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Notizen zu Adornos Liebesbegriff

Schau mir in die Augen, Kleines (202311)
*********herz Mann
3.941 Beiträge
Themenersteller 
Notizen zu Adornos Liebesbegriff
Hallo in die Runde *wink*,

sie wird im Verlauf dieses Posts immer kleiner werden... *lol**snief*. Nun gut.

Über eine Bekannte wurde ich auf einen Artikel aufmerksam, der ausgehend von Adornos Liebesbegriff die Konzepte von Mono- und Polyamorie im Zusammenhang mit Treue diskutiert:
http://anti.blogsport.de/200 … en-zu-adornos-liebesbegriff/
Allemal handelt es sich um ein Werk, das Gedankengänge jenseits der mir bisher begegnete Texte anzubieten scheint.

Dort schreibt ein Geisteswissenschaftler über einen Geisteswissenschaftler, und leider ist der Text sehr sperrig zu lesen :-/. Evtl Umut über eine Sprache, die häufig eher als Machtinstrument der „Wissenden“ oder „Besseren“ wirkt, denn als allgemein verständlicher Informationsversuch, teile ich vollauf; er braucht hier nicht weiter gepflegt zu werden *zwinker*

Nach zweimaligem Studium mit zahlreichen Wiederholungsschleifen in Sätzen und Absätzen glaube ich Folgendes verstanden zu haben und bitte um Verständnishilfe und Austausch, sofern jemand Interesse hat Meine Gedanken sind kursiv gesetzt.

1. Der zeitliche Verlauf und Besitzdenken bestimmt die Entwicklung von Mehrfachbeziehungen mehr als die Gefühle.

Logisch nicht nachvollziehbar ist für mich der Satz: „Dieses Besitzen wiederum führt zu einer Austauschbarkeit und reinen Funktion des besessenen.“
Hat der Autor hier lediglich monoamore Beziehungen gemeint?
Erst viel weiter unten im Text findet sich möglicherweise ein erklärender Hinweis, dass den konsumorientieren und damit austauschbaren Beziehungen im Kapitalismus mit der Treue etwas Unaustauschbares aufgepappt werden soll („Die Treue, als Produkt der Warenförmigkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen…“).


2. Würde sich unsere Zuneigung auf die liebenswürdige Individualität eines Gegenübers richten, entfielen Konkurrenz und Untreue. Besitz führt zu Austauschbarkeit und Verlustangst.

Auch hier bleibt mir die innere Logik verborgen. Gerade an der gemeinsam gelebten („besessenen“) Zeit mit einem wegen seiner Persönlichkeit geliebten Individuum macht einen evtl. Verlust doch größer, als wenn es nur eine Funktion erfüllt, die auch ein anderer Mensch bieten könnte, oder?.
Habe ich hier etwas falsch verstanden?

„Das Spezifische am Menschen ist als zu liebendes insofern vor Ausschließlichkeit geschützt, als dass es einmalig und unwiederholbar ist und eben darum das andere duldet.“
Ist dem Autor hier eine Unachtsamkeit unterlaufen? Das Individuelle ist in diesem Kontext imho vor Beliebigkeit geschützt, oder die Ausschließlichkeit wird durch das Individuelle gewahrt
.


3. Die bürgerliche Vorstellung von der Liebe als einem unwillkürlichen Geschehen (Bauchgefühl) sei nach Adorno in einer ökonomisch ausgerichteten Gesellschaft eine Herrschaft des Interesses. Lediglich intuitive Liebe degradiert Menschen zu Objekten.
Besser wäre eine zusätzliche, bewusste Entscheidung zur Treue, um der Unfreiheit des gesellschaftlichen Treuebegriffs als obligatorischer Forderung zu entgehen.

Adorno kritisiert, so der Autor, eine polyamore Warenhausmentalität, die auf der (auch insgeheimen) Suche zum einen Traumpartner nahezu beliebig flexibel in seinem Beziehungsverhalten ist. Treue i.S. Adornos ermögliche die bewusste Entscheidung für mehrere Menschen.

Wenn zwei Menschen sich lediglich intuitiv lieben, empfinde ich das als Aufeinandertreffen zweier Individuen in einem sehr speziellen Prozess von Resonanz. Individueller und unaustauschbarer geht es wohl kaum. M.E. sind es lediglich unsere Projektionen auf das Gegenüber, die es zum - wegen der Resonanzerfordernis nicht unbedingt austauschberen - Objekt machen. Deshalb kann sich imho Liebe frühestens nach der Auflösung der Projektionen einstellen.
Sexuelle Begegnungen können – auch ohne anfängliche Projektionen – ein Weg zur Liebe sein. In dieser Phase mögen sie in der Rolle als Sexualpartner eine Funktion erfüllen und austauschbar sein, aber das muss nicht so bleiben. Insofern kann ich mich bewusst auf einen Menschen einlassen in der Absicht, zu schauen, ob Liebe möglich wird. Ist das schon polyamor oder wird es das (vlt.) erst?



4. Polyamorie an sich befreit nicht von Besitzdenken, Funktions- und Warenhausmentalität. Polyamore Beziehungen seien oft durch ein „Chaos von Verträgen und Versprechungen strukturiert“.

Tatsächlich entsteht in mir immer wieder der Eindruck, dass „Treue“ und Besitzdenken in Polybeziehungen sich gerne andere Reviere sucht als die exklusive Sexualität, z.B. in speziellen Aktivitäten oder Orten, die eben nur mit einem Menschen geteilt werden (sollen).
Nicht nur das wirft in mir die Frage auf: wann liebe ich einen Menschen als das, was ihn ausmacht? Es führt in die philosophische oder spirituelle Fragestellung was der Mensch an sich, also außerhalb seiner Eigenschaften, Verhaltensweisen und Situationen mit ihm ist? Wie kann ich ihn das wahrnehmen und womit lieben?
Wohl aus Unwissen- und Hilflosigkeit lande ich dann bei der von Adorno als Menschen degradierend kritisierten Liebe aus Intuition als etwas, das sich meinem Verstand und oft auch einem analysierbaren Gefühl entzieht…


5. Ein polyamores Liebeskonzept, das auf jegliche Versprechen und Verträge verzichtet, kann kein Gegenmodell zur bürgerlichen Poly- oder Monoamorie sein, weil Verlustangst, Besitzdenken etc. aufgrund unserer Prägungen nicht per Willensbeschluss aufgegeben werden kann. Wer das ignoriert und praktizierte polyamore Ideale einfordert, übersieht die menschliche und gesellschaftliche Wirklichkeit, in der wir leben. Das degradiert das Gegenüber zum (Versuchs-)Objekt.


Der Autor verwendet den Begriff „Abschwur von der Treulosigkeit“. Hier müsste wohl „Abschwur von der Treue“ stehen. Weil er den Begriff nach meinem Verständnis zweimal sinnkonträr zum Kontext verwendet, frage ich mich, wo ich falsch denke…
So wird von der „Treulosigkeit im falschen Ganzen“ gesprochen, wo nur „Treue“ für mich im Kontext einen Sinn ergibt.



6. Weder Untreue (keine Verträge, keine Versprechen) noch unkritische Treue sind hilfreich in unseren Beziehungen, sondern ein Verhalten, das mit dem oder den geliebten Menschen als Subjekt in Treue reflektiert begegnet.


Fazit, Wertung und Kommentar zum Text (nicht zu den Verfassern):

Richtet Euch im System so ein, dass Ihr die Freiheit zu reflektiertem Widerstand habt, ohne den angebotenen Modellen einfach zu folgen.

Wie viele Denker, die philosophisch ihren Stil gefunden haben, so scheint mir (ohne die Minima Moralia Adornos im Original gelesen zu haben oder Adornos Werk näher zu kennen), verengt sich deren Weltsicht auf einen wesentlichen Blickwinkel. Im Fall Adornos auf die kapitalistische Ökonomie, in deren Korsett jedes Phänomen gepresst und so lange reduziert wird, bis es hineinpasst.
Das Phänomen der Liebe fordert von uns aber zu einer geistigen Weite heraus, das sich letztlich selbst den klügsten Philosophen entzieht. Erich Fromm vlt. ausgenommen *zwinker*.

Für meinen Geschmack wird im Text zu wenig auf den Anteil des Individuums im Umgang mit sich selbst als Voraussetzung für ein fruchtbares Miteinander in Beziehungen reflektiert. Prägungen werden als gegeben hingenommen. Das ist einerseits richtig, aber Wege, diese zu ändern, werden nicht aufgezeigt Das war vlt. gar nicht beabsichtigt, ist aber nichtsdestoweniger notwenig, um bestehende Verhältnisse zu ändern.

Der Text bleibt neutral, diskutiert und kritisiert, gibt aber keine weiteren Denkanstöße. Er zeigt keine neuen Perspektiven auf, erweitert keinen Horizont. Wenigstens nicht meinen.
Frei gedacht, sprachlich schlecht und, soweit ich den Text verstehen kann, mangels Perspektiven inhaltlich dünn und endet mit einer Plattitüde: „…weil das Problem nicht in der Quantität, sondern Qualität der Beziehungen steckt.“ Und damit in uns selbst. Siehe oben.

Philosophie heißt „Liebe zur Weisheit“, und Weisheit verträgt keine Scheuklappen. Schon gar keine ideologischen.

Was ist Eure Meinung?


Ein *herz*liches *danke* an alle, die sich bis hierher durchgedacht haben.
T*wink*M
***vy Frau
224 Beiträge
so
gelesen habe ich es schon mal, und wollt das erst mal mitteilen, damit du dich nicht so alleine fühlst *g*
Gedanken zu deinen Einwürfen mache ich mir und werde versuchen sie später aufzuschreiben


Brainstorm zum Gelesenen:

Treueanspruch und Verlustangst an Beziehung gepappt als Leim ..............ja, das sehe ich auch so. Kenne viele Beziehungen, die nicht mehr bestünden, gäbe es nicht diese beiden Faktoren als Bindemittel

Dass wir auf verbindliche tragende exklusive (Liebe-)Beziehungen geprägt sind und uns gegenseitig als Versuchs-Kaninchen für andere Liebesmodelle ge- oder manchmal auch missbrauchen..........ein nachvollziehbarer Gedanken...............
nur ich wünsche mir das Experiment ja, mag mich seelisch und emotional aus der alten Prägung hinausdehnen oder zumindest wählen können ob ich so oder so leben und lieben mag,
Polyamorie als Option, als Erweiterung, nicht als das dogmatisch gesetzte Bessere

soweit.

Und nun ab in die polyamore Sonne
Das ist definitiv keine Lektüre für Morgenmuffel *g*...

Will sagen, ich brauche noch mindestens zwei Kaffee *kaffee* , um zum Einen (lückenloser) zu verstehen, zum Anderen mehr als eine oberflächliche Meinung zu äußern.

Was ich mich dennoch frage, ist der Grund, warum man sich statt zu lieben, mit der Theorie über die Liebe auseinandersetzten sollte. Könnte mir zudem vorstellen, dass das Thema treffender im Philosophie Forum aufgehoben wäre.

Nun gut. Neben vielen interessanten Gedanken, die ich inhaltlich nochmals durchdenken werde, ist meinem Morgenhirn ein Satz als richtig und leicht nachvollziehbar im Gedächtnis geblieben:

Der Widerstand, der der Warenförmigkeit des menschlichen Miteinander also geliefert werden kann, ist nicht die Aufforderung, viele Menschen gleichzeitig zu lieben, weil das Problem nicht in der Quantität, sondern Qualität der Beziehungen steckt.

Ich möchte ergänzen, das Problem liegt auch im individuellen Wachstum resp. nachfolgend Reife des einzelnen Menschen, die wiederum die Beziehungsqualität determiniert.

*blume*
Falcon
Ohne zu lesen schon genug *lol*
Die Passagen die Tom beschreibt haben mir ausgereicht diesen Artikel nicht zu lesen.

Der Widerstand, der der Warenförmigkeit des menschlichen Miteinander also geliefert werden kann, ist nicht die Aufforderung, viele Menschen gleichzeitig zu lieben, weil das Problem nicht in der Quantität, sondern Qualität der Beziehungen steckt.
Das von Falcon angeführte Zitat, läßt mich erschaudern.

Ist Liebe denn mittlerweile wirklich zu einer "Ware" mutiert?
Allein der Ausdruck im zusammen Hang mit dem was für mich als Liebe fühlbar ist, zieht mit ne Gänsehaut über den Rücken.

Könnt es sein, daß diese Geisteswissenschaftler versuchen, uns das was wir als Polys in uns tragen, aus zu "treiben"???

Vielleicht werd ich mich mal in einer stillen Stunde doch mal dran machen.
Aber zum jetztigen Zeitpunkt, reichen mir die "unlogiken" die Tom hier schon zusammen getragen hat.

LG YOYO
Ui, Tom, da hast Du uns aber einen großen Knochen zum Kauen hingelegt *lol*

Ok, ich versuch mich mal daran. Vorab zur Sprache: Die Wissenschaftssprache - und Adorno schreibt nun mal in einer solchen - ist eine Fachsprache, ohne die sie nicht auskommt. Wenn uns Holger Lesch die Sterne in seiner Fachsprache als Astrophysiker erklären würde, würden wir ihn auch nicht so toll finden. Dass die Soziologen da allerdings gern mal aus Eigeninteresse übertreiben, ist leider so *zwinker*

Nun meine Sicht auf den Text:

Im Kern geht es um die zentrale These: Es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Heißt hier: Wer sich die Frage stellt, ob eine polyamore Lebensweise widerständisch gegen bestehende Herrschaftsverhältnisse sein könne, muss bedenken, dass eine solche polyamore Lebensweise immer noch "durchsetzt" sein kann von Prägungen durch die bestehenden Herrschaftsverhältnisse.

Das zeige sich z.B. im Begriff der Treue: Im traditionellen Treuebegriff stecke ein Besitzdenken, indem "meine Frau/mein Mann" mir nur dann auf Dauer "treu" sein könne, wenn sie/er nur mir "gehört". Dieser falsche, weil der kapitalistischen Logik folgende Treuebegriff stecke auch in manchen polyamoren Lebensweisen, wenn darin Regeln für bestimmte Ausschließlichkeiten aufgestellt würden.

Man sollte nicht vergessen, dass Adornos Anliegen v.a. die Kapitalismuskritik und speziell darin der Nachweis war, dass auch das "Private" durch die Gesellschaftsform bestimmt sei. Die politisch verstandenen "Liebeskommunen" der 60er und 70er Jahre als gesellschaftliches Gegenmodell betrachtete Adorno deshalb recht kritisch. Immerhin blühten darin - und manchmal gerade in Postulaten von "freier Liebe" - immer noch Eifersuchtsszenen, die denen von bürgerlichen "Untreue-Fällen" in nichts nachstanden. *zwinker*

Der Artikel weist - in meinen Augen richtig - daraufhin, dass also polyamore Lebensweisen nicht per se als gesellschaftliches Gegenmodell taugen, aber dennoch etwas "Richtigeres" im immer noch Falschen versuchen. Als Beispiel wird angeführt, dass in vielen monoamoren Beziehungen die anfängliche wahrhaftige Liebe sich später in ein bloßes Besitzdenken verwandelt haben kann, durch das die Partner nicht mehr in Liebe, sondern nur noch durch ein leeres Treueversprechen verbunden sind. Das KANN in einer polyamoren Lebensweise aufgelöst werden, indem das Zusammenbleiben auf der dauerhaft erlebten und immer wieder neu zu schaffenden Wertschätzung des Partners beruht, die durch weitere Lieben nicht beeinträchtigt, manchmal sogar gefördert werden kann. MUSS aber nicht. *zwinker*

Auf die speziell von Dir, Tom, angesprochenen Verständnisfragen gehe ich vielleicht später noch mal ein.

Zwei Nachbemerkungen:

1. Mein polyamores Verständnis als gesellschaftliches Gegenmodell zu begreifen, erschiene mir viel zu ideologisch. Dergleichen Versuche betrachte ich immer recht misstrauisch. Adorno würde mir allerdings entgegenhalten, dass meine rein privat verständene Lebensführung immer auch gesellschaftlich ist *zwinker*

2. Der gute Fromm, den Du erwähnst, Tom, war mit Adorno so gar nicht einverstanden. Wenn ich es recht sehe, betonte Fromm sehr viel stärker als Adorno die persönliche Fähigkeit und Verantwortung des Einzelnen, das Richtige im Falschen dennoch immer wieder zu versuchen. *g*

Soviel erst mal aus meiner morgendlichen Hirngymnastik - mit allen Mitdiskutanten und Kaffeetasse anstoß *lol*
Joshi
Schau mir in die Augen, Kleines (202311)
*********herz Mann
3.941 Beiträge
Themenersteller 
Warum sowas?
... habe ich mich natürlich gefragt, bevor ich den Beitrag gespeichert habe.
Wäre der Text nicht von einer geschätzten Bekannten gekommen, hätte ich mich wohl nichht weiter damit auseinandergesetzt.

Ich habe mich dafür entschieden,
• aus dem Bedürfnis nach Verstehen. Weil ich mir nicht sicher bin, ob ich den Text richtig verstanden habe,
• weil ich Freude am Nachdenken über andere Perspektiven habe(n kann), und
• ich hoffe, dass einige Wenige die Zeit und die Lust haben, gemeinsam mit mir darüber nachzudenken.
• weil die politisch-gesellschaftliche Relevanz alternativer Beziehungsinhalte und- modelle hier relativ selten diskutiert wird (Stichwort z.B.: Treueverständnis jenseits von Verträgen und Versprechen denkbar?) und
• die Wirkung polyamoren Verhaltens im persönlichen und gesellschaftlichen Umfeld selten selbstkritisch beleuchtet wird (Stichwort Konsummentalität, Benutzen eines "geliebten" Gegenübers als Objekt).

Bevor ich jetzt - auch aus der Erfahrung eigenen Verhaltens - mehr dazu sage, schaue ich erst mal was noch so kommt.

*danke* erst einmal dafür, dass ich nicht alleine bin
T*freu*M
Schau mir in die Augen, Kleines (202311)
*********herz Mann
3.941 Beiträge
Themenersteller 
Erleichert
Lieber Joshi,

mit anderen Worten als ich, hast Du gut verständlich einen Kerngedanken des Textes vom soziologischen Sprachschwulst gelöst. Was Du verstanden hast, habe ich in dem Text ebenfalls gesehen.

Ja, ich halte es eher mit Fromm.
Richtig und falsch gibt es in meinem Philosophieverständnis nur als Größe der individuellen Bewertung von Phänomenen, die sich gesellschaftlich zu Werten, Moral und Kultur verdichten können.

Deshalb kann für mich sehr wohl Richtiges und Falsches in beliebigen Mischungs-und Beziehungsverhältnissen geben, und oft genug ist ein Phänomen beides zugleich.

Dass es "Richtiges" im "Falschen" geben, kann, dafür liefern Nelson Mandela, Maharma Gandhi und vielen anderen eindrucksvolle Beispiele. Die Wirkung eines Verhaltens auf unsere Umwelt (auch in einem parallen Thema angesprochen) scheint mir wichtig.

Gibt es jemanden, der Polyamorie als gesellschaftliches Gegenmodell propagiert? Ich sehe es eher als Bereicherung. Dabei geht es im Kern gar nicht um einen oder mehrere Lieben.
Die Essenz der Polyamorie ist für mich
1. die Ehrlichkeit liebender Menschen im Miteinander
2. eine Liebe, die das geliebte Wesen nach seinen Bedürfnissen leben lässt und unterstützt und
3. der gemeinsame Weg der Geliebten von 1. zu 2.

Schaue ich genauer hin, gibt es die Monoamorie nach dem romantischen Ideal (lebenslänglich!) in gelebter Praxis und gelebter Überzeugung ohnehin kaum noch.
Wenn jemand meint, andere Modelle zu brauchen, dann sucht er womöglich nur eine neue Hülle, weil die alte nicht mehr passt.

Sinnvoll erschiene mir eher, einen Teil der monoamoren Hülle erst einmal abzustreifen, indem
• der Staat sich aus Beziehungsangelegenheiten grundsätzlich heraushält oder aber alle Beziehungen fördert, wo zwei und mehr Menschen für einander verbindlich in einer Lebensgemeinschaft einstehen wollen und/oder
• alle Paare sich ihre Seitensprünge gestehen und sich lösungsorientiert zusammen- statt auseinander setzen.

Gut erstmal...
Tom
Vorschlag resp. Idee
Auch nach dem dritten Lesen kann ich dem Artikel zu Adornos Liebesbegriff wenig abgewinnen. Ist für meinen Geschmack zu theoretisch. Um wirklich zu verstehen, was Adorno aussagen möchte, muss man m.E. mehr lesen, als diese paar Zeilen, die zudem noch vom Verfasser subjektiv selektiert und zusammengefasst wurden.

Ehe mein persönliches Interesse endgültig verfliegt, habe ich aber noch einen Vorschlag. Der Eingangsabsatz hat es mir angetan. Für mich fast der einzige Aspekt, über den ich, und vielleicht auch andere, gern diskutieren würde.

Beim ersten Kapitel ... behandelt Adorno das Problem der Zeitreihenfolge in Hinsicht auf Liebensbeziehungen. Die scheinbar banalste Ursache erotischer Konflikte ist die Reihenfolge, in der sich Menschen kennen- bzw. lieben lernen. Lernt Person A Person C erst dann kennen, wenn sie schon eine Liebesbeziehung mit Person B am laufen hat, so entwickelt sich womöglich auf Grund der Zeitordnung und nicht, wie oft geglaubt, auf Grund einer „Hierarchie der Gefühle“ die Beziehung zu Person C völlig anders, als sie es sonst getan hätte.

Na, wenn das nicht polyamorer Alltag ist *g*...

Ich schlage vor, dass daraus ein separater Thread ensteht. Denn ich vermute, dass ein Teil der Leserschaft sich bereits jetzt wortlos ausgeklinkt hat. Auch sie hätten dann (neues Thema) die Möglichkeit ihre Erfahrungen und Meinungen beizusteuern.

Ich möchte aber dem den TE den Vortritt lassen, denn von mir aus wäre ich nicht auf die Idee gekommen, ein altbekanntes Thema mal so völlig anders aufzurollen: Primarybeziehungen und Hierarchien in Polybeziehungen, sowie experimentelle Gedankenspiele mit vertauschten Rollen der beteiligten Menschen.

Mögliche Fragen: Wärt Ihr mit anderen Partnern (oder denselben Partnern in anderer Reihenfolge) jetzt an einer anderen Stelle des Weges? Und wie sähe das aus? Ist die Reihenfolge vielleicht eine der Ursachen, aus denen manchen Menschen das polyamore Leben ganz leicht und wie spielerisch gelingt, wo andere sich über Jahre schwer tun und auch glauben, dass es schwer sein muss? Usw. usf.

*blume*
Falcon
Lieber Tom,

schön, da sind wir uns also schon mal bei der begrenzten Tauglichkeit von Polyamory als gesellschaftliches Gegenmodell einig. Unterhalb eines solchen Anspruchs steige ich jetzt noch mal gern in den Artikel ein. *zwinker*

Wenn manche in der 68er Diskussion die schreckliche Tatsache gegeißelt haben, dass "Besitz am Partner" und "Beziehung als Ware" auch als unterdrückerischer Widerhall von Gesellschaftsverhältnissen gesehen werden können, so ist da ja durchaus was richtiges dran. Ehe und Treue als Geschäft, in dem noch dazu patriachalische Gewalt und Unterdrückung herrscht, entstand ja nicht im luftleeren, rein privaten Raum.

Was Adorno und viele andere damals aber nicht vorhergesehen haben, ist die inzwischen längst gewachsene Macht des Wunsches, solche Einengungen und Gewaltmuster besonders im Privaten nicht mehr hinzunehmen. Emanzipation, neue Beziehungsformen, die verbreitete Auflösung der Ehe als lebenslange "Verhaftung" sind aber doch einige Beweise dafür, dass im Privaten dennoch Entwicklung möglich ist.

Polyamory ist ja nur eine von vielen neuen Formen, in denen wir versuchen wahrhaftigere Beziehungen zu leben. Dass dabei Widerstände und Widersprüche zum althergebrachten Gesellschaftsverhältnis entstehen, spüren wir allzu deutlich in unserem persönlichen Umfeld, wenn unsere Polyamory beispielsweise gar nicht so freudig anerkannt wird. Ein ganz klein wenig Gestaltungsmacht hat das Private also wohl doch. *zwinker*

*******om58:
Die Essenz der Polyamorie ist für mich
1. die Ehrlichkeit liebender Menschen im Miteinander
2. eine Liebe, die das geliebte Wesen nach seinen Bedürfnissen leben lässt und unterstützt und
3. der gemeinsame Weg der Geliebten von 1. zu 2.

Wunderbar! Unterschreib ich sofort. Und wird sogar so in einigen monoamoren Liebesbeziehungen angestrebt. Gut so ...

Bis hierher war's ja noch leicht. *zwinker* Mal sehen, ob es jetzt wieder etwas schwieriger wird:

Man kann ja aber auch beobachten, dass offensichtlich bei etlichen Menschen gleichzeitig die Bindungsbereitschaft an einen Lebenspartner abnimmt. Ein schönes Beispiel ist gerade hier im Joyclub das Thema Casual Sex/Freundschaft+ - siehe die Gruppe zu diesem Thema. Die Mitgliedervorstellungen dazu sind voll von Formulierungen wie: "Nach meine Trennung möchte ich mich so schnell nicht wieder binden und suche erst mal nur unverbindlichen Sex." oder "Mir ist die Kompliziertheit einer Liebesbeziehung inzwischen zuwider, ich möchte nur noch einen Freund mit einem gewissen Extra ohne die Belastungen eines geteilten Alltags."

Ein Adorno könnte jetzt auf die Idee kommen zu sagen: "Ha, da haben wir ja jetzt sogar den Warencharakter von Beziehungen in Reinkultur. Keine menschliche Bindung mehr, nur noch geschäftliche Abmachung für einen definierten Zweck, Sex und Liebe als Freizeitware. Und die Profilkataloge dazu, wer wohl zu mir passen könnte, sehen auch aus wie Versandhauskataloge." Völlig falsch? *zwinker*

Zugeben, das ist jetzt ein bißchen böse. *zwinker* Aber immerhin darf ich hier in der Polyamory-Gruppe fragen, ob's bei Liebe nicht um ein bißchen mehr geht als nur um Zwecke und Funktionen von Menschen, die mir nahe sind.

Neugierig schauend
Joshi

PS: @****on - ich seh's grade erst, mal wieder parallel geschrieben *zwinker* Dein Gedanke ist nicht minder interessant und diskussionswürdig.
***vy Frau
224 Beiträge
Gegenentwurf
Ich beziehe mal die andere Position und sage doch Polyamorie ist ein Gegenentwurf:das Sprengen der kleinsten Zelle der Gesellschaft, die Verwirrung durch ein Beziehungsgeflecht macht einen weniger durchschaubar, weniger kontrollierbar, ist somit eher anarchistisch. Aber/und: wie mit vielen Gegenbewegungen legt sich die bestehende Gesellschaft in scheinbarer Toleranz und mit pseudo-größzügiger Freizügigkeit drüber, poliert was rauh ist, entfernt die stacheligen Fragen und lässt übrig: die gezähmte Form, die am Ende der kleinsten Zelle ähnelt....

So in etwa
Nenene, luvvy, dat gildet nicht! *lol* Wenn Du schon die Gegenposition einnimmst, bleibst Du bitte gefälligst bei der Position und löst sie nicht gleich wieder mit Adornos Negation auf:

"Die Vorstellung einer durch ihre Antagonismen hindurch harmonischen Totalität nötigt ihn dazu, der Individuation, mag immer er sie als treibendes Moment des Prozesses bestimmen, in der Konstruktion des Ganzen einzig minderen Rang zuzuerkennen."
Verkürzt und zu deutsch: Wer im System aufbegehrt, bestärkt damit das System.
(das war jetzt nur mal ein abschreckendes Beispiel für dessen Sprache *lol* - wer wirklich mal Adornos Minima Moralia im Original lesen will, kann das hier tun:)
http://www.offene-uni.de/archiv/textz/textz_phil/minima_moral.pdf

Diesen absurden Gedanken hat man übrigens im Film "Matrix" herrlich umgesetzt ...

Also bitte noch mal ein ungebrochenes Plädoyer für Polyamory als Gegenentwurf, wenn ich bitten darf *smile*
***vy Frau
224 Beiträge
ich kann das nicht
komme eher aus der Poesie als aus der Soziologie, doch liebe ich Stilbrüche, Paradoxien und Um-die Ecke-denken, also auch um-die-Ecke-Lieben

und ich meine es schon ernst, in ihrer wilden freien Form wäre die Polyamorie ein Gegenentwurf, durch Bürokratisierung, kleinteilige Definitionen, Vereinsmeierei kriegt man sie aber auf eine banale Ebene gedrückt, dann wird sie, was die Öko-Bewegung geworden ist: dogmatisch, rechthaberisch, eng, unsinnlich.
Akzeptiert, luvvy - und begeisterte Zustimmung. Das Stück Freiheit im Privaten, das wir uns in der Polyamory erobern, lassen wir uns weder von Adornos Pessimismus noch von Bürokraten nehmen! *g*
Schau mir in die Augen, Kleines (202311)
*********herz Mann
3.941 Beiträge
Themenersteller 
Zeitliche Reihenfolge in Beziehungen
Ich schlage vor, dass daraus ein separater Thread ensteht.

Find'sch gut. Bin dabei.
Kannst Du gerne aufmachen, Falcon.

Ich bestehe nicht auf Vortritt *zwinker*

T*wink*M
Schau mir in die Augen, Kleines (202311)
*********herz Mann
3.941 Beiträge
Themenersteller 
"Wilde" Polyamorie?
@**vy:
in ihrer wilden freien Form wäre die Polyamorie ein Gegenentwurf, durch Bürokratisierung, kleinteilige Definitionen, Vereinsmeierei kriegt man sie aber auf eine banale Ebene gedrückt, dann wird sie, was die Öko-Bewegung geworden ist: dogmatisch, rechthaberisch, eng, unsinnlich.

Ich fürchte, es könnte einige Zustimmungen geben, wenn ich behaupte: die Polyamorie ist schon lange auf der von Dir befürchteten Ebene angekommen.
Polyamorie ist längst eingeordnet zwischen freier Liebe, Swingen, offener Beziehung, Casual Sex und und und. Es gibt seitenweise Bücher, die Klarheiten vermitteln wollen und teilweise auch können. Polies diskutieren erbsenzählerisch was polyamor ist und was nicht und sogar immer wieder mal, wie man es den "richtig" schreibt.

Die Gartenzwerge sind mitten unter uns, und ich lasse mich gerne in Eurem Vorgarten erlegen, wenn jemandem das wichtig sein sollte *lol*

Das einzig Wilde an der Polyamorie ist, wenn man sie lebt.
Von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt ist alles dabei - nur wesentlich dynamischer als in den meisten monoamoren Beziehungen.
Voll dat Leben halt.

T*g*M
***vy Frau
224 Beiträge
@tom
Gartenzwergenalarm im Polyland *g*
Schreibweise ist schon wichtig: Luvy bedeutet nix, luvvy bedeutet was
*******s_U Mann
961 Beiträge
Wer im System aufbegehrt, bestärkt damit das System.
Diesen Satz halte ich, gelinde gesagt, für höheren Unfug. Stelle ich mich außerhalb des Systems, entziehe ich diesem meine Meinung und bestärke dadurch die herrschende Doktrin: ohne Widerspruch, mit dem sie sich ansonsten auseinandersetzen müsste, lebt es sich für diese einfacher.

Solche philosophischen Traktate wären um Einiges verständlicher, wenn der Autor konkrete Beispiele anführen würde. Kant hat es damals vorgemacht; deshalb kann man über sein Werk auch tatsächlich diskutieren.

Adornos Texte dagegen halte ich nicht (mehr) für Fachsprache. Es ist Geschwurbel – mit dem er zielsicher verschleiert, dass die Entsprechung seiner Gedanken mit der realen Welt gegen Null geht (außer in den Passagen, in denen sie gegen minus unendlich abdriftet *baeh* ).

Zur weiteren Lektüre empfehle ich:
http://de.wikipedia.org/wiki/Sokal-Aff%C3%A4re
Schau mir in die Augen, Kleines (202311)
*********herz Mann
3.941 Beiträge
Themenersteller 
Sokal-Affäre
das war ein Vorgang wissenschaftlich-intellektueller Hochstapelei als Form des eleganten Unsinns...

Vielleicht ist es ein Vorteil, dass ich keine "wissenschaftlichen" Texte lese, sondern versuche, mit meinen wenigen Informationen selbst nachzudenken, indem ich wenig Fremd"wissen" mit eigenen Lebenserfahrungen vernetze und nicht alles glaube, was sich mir als "wissenschaftlich" präsentiert.

Denn ich habe nicht die Ausbildung, um zwischen seriöser Wissenschaft und Lobbyismus incl. Traktaten profilneurotischer Akademiker jedweder Couleur zu unterscheiden.

Letzlich kommt es mir darauf an, dass ich Lösungen für mich finde, zu denen ich stehen kann, denn eine "objektive Wahrheit" werde ich mit meinen Mitteln wohl nicht finden können.

T*herz*M
*******s_U:
er im System aufbegehrt, bestärkt damit das System.Diesen Satz halte ich, gelinde gesagt, für höheren Unfug.

Lieber Matthias,

es war gar nicht meine Absicht, so das Kind gleich mit dem Bade auszuschütten. Ich teile ja Adornos Pessimismus in Bezug auf eine Veränderbarkeit der Verhältnisse nicht. Aber ich kann seinen Pessimismus verstehen - dieser basierte auf der erschütternden Erfahrung des Nationalsozialismus und der Greueltaten, denen so wenig Widerstand entgegen gesetzt wurde. Der Hinweis soll genügen, um für ein wenig mehr Verständnis für die inneren Kämpfe derjenigen zu werben, die in den 50er und 60er Jahren um neue Perspektiven rangen.

Und außerdem: Ich teile Deine Kritik an der Unverständlichkeit mancher Wissenschaftssprache, aber dennoch: nicht alles, was man nicht gleich versteht, ist Geschwurbel *zwinker*

Cheers
Joshi
*******s_U Mann
961 Beiträge
Der Hinweis soll genügen, um für ein wenig mehr Verständnis für die inneren Kämpfe derjenigen zu werben, die in den 50er und 60er Jahren um neue Perspektiven rangen.
Hmm, ja. Das Ringen nach Perspektiven ist die eine Seite. Und ich unterstelle den so schreibenden Leuten auch nicht immer Absicht, wenn sie die Tatsache, dass sie eigentlich nichts sagen, letztlich hinter wortgewaltigen Satzmonstern verstecken.

Aber ich habe, ehrlich gesagt, mehr Achtung für Leute, die sich stattdessen hinstellen und rundheraus zugeben, dass sie für das Erlebte keine Erklärung haben. Geschweige denn eine Idee, wie dessen Wiederholung zu verhindern sei.

Dass wir eine solche Idee immer noch nicht haben, sehen wir zB an Srebreniza. Oder an der Betriebsblindheit auf dem rechten Auge so einiger Organe unseres Staates, die angesichts der NSU und dessen Umfeld (bzw. dem bewussten Ignorieren der Tatsache, dass es da überhaupt ein Umfeld gab und gibt) wider einmal allzu deutlich zutage getreten ist.

Aber genug davon. Zurück zum Thema.

Polyamorie ist längst eingeordnet zwischen freier Liebe, Swingen, offener Beziehung, Casual Sex und und und. Es gibt seitenweise Bücher, die Klarheiten vermitteln wollen und teilweise auch können. Polies diskutieren erbsenzählerisch was polyamor ist und was nicht
Wundert dich das?

Ich meine jetzt nicht im Sinne deutscher Kleinkariertheit. Sondern ganz pragmatisch: neue Beziehungsformen brauchen neue Wörter; wenn ich statt "offene Beziehung" drei Absätze (oder, im Gespräch, fünf Minuten) brauche, um die Grundzüge meiner L(i)ebensform darzulegen, dann kommt keine brauchbare Diskussion zustande.
(Die fünf Minuten brauche ich immer noch, um darzulegen, was eine oB für mich denn konkret bedeutet – aber nur dann, wenn mein Gegenüber nachfragt)

Und weil das alles (also Poly, oB, etcpp.) neue Begriffe ohne feste a-priori-Abgrenzung zueinander sind, dann diskutiert man halt so lang herum, bis alle einigermaßen dasselbe darunter verstehen.

Das wird sich mMn erst dann ändern, wenn die Begriffe Teil so weit Teil der Gegenwartskultur geworden sind, dass man sie nicht mehr groß erklären muss.
Geschwurbel ...
oder ein flammendes Plädoyer für die Polyamorie .. oderso

Seit langem lese ich mal wieder einen ganzen thread und natürlich ist es wieder einmal ein total verkopftes Definitionsdifferenzierungsdings.

Diesmal aber möchte ich mich nicht von meinen verschwurbelten Gedanken leiten lassen, sondern bei dem was ich gefühlt habe.

Polies diskutieren erbsenzählerisch was polyamor ist und was nicht und sogar immer wieder mal, wie man es den "richtig" schreibt.

Die Gartenzwerge sind mitten unter uns,...

yepp, ... hier ist einer!

Man kann ja aber auch beobachten, dass offensichtlich bei etlichen Menschen gleichzeitig die Bindungsbereitschaft an einen Lebenspartner abnimmt. Ein schönes Beispiel ist gerade hier im Joyclub das Thema Casual Sex/Freundschaft+ - siehe die Gruppe zu diesem Thema. Die Mitgliedervorstellungen dazu sind voll von Formulierungen wie: "Nach meine Trennung möchte ich mich so schnell nicht wieder binden und suche erst mal nur unverbindlichen Sex." oder "Mir ist die Kompliziertheit einer Liebesbeziehung inzwischen zuwider, ich möchte nur noch einen Freund mit einem gewissen Extra ohne die Belastungen eines geteilten Alltags."

Ein Adorno könnte jetzt auf die Idee kommen zu sagen: "Ha, da haben wir ja jetzt sogar den Warencharakter von Beziehungen in Reinkultur. Keine menschliche Bindung mehr, nur noch geschäftliche Abmachung für einen definierten Zweck, Sex und Liebe als Freizeitware. Und die Profilkataloge dazu, wer wohl zu mir passen könnte, sehen auch aus wie Versandhauskataloge." Völlig falsch?

Vor einem Jahr hätte ich Adorno bis aufs Blut verteidigt ... 1000000oooo ... von Funktionsbeziehungen aufgezählt.

Hmm, ja. Das Ringen nach Perspektiven ist die eine Seite. Und ich unterstelle den so schreibenden Leuten auch nicht immer Absicht, wenn sie die Tatsache, dass sie eigentlich nichts sagen, letztlich hinter wortgewaltigen Satzmonstern verstecken.

Aber ich habe, ehrlich gesagt, mehr Achtung für Leute, die sich stattdessen hinstellen und rundheraus zugeben, dass sie für das Erlebte keine Erklärung haben. Geschweige denn eine Idee, wie dessen Wiederholung zu verhindern sei.

tada, ... hier ist einer (ich hoffe auf Deine Achtung)

Ich habe mich an Definitionsschlachten und Wertediskussionen aufgerieben, "wir" brachten alle unsere "Gutmenschen" ein und strickten unser Polyamoriekorsett. Täglich wurden wir "bessere Menschen" ... und das Korsett ein wenig enger. Jede Begegnung wurde zur Therapiesitzung ...

cut ...

Mein neuer Versuch ...

ich empfinde mich polyamor, sehe aber ein prinzipielles Kommunikationsproblem. Unsere Wahrnehmung scheint zu verschieden, als das wir uns auf die Bedeutung von Worten wie Liebe einigen könnten. Obwohl ich mich um einfache Formulierungen bemühe, beginnt mein Hirn schon wieder verschwurbelte Satzkonstruktionen zu konstruieren.
Für mein >Empfinden< wenig >konstruktiv< ...

und hier beginnt mein im Kreis >denken<.

Wie schon zuvor genannt fällt man immer wieder zurück in die Muster seiner Sozialisierung.
Da es sich bei Beziehungen um die sozialen EIgenschaften geht, habe ich mich für die Verhaltensforschung interessiert und habe nun zwei Hunde (Gänse mochte ich nicht in der Wohnung *zwinker* ).
Die Hunde lehrten mich die hier so eifrig diskutierten "Werte" (z. B. Respekt, Achtsamkeit, Authentizität) im Praxisversuch.
Ich lernte sehr schnell, z. B. wenn ich nicht die nötige "innere" Überzeugung hatte, dann folgten meine Hunde nicht. Dadurch wurde mir durch die Hunde gespiegelt in wie vielen Situationen ich nur sicheres Verhalten vorspielte ...
.. was zu einigen überraschenden Korrekturen im Selbstbild führte.

Mir ist jetzt natürlich klar, dass ich jetzt wenig "wissenschaftlich" argumentiere, jedoch habe ich den Eindruck das solange wir versuchen neue Gesellschaftsformen zu "denken", wir immer wieder auf die (altbekannten Denk-)Muster verfallen.

„Die Probleme von heute sind mit der Denkweise von gestern nicht zu lösen.“ Albert Einstein.

Um das "wenig wissenschaftlich" noch ein wenig zu steigern ... ich hörte schon oft von esoterischen / spirutuellen Menschen das man "mit weitem Blick offen für das Leben sein" soll. Mir war das immer zu abstrakt, jedoch setzte ich mich auch durch die Hunde mit deren Wahrnehmung auseinander, denn sie verfügen über einen unbändigen (Jagd-)Trieb.
Ich habe Windhunde und sie gehören zur Gruppe der Sichtjäger. Zu Anfang war es für mich irritierend mit ihnen nur einen halben Meter an einem Karnickel vorbei zu gehen und die Hunde übersahen es einfach. Ich erlas mir das die Hunde hauptsächlich auf Bewegung reagieren ...
und zog Parallelen zum "weitem Blick".

Und noch einen "Hauch Wissenschaft".
Es gibt im Gehirn zwei "Bereiche", die für das "Sehen" zuständig sind. Mit dem einen fokussieren wir, mit dem anderen nehmen wir Bewegung wahr.
Aufgrund der Flut an (Seh-)Informationen werden nur ca. 10% davon verarbeitet, den Rest konstruiert das Gehirn.
Wortkombinationen von "vertraute Umgebung" geht mir dabei durch den Sinn. Sieht man dann noch genau hin?
Und wie sieht es mit vertrauten Menschen aus? ... was nimmt man wahr?

Ich denke wir haben schon zu sehr unsere Wahrnehmung für unsere Sinne verloren. Viele der Muster dienten dem Überleben und zusätzlich hatte der Mensch auch immer eine kreative und soziale Seite, die uns z. B. jetzt zu einem Austausch über das Gesellschaftsmodell "polydings" führt.
Jedoch werden wir unseren Überlebenssinnen immer weniger (art-)gerecht. Wir sind von der Anatomie für das Laufen / Bewegung ausgerichtet - sitzen aber immer mehr, unser Gehör fokussiert mittlerweile das Telefonklingeln - nicht mehr das Geräusch des Windes, Bewegung erfüllt nicht mehr Überlebensinn - body-design ist ist Visitenkarte ...
Der Tierschutz würde bei mir eingreifen, wenn ich meine Hunde so behandeln würde ...
und ich will auf folgendes hinaus:

gesunder Geist in gesundem Körper

oder ... geht es meinem Körper gut, dann fühle ich mich auch gut.

~Beleg: tägliche Spaziergänge helfen gegen Depression

*******s_U:
Sondern ganz pragmatisch: neue Beziehungsformen brauchen neue Wörter; wenn ich statt "offene Beziehung" drei Absätze (oder, im Gespräch, fünf Minuten) brauche, um die Grundzüge meiner L(i)ebensform darzulegen, dann kommt keine brauchbare Diskussion zustande.

na, .. ein Versuch das auszudrücken wofür mir die Worte fehlen, ich kann nur mein Empfinden ausdrücken ... ich empfinde unsere Gesellschaft als un-ausgeglichen, ... wenig artgerecht.
Zeit für die Veränderung ...
ich hoffe das war konstruktiv *zwinker*

*blume* MondZeit
Danke, MondZeit..

und wie wäre es, wenn wir, statt zu

*****eit:
versuchen neue Gesellschaftsformen zu "denken"

einfach mal das Gefühl dazu zuließen?

Das wäre doch mal eine Alternative zum "Definitionsdifferenzierungsdings".. *ggg*

..ethicalslut
na, ...
es ist auch eine Frage von "konstruktiv"

Fühlen ist toll ... Hedonismus, hurra!!!

Es ist eine Frage des Verständnisses .. ist es das Suhlen im Dreck?
... oder Individualismus?

Auf welcher Ebene will / kann man / frau sein / ihr Handeln ethisch /moralisch vertreten?

Welcher Maßstab dient?


MondZeit
Der Hund beißt sich in den Schwanz?
Ich finde den obigen Beitrag von Mondzeit klasse. Endlich mal andersrum denken *g*, fühlen zulassen, eigene Begrenzungen sehen und annehmen, akzeptieren, dass es auch alles "anders sein kann"...

*****eit:
sehe aber ein prinzipielles Kommunikationsproblem. Unsere Wahrnehmung scheint zu verschieden

Nun, wenn das Denken immer wieder in eine Sackgasse führt, könnte man ja auf die Idee kommen, dass es noch andere Sinne gibt, die hilfreich zur Seite stehen. Stetes verkopftes Denken setzt die Gefühle schachmatt. Praktisch, so ein Gehirn, statt zuzugeben, dass zulassen dessen was ist, auch Angst machen kann (ehe wir mitbekommen, dass das die allergrößte Illusion des aufgeblähten Egos ist), schieben wir solcherlei Gedanken in eine dunkle Ecke. Erledigt der Fall.

Wie schon zuvor genannt fällt man immer wieder zurück in die Muster seiner Sozialisierung.

Sag ich's nicht? *g* Und wer ist dafür verantwortlich, wenn nicht wir selbst? Klar, auch bei bestem Willen werden wir keine neuen Menschen und nicht jeder hat das Potenzial oder den Leidensdruck, sich vom Saulus zum Paulus zu wandeln.

Auch ich mag Einstein Zitate:

Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Verstand ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat

(Albert Einstein)

Scheint ja alles sooo neu nicht zu sein. Vielleicht (und wahrscheinlich) sind die Anteile von Denken und Fühlen in unserer wissenschaftsgläubigen Welt total in Disharmonie.

Und wenn dieser Gedanke - der sich logisch und zwingend ergibt - ausformuliert wird,

*******slut:
einfach mal das Gefühl dazu zuließen?

probt das Ego gleich mal den Aufstand. Ist ja der Chef im Ring *g*.

Fühlen ist toll ... Hedonismus, hurra!!!

Und so beißt sich der Hund in den Schwanz...

So, mein morgenmuffliges Gehirn braucht jetzt erst mal einen Kaffee *kaffee* .

Bis denne...
*blume*
Falcon
Und so beißt sich der Hund in den Schwanz...
... treffend bemerkt.

Ich denke daher bin ich im Moment nicht in der Lage den Anfang zu finden ... Hirn frisst Gefühle auf ...

und nirgendwo ein WegWeiser.

*blume*
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