Erläuterung dazu :-)
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Konzept und Modell: Atman B. Wiska, Berlin – Entwicklung 2010 – 2012, Vers. 5, Dez. 2012
Vorannahmen:
1.) Wer nur einen Partner hat, braucht das Mehrfachbeziehungsmodell nicht.
2.) Das komplette Fehlen von Liebe oder Sexualität (Null-Linien) ist theoretischer Natur. Ein Minimum an, zumindest respektvollem Verhalten oder gedanklicher Sexualität ist normativ.
3.) Liebe und Verbindlichkeit korrelieren ebenso wie Sex und Impulssteuerung nicht linear.
Verbindlichkeit ist jedoch zentral für Verbundenheit, ein wichtiges Element von Freundschaft
und ein Aspekt respektvollen Umgangs, so wie die Impulssteuerung dem Sextrieb innewohnt.
4.) Transparenz und Einvernehmen sind Aspekte der Verbindlichkeit als Ausdruck einer z.B.
rational stressvermeidenden oder romantischen Liebe.
5) Liebe/Sex sind keine Gegensätze,
jedoch generell unterschiedlich stark ausgeprägt in Beziehungen (Ausnahmen auf 0/0 – 5/5).
6.) Für viele unklare oder individuelle Arrangements existieren „Fachbegriffe“ – viele solcher
Begriffe klären Verhältnisse nicht. Für „Nicht-Fachleute“ ist eine Vereinfachung eher hilfreich.
Anleitung: erste Seite ausdrucken und beliebig Punkte setzten für derzeitige oder frühere Beziehungen,
Freundschaften und Kontakte. Das Modell kann jeder ausfüllen, der/die von bestehenden Beziehungen
ausgeht. Mit Zeitbezug können auch "Linien" gemalt werden. Mehrere Beziehungen ergeben persönliche
"Punktewolken" oder Wohlfühlzonen. Das gemeinsame Ausfüllen eigener Zettel kann sehr spannend für
ein Paar sein... Polyamorie findet im ganzen oberen Bereich statt, die sog. „Freie Liebe“ in Mitte-Rechts.
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Beispiele für Mehrfach- oder Seitenbeziehungen
1/1 Bekannte & Verwandte
Beziehungen zu Bekannten und Verwandten werden im Allgemeinen nicht sexuell
definiert und sind auch im Bezug auf Liebe und Freundschaft praktisch neutral. Es
gibt höchstens eher unwillkürliche Gedanken an Sex, die aber verworfen werden.
Selbstverständnis: Was soll sein, wir kennen uns kaum und da ist auch nichts.
2/1 Gute Bekannte & entfernte Freunde
Menschen, denen wir korrekt und höflich und mit einem sehr begrenzten Maß an
unpersönlicher Liebe begegnen und mit denen wir freundlichen Umgang pflegen.
Auch hier spielt die sexuelle Komponente höchstens eine Gedankenspiel-Rolle.
Selbstverständnis: Man kennt sich halt ganz gut, aber mehr ist da auch nicht.
3/1 Gute Freunde
Sogenannten „Guten Freunden“ räumen wir oftmals bereits ein gewisses Maß an
neutraler Liebe ein, da wir ihnen gegenüber Vertrauen haben, Verbindlichkeit im
Handeln erwarten und auch zu geben bereit sind. Sex spielt praktisch keine Rolle.
Selbstverständnis: Für meine Freunde bin ich da. Wenn jemand Hilfe braucht oder
mit den Kindern was ist, kann ich auch jederzeit anrufen. Der Freundeskreis ist
etwas, für dass man sich Zeit nehmen muss. Sex spielt real doch gar keine Rolle.
4/1 Beste Freunde
Enge Freunde stehen uns nahe. Für sie empfinden wir fast schon familiäre Liebe,
zumindest aber verhalten wir uns mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr verbindlich.
Die sexuelle Komponente kommt höchstens gedanklich vor, wird aber nicht gelebt.
Selbstverständnis: Wer drei oder vier echte Freunde hat, der kann sich glücklich
schätzen. Meine besten Freunde können jederzeit vorbei kommen. Vor allem kann
ich meinen besten Freunden auch ein Geheimnis anvertrauen und ganz ehrlich
sein. Dazu gehört auch, dass man sich in Zeiten der Not oder Freude eng umarmt.
5/1 Platonische Liebe
Den platonische Geliebten zeugen wir höchste Verbindlichkeit und Verlässlichkeit
im Handeln und Denken. Der „reinen Liebe“ sind wir sehr im Herzen verbunden.
Sex kommt, wenn überhaupt, nur flüchtig in Gedanken vor und wird verworfen.
Selbstverständnis: Das ist schon echte Liebe, auch wenn wir nix miteinander
haben. Nie würde ich auf die Idee kommen, meinen Bruder im Geiste oder meine
Schwester des Herzens zu belügen. Und bei Geld hört ja bekanntlich auch die
Freundschaft auf. Aber das sind Menschen, denen ich wirklich blind vertraue.
1/2 Fremdkuscheln & virtueller Sex
Der Besuch bei einer Kuschelparty, bei der auch sexuelle Gedanken entstehen. Ein
wenig fremde Haut, eine etwas längere Massage, Berührungen mit erotischer
Komponente ohne vollzogenen Verkehr, zarte Küsse, auch im Rausch oder flüchtig
genossen, ein langer erotischer Mailverkehr ohne tiefere freundschaftliche Gefühle.
Selbstverständnis: Ach was denn, da ist doch nix. Nur ein Küsschen, nicht mal
Freundschaft. Wir sind ja nicht streng muslimisch oder in der katholische Kirche.
So eine Massage / Chat-Bekanntschaft ist doch kein echter Sex. Wem tut das denn
weh, wenn ich die Phantasien dabei kreisen lasse? ...aber gegessen wird zuhause.
1/3 ONS & Seitensprung
Wenn es nur um etwas Sex geht, ohne weitere Gefühle und Tiefe oder Qualität;
schneller Sex mit Fremden, für Geld, auf Geschäftsreise, im Urlaub, beim Karneval.
Danach wird der Vorfall verdrängt oder aus dem eigenen Leben ausgegrenzt.
Selbstverständnis: Das bisschen Sex bedeutet nichts. Ab und zu passiert es eben
und das ist dann meine Sache. Was er/sie nicht weiß macht ihn/sie nicht heiß...
Was ist denn dabei, wenn man monatelang im Ausland ist oder einer krank wird?
Immer nur Eintopf, das kann auch langweilig werden. Zuhause ist eh tote Hose...
1/4 Partnertausch & BDSM
Sexuelle Abenteuer mit gewisser Regelmäßigkeit/Intensität, bei denen es auch um
das Durchbrechen von Rollenverhalten, Grenzen und Mustern und nicht nur um
Sex geht. Emotionale Spielpartner für Dominanz und Unterwerfung, Urlaube mit
Partnertausch und Kulturprogramm, aber ohne dass Freundschaften entstehen.
Selbstverständnis: Wir toben uns aus und es macht uns Freude. Gefühle spielen
keine Rolle und ich habe eine klare Rolle in dieser Zeit. Ich will Spaß und mein
Partner weiß Bescheid / ist mit dabei oder entscheidet auch mit. Die Liebe halten
wir aber da raus, weil das nur Komplikationen gibt. Der Kick ist es, der uns reizt.
1/5 Swinging & Promiskuität
Wer zwei mal mit derselben pennt... causal Sex und unverbindliche, regelmäßige
intime Begegnungen zu Menschen ohne emotionale Bindung. Es geht um Lust und
nichts anderes. Sexualität wird klar von Liebe getrennt und hat Freizeitcharakter.
Der Grad an „Promiskuität“ ist sehr hoch, was Einvernehmlichkeit nicht ausschließt.
Selbstverständnis: Ich muss niemand Rechenschaft ablegen, Sex kann ich an jeder
Ecke haben und ist kaum mehr als gemeinsam Kaffe zu trinken. Jeder macht was
er will und mit wem er mag. Wer auch nur Absprachen fordert, hat ein Problem. Es
geht auch nicht groß um Selbsterfahrung oder Rollenspiele. Es geht nur um Sex.
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3/3 Unklare Verhältnisse & freundschaftlicher Sex
Sex außerhalb der Beziehung kommt vor und doch wieder nicht so wirklich. Es ist
nicht ganz klar, ob das Herz schon dabei ist oder ob es doch mehr um Sex geht. Es
„passiert“ ganz einfach immer wieder, aber deshalb ist noch lange nicht alles klar.
Es gibt polyamore Tendenzen, die aber mangels Transparenz und Einvernehmen
nicht klar ausgearbeitet werden. Faktisch ist die Mehrfach-Partnerschaft nicht real.
Selbstverständnis: Ich weiß auch nicht, irgendwie konnte ich nicht anders. Es ist
im Grunde nichts besonderes, aber da ist definitiv mehr als nur Sex. Keine Ahnung
wo das hinführen soll. Man kann ja Rummachen, aber es ist nichts Festes. Und
was er/sie nicht weiß, macht ihn/sie nicht heiß. Hauptsache es kommt nicht raus.
3/5 Sexuelle Affäre mit Herz
Die klassische Sex-Affäre, lang anhaltend wegen dem guten Sex oder mehrere
feste Sexpartner, mit denen aber keine tragfähige Beziehung gelebt wird. Häufig
die verteilten Rollen in verschiedenen Milieus oder im Ausland bzw. bei Krankheit
des eigenen Partner, ohne sich deshalb zu trennen - oft mit stillem Einverständnis.
Es gibt polygame Strukturen, die aber mangels Transparenz und Einvernehmen so
nicht klar ausgearbeitet werden. Faktisch ist die Mehrfach-Partnerschaft aber real.
Selbstverständnis: Kann schon sein, dass da mehr ist. Ich habe eben eine Affäre.
Vielleicht bin ich auch ein bisschen verliebt. Warum auch nicht? Aber es ist keine
richtige Beziehung. Es macht vor allem Spaß und darauf hat ja jeder ein Recht.
5/3 Liebesverhältnis mit Sex
Das klassische Liebesverhältnis, fast eine richtige Nebenbeziehung, viel Sex aber
vor allem emotionale Bindung. Die Hauptbeziehung wird geschützt, auch durch
Täuschung und Lüge, aber das verursacht große Gewissensnöte. Weil die andere
Liebe sich gar nicht gegen den Partner richtet und man im Grunde friedlich mit
seinen Liebsten zusammen sein möchte, wird ein Arrangement vereinbart oder es
bleibt auf Dauer bei einer heimlichen zweiten oder dritten Liebe, z.B. im Ausland.
Es gibt polygame Strukturen, die aber mangels Transparenz und Einvernehmen so
nicht klar ausgearbeitet werden. Faktisch ist die Mehrfach-Partnerschaft aber real.
Selbstverständnis: Ja, da ist Jemand. Ich muss es ihm/ihr sagen. Ich will es nicht
mehr verheimlichen. Es gehört zu mir und es ist doch im Grunde Liebe. Warum soll
das verboten sein? Es wird doch niemand etwas weggenommen. Wir sind ja auch
füreinander da und es ist etwas Gutes. Ich bin bereit für diese Sache zu kämpfen.
5/5 Maximale Polyamorie
Mehr als einen lieben – einvernehmlich mit den Partnern, so transparent wie
möglich und so verbindlich wie nötig. Gleichgültig ob sexuelle Freundschaften oder
komplette Beziehungen; alle wissen voneinander aber jeder entscheidet selbst, wie
viel er wissen möchte. Es wird eine möglichst verbindliche Form angestrebt, in der
niemand hintergangen wird. Emotionale Treue ist wichtig in dem Sinne, Partner als
besondere Menschen nicht beliebig auszutauschen. Loyalität ersetzt Verlustangst.
Mitfreude ersetzt Neid. Eigenliebe steht einem schlechten Selbstwertgefühl als
Ursache von Eifersucht gegenüber. Jeder trägt selbst die Hauptverantwortung für
sein Selbstwertgefühl. Liebe will man teilen, ohne Abhängigkeit oder Besitzdenken
und Sex ist vor allem ein Geschenk an den Geliebten ohne Erpressungspotential.
Es ist immer einzigartig. Sich selbst woanders zu verschenken führt nicht zu Angst
vor neuer Bindung und Liebe mit Selbstunterdrückung, sondern zu der Bitte, sich
mehrfach zu binden, das Glück weiter zu schenken und auch wieder mitzubringen.
Selbstverständnis: Das einzige was mehr wird, wenn man es teilt ist die Liebe. Du
kannst gehen wohin Du willst, wenn ich weiß dass Du glücklich wiederkommst und
mich nicht im Unklaren lässt. Ich freue mich für Dich, wenn es Dir gut geht und
möchte Deine Mitfreude, wenn ich jemand anderes liebe. Wir werden dadurch alle
stärker. Ich kann Dir nie alle Bedürfnisse erfüllen. Zufriedenheit ist in Dir und ich
möchte mein Selbstwertgefühl auch nicht davon abhängig machen, wer mich liebt.
Eher theoretische Sonderfälle auf den „Null-Linien“
Das Modell dient der Beschreibung von mehr als einer Beziehung gleichzeitig. Es
geht davon aus, dass Beziehungen sehr weit gefasst sein können und ein
Mindestmaß an Bekanntheit bzw. an, auch nur gedanklicher Sexualität anderen
Menschen gegenüber immer vorkommt, auch wenn diese nicht ausgelebt werden.
Die folgenden Sondefälle beschreiben das Fehlen dieser Grundannahmen:
0/0 Keine weiteren Beziehungen – Der Mensch hat weder Bekannte, Freunde oder
noch jemand, die er/sie liebt. Robinson ist ganz alleine auf der einsamen Insel.
5/0 Reinste platonische Liebe – Der Mensch liebt jemand rein/vollkommen
göttlich, ohne jemals auch nur an Sex zu denken. Die Liebe zu einem Heiligen,
einer Gottesfigur oder einem vergeistigten Wesen.
0/5 Häufiger, maximal entpersonifizierter Sex – viele Sexpartner, die anonym und
ohne jede Bekanntheit regelmäßig benutzt werden. Vergewaltiger, die ihre Opfer
nicht ansehen / BDSM-Extremisten, die das spielen oder sog. „GloryHole“-Nutzer.
Konzept und Modell: Atman B. Wiska, Berlin – Entwicklung 2010 - 2012, Vers. 5, Dez. 12