"Beziehungsarbeit"
Natürlich kann man auch das, was man tagtäglich in einer Beziehung aus Liebe zum Partner macht, als Arbeit bezeichnen.
Ich höre den Begriff "Beziehungsarbeit" aber fast immer nur in dem Zusammenhang: "... dann
müsst ihr mehr an eurer Beziehung
arbeiten.", wenn es in einer Beziehung nicht mehr "rund läuft".
Noch einmal mit Nachdruck: Nicht ich sage das so - ich höre es nur sehr oft so, in diesem Zusammenhang.
Ich hab jetzt mal bei Wikipedia nachgesehen - das ist ja so ein Gradmesser für "allgemeine Begriffsverständnisse":
Beziehungsarbeit bezeichnet ein Vorgehen in zwischenmenschlichen Beziehungen, in dem von den Beteiligten bewusst versucht wird, ihr Verhalten gegenüber dem jeweils anderen zu hinterfragen und im Sinne einer positiven Gestaltung der Beziehung veränderbar zu halten. Sie hat das Ziel, Vertrauen zu ermöglichen, größere Abstimmung (sachlich / emotional) und offeneren Austausch zu erreichen.
Beziehungsarbeit bedeutet, gezielt auf einen Menschen zuzugehen, etwas gemeinsam mit ihm zu erleben, persönliche Berührungspunkte herzustellen oder andere in der Beziehungsbildung anzuleiten. ...
Die mich "störenden" Termini habe ich mal fett hervorgehoben.
In einer LIEBES-Beziehung will und muss ich nicht
bewusst mein Verhalten gegenüber meinem Partner hinterfragen und damit positiv gestalten - wenn das nicht automatisch passiert, ist es für mich keine Liebe. Ich will und muss in einer LIEBES-Beziehung keine
Berührungspunkte gezielt herstellen - die sind da.
Weiter heißt es dann fast schon nebensächlich:
... Beziehungsarbeit kann auch das Hinterfragen eigener Verhaltensmuster sowie von "Motivationen" für bestimmte Verhaltensweisen dem anderen gegenüber beinhalten.
Das Hinterfragen eigener Verhaltensmuster (Selbstreflexion) wäre für mich ein Aspekt, den ich als bewusste und gezielte Einflussnahme akzeptiere - aber das ist eher "Arbeit an mir" als "Arbeit an der Beziehung".
Vielleicht daher insgesamt meine Ablehnung für diesen Begriff. Und dein "ich arbeite an einer beziehung WEIL ich liebe! WEIL sie es wert ist
dafür zu kämpfen!" schlägt genau in diese Kerbe.
Kampf heißt doch, Widerstand zu überwinden - etwas gegen den normalen Lauf der Dinge durchsetzen. Nun, wer das in Beziehungsdingen mag, soll es tun. Mir widerstrebt das vom Prinzip her.
ich denke hier gibt es das eigentliche misverständnis:
für mich gibt es einen ganz einfachen unterschied darin, an mir selbst zu arbeiten oder an einer beziehung zu arbeiten: an mir selbst arbeite ich aus dem einfachen grund heraus, dass mir etwas an mir nicht gefällt, oder dass es schlicht eine notwendigkeit dazu gibt. ...
Habe ich nicht das Gleiche geschrieben?
... an einer beziehung arbeite ich aber nicht im stillen für mich (so liest sich das nämlich bei dir), sondern in allererster linie indem ich mit meinem partner REDE! und bei diesem reden überlegt man GEMEINSAM, was man tun kann um der beziehung ein wenig schung wieder zu geben! sicher: in grenzen geht sowas auch einseitig und ohne gegenseitige kommunikation. meistens führt das meiner erfahrung nach aber zu misverständnissen und frustration, weil der eine teil nicht weiß warum der andere auf einmal dies oder jenes tut (viell ja nur aus schlechtem gewissen heraus? was ist denn da wohl schlimmes passiert...? etc...), und weil der andere part sich denkt "hey, da tu ich schon dies und jenes, und sonstiges auch noch, aber mein partner scheint es gar nicht wahrzunehmen, es wird nicht honoriert!" das wäre dann das extrembeispiel von aneinandervorbei "gearbeitet"...
Ich weiß ja nicht, wie aufmerksam du schon wie viele Texte hier von mir gelesen hast. Anscheinend nicht viele, sonst würdest du wohl nicht zu dieser Schlussfolgerung kommen.
Offene und aufrichtige Kommunikation sind für mich das A und O jeder Beziehung (nicht nur polyamorer). Aber das ist keine Arbeit (für mich), dass ist mir ein Grundbedürfnis.
bei dir lese ich nur negative "to do's" in diesem zusammenhang - hast du da echt so schlechte erfahrungen gemacht?
Das waren keine "to do's", sondern Fragen, worin denn diese "Arbeit" bestehen soll.
Nein, schlechte Erfahrungen habe ich damit nicht gemacht - oder doch?
Ja, auch ich habe eine Zeit lang versucht, gezielt die Ehe mit meiner Frau zu entlasten, Probleme von ihr fern zu halten und allein zu lösen - um so ein entspanntes Miteinander zu ermöglichen. Das war "Arbeit", aber ich tat es in der Hoffnung, unsere Beziehung, unsere Liebe damit zu retten. Und "Ja" - es ging nach hinten los.
Danach habe ich einfach gelebt und geliebt - und offen mit meiner Frau kommuniziert. Und siehe da: Wir hatten wieder die Freiheit, unsere Gemeinsamkeiten zu entdecken und in individueller Entfaltung unsere Liebe zu leben.
Und es bleibt immer noch meine Hauotkritik:
... der fast immer damit verbundene Schluss: "Wenn eine Beziehung kriselt, muss man eben intensiver an ihr arbeiten" und in der Folge daraus: "Wenn eine Beziehung in die Brüche geht, wurde zu wenig an ihr gearbeitet".
ich weiß ja nicht, woher du diese seltsame ansicht hast, aber diesen trugschluss von dir habe ich schonmal hier kommentiert:
das hab ich auch nicht behauptet! man kann nunmal nicht jede aussage einfach umdrehen und sie damit widerlegen. die beziehungsarbeit führt natürlich nicht automatisch dazu, dass die beziehung auch hält! aber umgekehrt (nämlich so wie ich es geschrieben habe) wird durchaus ein schuh draus: wenn ich will, dass die beziehung (dauerhaft) hält, muss ich in aller regel daran / dafür arbeiten!
Muss eine Beziehung dauerhaft halten?
Und letztlich klingt auch bei dir wieder an: Hält die Beziehung nicht, wurde wohl "in aller Regel" zu wenig daran / dafür gearbeitet.
OK, als "Beziehung allgemein" kann es sinnvoll sein, an einer Beziehung festzuhalten und dann auch daran zu arbeiten.
Aber eine LIEBES-Beziehung - da will
ich, dass sie so lange hält wie die Liebe. Und die Liebe möge möglichst lange halten - dafür kann man vielleicht auch etwas tun, aber eigentlich kann man dafür eher etwas unterlassen. Nämlich alles, was die Liebe zerstören kann.
Und Liebe kann man sich (bei meinem Verständnis von Liebe) nicht "erarbeiten".