Weg aus dem Peter-Chaos?
Wie die TE spreche auch ich aus Erfahrung und (Selbst)Erkenntnis und natürlich nur für mich und ohne Absicht, Irgendwen oder -was anzugreifen, abzuwerten usw...
Seitenweise könnte ich intellektuelle Analysen zum Thema und Euren Beiträgen anstellen, aber ich schreibe überwiegend von
meinem Gefühl - auch wenn das wieder sehr analytisch rüberkommen wird
-, weil Intellektualität mir aus
konstruktivistischen Gründen nicht geeignet erscheint, das Thema im Kern zu erschließen.
Zu einigen Beiträgen spüre ich in besonderem Maße Resonanz. Bitte seht mir nach, dass ich sie nicht zitiere - mein Beitrag soll halbwegs überschaubar bleiben.
Als Menschen besitzen wir die Fähigkeit zur Unter- und Entscheidung und damit zur Schuld, und mit jeder Entscheidung könnten wir "schuldig" werden. Damit müssen wir leben. Unsere Entscheidungen ergeben sich aus unseren Wünschen, Vorstellungen und Zielen.
Hierarchie, Komptetenz, Erfolg und ihre Umkehrungen sind Begriffe als Ausdruck dieser Fähigkeit. Meine Frage ist immer wieder: in Bezug worauf genau und: Wer definiert den Maßstab für Bewertung und Entscheidung?
Die Frage ist rhetorisch: wir sind mehr oder weniger verbunden mit anderen Menschen, Gesellschaft und Moral, aber leben und entscheiden müssen wir letztlich alleine, weil wir (Willens)Freiheit und Entscheidungsfähigkeit haben, wenn wir bereit sind, die Konsequenzen zu tragen. Kompromisse führen leicht zu Verlierern auf allen Seiten, wenn sie Zugeständnisse enthalten, die nicht von aufrichtigem, positiven Gefühl getragen sind.
Wie entscheiden wir? Mit Kopf, Bauch, Herz? Meine Art zu lieben und die daraus abgeleitete Beziehungsform ist eine Herzensentscheidung. Also etwas, das mit Bauch und Kopf korrespondieren kann, aber grundsätzlich unabhängig ist. Meinem Herzen geht es aber nicht gut, wenn sich jemand in einem polyamoren Geflecht auf Dauer nicht harmonisch mit sich und/oder den Beteiligten fühlt. In polyamorer "Tradition" könnte ich das in der Verantwortung meines Gegenüber belassen, und bis zu einem
gewissen Maße tue ich das auch. Wenn es aber die Gesundheit meiner Partnerin oder den Fortbestand einer mir wesentlichen
Beziehung ernstlich gefährdet, muss ich mich fragen, wo die Sebstverantwortung aufhört und meine Mitverantwortung beginnt...
Also: wir selbst sind mit unseren Vorstellungen, wünschen, Prägungen, Sehnsüchten, Bedingungen und all dem der
verantwortliche Maßstab für Hierarchien, Kompetenzen usw. Oft schauen wir dabei nach außen, und das darf sein, wenn wir unser
Innen kennen (lernen wollen). Dann nämlich können wir vergleichen, wer wir sind, was zu uns passt oder nicht. Jede Information, jede Erfahrung, kann meine Sicht verändern. Das nenne ich lernen. Das ist mein Weg und mein Erfolg als Mensch. Ob Beziehungen dabei Dauer, Sicherheit und Bestand haben, ist für mich wünschenswert, aber Harmonie ist mir wichtiger. Wesentlich ist für mich, dass ich nicht absichtlich und unnötig jemanden wissentlich für egoistische Motive benutze oder verletze. Dass die
Begegnung mit mir bereichernd ist für einen Menschen, und dass ich mich besser kennen lerne in der Begegnung. Mein Herzenswunsch ist, dass meine Liebe alle Beteiligten eines Systems nährt, bereichert und einer gemeinsamen Harmonie dient. Wenn ich zu erkennen glaube, dass Liebe zu Dritt mehr Leid als Freude schafft, lasse ich auch los und verabschiede mich. Das ist mein Schritt "zurück". Klar könnte jemand das als "Verantwortungsdiebstahl" klassifizieren. Das nehme ich gerne auf mich, denn die Alternative wäre, alle Beteiligten so lange und intensiv leiden zu lassen, bis irgendwer nicht mehr kann
und auf die eine oder andere Art aus dem System aussteigt. Das wäre eine Art "Beziehungsevolution" in Form eines herzlosen Sozialdarwinismus, die ich nicht mit meinem Gefühl vereinbaren könnte.
Nach mehreren intensiven, länger dauernden Erfahrungen dieser Art, in der ich mich und meine damaligen Partnerinnen sich bis
über ihre Grenzen hinaus gefordert haben, lernte ich besser und schneller zu entscheiden, wie lange und nah ich einen weiteren Menschen in mein bereits bestehendes Beziehungsgeflecht hineinlasse. In der Konsequenz bin ich zurückhaltender,
"enger" geworden, schaue genauer und hoffentlich empfindsamer für das Ganze hin. Ich empfinde mich definierter in dem Sinne, dass
ich besser als zuvor zu wissen glaube, was ich mit einer "neuen" Frau systemverträglich leben kann und möchte - und was
nicht. Damit bin ich, neue Begegnungen betreffend, möglicherweise in dem Konflikt, dass eine Frau und ich gut zu einander passen, aber dass es kein nahes,harmonisches Alltagssystem zu mehreren gibt (was mein wesentlicher Wunsch ist). Daraus leitet sich in meiner Entscheidung ab, welche Nähe lebbar ist - unabhängig von der gefühlten Liebe mit all den Wünschen, die aus einer weiteren Begegnung resultieren mögen... es gibt auch systemische Ressourcen, die zu berücksichtigen sind.
Entscheidend ist mein Gefühl, in welcher Nähe resp. Distanz alle Beteiligten in einem System miteinander harmonieren können.
Diese Kompetenz hoffe ich in einigen"gescheiterten" polyamoren Beziehungen entwickelt zu haben. Deshalb waren diese Kontakte
allesamt erfolgreich für mich, auch wenn sie nicht von der Dauer waren, die ich uns allen gewünscht habe.
Ratio, Wissen, Reflektion, Kommunikation, Kompetenzen usw. - alles schön und gut. Ich habe das Glück, aus nächster Nähe
erleben zu dürfen, dass es auch ohne all das "funktioniert". Ein (fried)liebendes, "selbstloses" Herz im Miteinander genügt.
Das ist eine wunderschöne Erfahrung - immer wieder.
Fazit:
1. Formen, Modelle und Kompetenzen sind gut, aber wurscht, wenn es allen Beteiligten von Herzen gut geht miteinander.
2. Es ist sinnlos, feststellen oder auch nur untersuchen zu wollen, ob wer welche "Kompetenzen" hat oder nicht. Jedes System
ist anders, und in jedem System könnten andere Kompetenzen gefordert sein.
3. Wichtig ist, dass alle Beteiligten eines Liebessystems ihren Weg in Harmonie finden. Letztlich, so glaube ich, ist es ein Weg der Herzen abseits von System, Kompetenzen und dem Kram.
Ist das ein Weg aus dem Peter-Chaos?
Gerne wäre ich klarer gewesen in Formulierung, Logik und Diktion. Zu dumm, dass ich das nicht so gut hinbekomme, wenn ich im Gefühl bin...
Herzlich
Tom