gerade schrieb (welches heute unter dem Titel “Wenn man mehr als einen liebt” [Link] zu erwerben ist). Seitdem hat sich das Wort “Polyamorie” in meine Wade verbissen, es verfolgt mich, wohin ich auch gehe, was ich auch sehe und lese. Scheint gerade irgendwie “in” zu sein. Ich durfte sogar zweimal in Fernsehsendungen, die im Titel irgendwas mit “Polyamorie” zu stehen hatten, über meine Beziehung sprechen. Toll!
Allerdings war ich dem Wort “Polyamorie” gegenüber auch schon immer etwas skepisch und verwendete für mich und meine eigene Situation weiterhin den Begriff “offene Beziehung”. Schließlich lag für mich der Hauptaspekt meiner Überlegungen nicht in der Möglichkeit, mehrere Leute lieben zu dürfen, sondern in der Freiheit und Offenheit Beziehungen, egal welcher Art, zu anderen Menschen zu definieren und auszuleben. Dazu gehört für mich auch ganz klar die Möglichkeit, frei und offen über Beziehungen nachzudenken und nicht gezwungen zu sein, sie in vorgefertigte Schubladen einpassen zu müssen, nicht im Vorfeld entscheiden zu müssen, in welcher Form man eine neue Beziehung gestaltet oder ausleben kann, darf oder muß. “Polyamor” ist eine Schublade. Der Begriff beschränkt unsere Freiheit, genau wie das Begriffe wie “platonische Freundschaft”, “Single”, “Ehe”, “Swinger” oder “Affaire” tun. Und zwar weil wir aufhören, andere Möglichkeiten zu denken und zu leben, weil wir uns auf vermeintliche Übereinkünfte verlassen und dadurch verallgemeinern, wo Differenzierung so viel sinnvoller wäre.
Ich bin einmal mit einer Freundin meines Freundes ziemlich heftig aneinandergeraten deswegen. Sie warf mir vor, darüber gelogen zu haben, polyamor zu sein. Schließlich hätte mein Freund vor ihr nie eine Bettfreundin gehabt, die nicht auch meine Bettfreundin gewesen sei. In polyamoren Beziehungen sei das aber normalerweise so, dass die Partner der Partner nicht zugleich die Partner der Partner seien. (Na mitgekommen?) Im Gegenzug warf ich ihr vor, an diese Sache ziemlich unreflektiert heranzugehen. Schließlich sei völlig unklar, was “normal” in einem nicht normalen, d.h. nicht dem Mainstreamkonzept entsprechenden Beziehungsmodell überhaupt zu bedeuten hätte.
Genau deshalb war für mich das oberste Gebot in einer offenen Beziehung immer Kommunikation. Gerade über das, was nicht der Norm entspricht, muß gesprochen werden. Ich muß mit meinen Partnern, Freunden, Bekannten, Familienmitgliedern und allen anderen Menschen, zu denen ich in irgendeiner Beziehung stehe, klären, was ich möchte und was nicht, was mir gefällt und was nicht, was ich mir erhoffe, was ich mir erwarte und wie weit ich mich öffnen möchte oder kann – und zwar nicht allgemeingültig einmal für alle aktuellen und zukünftigen Beziehungen, sondern individuell mit jedem einzelnen Partner und in jeder Entwicklungsphase unserer Beziehung erneut. (Ich glaube auch nicht an Beziehungsstatus, Beziehungen sind nicht statisch.) Sich auf einen Begriff wie “Polyamorie” festzulegen und davon ausgehen, dass schon jeder dasselbe darunter verstehen wird, ist ebenso geistige Freiheitsberaubung, wie ihn unbedingt definitorisch festzurren zu wollen.
Da genau das im Zuge der Popularisierung des polyamoren Konzepts aber versucht wird, entfremde ich mich dem Begriff immer mehr. Mein Ideal war und ist Offenheit. Ich möchte mich nicht darauf festlegen, komme-was-wolle mehrere Liebesbeziehungen gleichzeitig zu führen oder alle Menschen, die ich vögel, unweigerlich lieben zu müssen. Ich möchte auch nicht alle Menschen, die ich liebe, vögeln müssen oder darauf achten, dass mein Freund und ich nicht dieselben Menschen lieben oder vögeln, nur damit unsere Beziehung der polyamoren Norm entspricht und sich niemand betrogen fühlt. Fuck Polyamory!
Ich bin nicht polyamor – Polyamorie ist bescheuert!
Ich sage das, obwohl ich in meinem ganzen Leben noch nie in einer monogamen Beziehung gelebt habe. Ich war lange Single, weil ich überzeugt davon war (und bin), dass es moralisch falsch ist, einem geliebten Menschen vorzugeben, mit wem er welche Art von Beziehung aufbauen oder pflegen darf, mit wem er glücklich sein, an wen er denken, mit wem er schlafen oder wen er lieben darf. Ich habe nicht das Recht, dahingehend Zwang auf einen anderen Menschen auszuüben und seine Freiheit diesbezüglich einzuschränken – egal in welcher Beziehung ich selbst zu ihm stehe. Ich räume dieses Recht auch niemandem ein.
Irgendwann, es muß so um 2006 rum gewesen sein, erklärte mir jemand, diese Denke nenne man “polyamor”. Im Unterschied zu “normalen” offenen Beziehungen, wo sich die Partner extern lediglich sexuelle Kontakte ohne Gefühlsregungen erlauben, wäre es bei den Polys auch okay, wenn sie sich fremdverlieben. Klingt vernünftig, dacht ich, schließlich kann man ja vorher nie wissen, in welche Richtung sich eine Beziehung zu einem Menschen entwickelt und warum sollte ich mich zwingen, präventiv meine Empfindungen zu regulieren und dieser Entwicklung keinen freien Lauf lassen? Er interviewte mich für das Buch, an dem er gerade schrieb (welches heute unter dem Titel “Wenn man mehr als einen liebt” [Link] zu erwerben ist). Seitdem hat sich das Wort “Polyamorie” in meine Wade verbissen, es verfolgt mich, wohin ich auch gehe, was ich auch sehe und lese. Scheint gerade irgendwie “in” zu sein. Ich durfte sogar zweimal in Fernsehsendungen, die im Titel irgendwas mit “Polyamorie” zu stehen hatten, über meine Beziehung sprechen. Toll!
Allerdings war ich dem Wort “Polyamorie” gegenüber auch schon immer etwas skepisch und verwendete für mich und meine eigene Situation weiterhin den Begriff “offene Beziehung”. Schließlich lag für mich der Hauptaspekt meiner Überlegungen nicht in der Möglichkeit, mehrere Leute lieben zu dürfen, sondern in der Freiheit und Offenheit Beziehungen, egal welcher Art, zu anderen Menschen zu definieren und auszuleben. Dazu gehört für mich auch ganz klar die Möglichkeit, frei und offen über Beziehungen nachzudenken und nicht gezwungen zu sein, sie in vorgefertigte Schubladen einpassen zu müssen, nicht im Vorfeld entscheiden zu müssen, in welcher Form man eine neue Beziehung gestaltet oder ausleben kann, darf oder muß. “Polyamor” ist eine Schublade. Der Begriff beschränkt unsere Freiheit, genau wie das Begriffe wie “platonische Freundschaft”, “Single”, “Ehe”, “Swinger” oder “Affaire” tun. Und zwar weil wir aufhören, andere Möglichkeiten zu denken und zu leben, weil wir uns auf vermeintliche Übereinkünfte verlassen und dadurch verallgemeinern, wo Differenzierung so viel sinnvoller wäre.
Ich bin einmal mit einer Freundin meines Freundes ziemlich heftig aneinandergeraten deswegen. Sie warf mir vor, darüber gelogen zu haben, polyamor zu sein. Schließlich hätte mein Freund vor ihr nie eine Bettfreundin gehabt, die nicht auch meine Bettfreundin gewesen sei. In polyamoren Beziehungen sei das aber normalerweise so, dass die Partner der Partner nicht zugleich die Partner der Partner seien. (Na mitgekommen?) Im Gegenzug warf ich ihr vor, an diese Sache ziemlich unreflektiert heranzugehen. Schließlich sei völlig unklar, was “normal” in einem nicht normalen, d.h. nicht dem Mainstreamkonzept entsprechenden Beziehungsmodell überhaupt zu bedeuten hätte.
Genau deshalb war für mich das oberste Gebot in einer offenen Beziehung immer Kommunikation. Gerade über das, was nicht der Norm entspricht, muß gesprochen werden. Ich muß mit meinen Partnern, Freunden, Bekannten, Familienmitgliedern und allen anderen Menschen, zu denen ich in irgendeiner Beziehung stehe, klären, was ich möchte und was nicht, was mir gefällt und was nicht, was ich mir erhoffe, was ich mir erwarte und wie weit ich mich öffnen möchte oder kann – und zwar nicht allgemeingültig einmal für alle aktuellen und zukünftigen Beziehungen, sondern individuell mit jedem einzelnen Partner und in jeder Entwicklungsphase unserer Beziehung erneut. (Ich glaube auch nicht an Beziehungsstatus, Beziehungen sind nicht statisch.) Sich auf einen Begriff wie “Polyamorie” festzulegen und davon ausgehen, dass schon jeder dasselbe darunter verstehen wird, ist ebenso geistige Freiheitsberaubung, wie ihn unbedingt definitorisch festzurren zu wollen.
Da genau das im Zuge der Popularisierung des polyamoren Konzepts aber versucht wird, entfremde ich mich dem Begriff immer mehr. Mein Ideal war und ist Offenheit. Ich möchte mich nicht darauf festlegen, komme-was-wolle mehrere Liebesbeziehungen gleichzeitig zu führen oder alle Menschen, die ich vögel, unweigerlich lieben zu müssen. Ich möchte auch nicht alle Menschen, die ich liebe, vögeln müssen oder darauf achten, dass mein Freund und ich nicht dieselben Menschen lieben oder vögeln, nur damit unsere Beziehung der polyamoren Norm entspricht und sich niemand betrogen fühlt. Fuck Polyamory!
Ich bin nicht polyamor – Polyamorie ist bescheuert!
Quelle: http://abgedichtet.org
Nachdem ich mir ihr OK geholt habe,
"das kannst du gerne machen, egal in welcher Form. Du weißt doch,
dass ich die Rede- und Meinungsfreiheit schätze und wenn ich keine
Diskussion wollte, würde ich nicht öffentlich zu dem Thema mit
freigeschalteter Kommentarfunktion bloggen, oder? "
lade ich dazu ein, die Diskussion dazu nicht hier, sondern dort zu führen. Allgemeine Anmerkungen sind natürlich auch hier erwünscht.
Ich hatte dort schon einiges geschrieben.