Braucht die Welt Gedanken über Liebe?
Liebe Falcon_Fly,
ich danke Dir für Deinen Beitrag. Ein Satz hat weiter führende Gedanken in mir angestoßen, die wegen ihrer nüchternen Radikalität provokant wirken könnten. Es ist nicht meine Absicht, zu provozieren oder zu überzeugen. Beweisen kann ich hier mit meinen Mitteln nichts Ich möchte einladen zum Einlassen, Mit- und Weiterdenken. Ich stelle Thesen auf und gehe ihnen gedanklich nach auf meiner Entdeckungsreise zum liebenden Menschen in mir.
Natürlich schreibe ich nur über meine aktuellen Gedanken ohne Anspruch auf Gültigkeit für jeden einzelnen von Euch oder eine mir nicht bekannte Mehrheit. Wenn manche Sätze verallgemeinernd wirken, dann ist es nur das, was ich denke. Es muss nicht das sein, was tatsächlich ist. Randbemerkungen sind kursiv formatiert.
Warum stellt der TE diese Frage? Denn die Welt braucht sicher keine solche Veränderung, die hat andere Probleme.
Könnten vielleicht Leid und Not durch zerstörte Sozialgefüge, Gewalt und/oder ungleiche Ressourcenverteilung/-nutzung solche Probleme sein? Oder meinst Du etwas Wichtigeres?
Sind das vielleicht Themen, die mit gelebter (Un)liebe zu tun haben? Wo beginnen diese Probleme? Vielleicht in unseren Gedanken? Sie werden Sprache und/oder Handeln und wirken in unsere sozialen Beziehungen und unseren Umgang mit der Natur.
Könnte es sein, dass all die Menschen, die unter den genannten Problemen leiden, sich nicht bewusst sind, wo des Übels Ursache und wo der Schlüssel zu ihrer Lösung liegt? Dieter Duhm hat dazu interessante Anregungen gegeben und u.a. gesagt: „Solange in der Liebe Krieg ist, wird es in der Welt keinen Frieden geben.“
Wenn fast alle Menschen in ihren Liebesbeziehungen glücklich wären, gäbe es sicher keinen Anlass, über unsere Vorstellungen von Liebe, Treue, Solidarität und die damit verknüpfen Vorstellungen kritisch nachzudenken. Besser gesagt: nachzudenken darüber, wie wir mit unseren Vorstellungen umgehen. Die moralischen Werte, die der Liebesbegriff im Einzelnen umfasst, werden prinzipiell, so hoffe ich, vom größten Teil der Weltbevölkerung geteilt und angestrebt.
Alle Menschen, die in ihren Liebesbeziehungen nicht zufrieden sind, könnten also Anlass haben, über den Umgang mit ihrem Liebesideal nachzudenken.
Darüber hinaus könnten dies alle Menschen tun, die der Meinung sind, dass es in der Welt mehr Frieden, weniger soziale und ökonomische Not geben sollte. Das ist imho vom Liebesverständnis nicht zu trennen, weil es Auswirkungen auf uns, unsere Wirkung auf andere Menschen und den Umgang mit ihnen und der Natur hat/haben sollte.
1. Liebe ist.
Nur wenn sie da ist, kann sie wachsen. Manchmal ist sie da, aber wir spüren sie nicht, weil wir uns z.B. aus Angst vor Verletzung nicht spüren. Verliebtheit kann die Liebe verdecken oder vortäuschen. Wenn die Verliebtheit geht, zeigt sich die Liebe – oder nicht.
Liebe braucht kein Objekt. Sie ist autark.
Wann ist Liebe? … Wenn zwei oder mehr Menschen in positive emotionale Resonanz gehen, die sich jeweils vom Gegenüber geliebt fühlen. Das weist auf die wichtigste Funktion der Selbstliebe hin: die Fähigkeit, sich geliebt fühlen zu können, der Liebe wert zu sein.
Das ist etwas anderes, als zu glauben, mensch habe, weil er so liebenswert ist, nun einen Anspruch darauf, dass ein Anderer so oder so ist oder dies oder das tut, oder ein Objekt zu haben, um seine Liebe leben, teilen oder schenken zu
können oder zu
wollen. Genau das kann verheerende Folgen haben.
Liebe ist nicht abhängig von Aktivität, Passivität, schenken, geben oder haben wollen, sondern vom Sein. Liebe ist, meinten schon hellere Sterne als ich.
Persönliche Existenz, Selbstannahme/-liebe, Begegnung und Resonanz genügen. Könnte das gemeint sein, wenn gesagt wird, „Erleuchtete“
sind Liebe?
Auslöser für das Gefühl von Liebe ist prinzipiell das Ergebnis eines positiv bewerteten Resonanzphänomens, der auch einseitig empfunden werden kann.
Haben deshalb Menschen in seltenen Fällen das Gefühl von „Liebe auf den 1. Blick“ ohne den Prozess des Kennenlernens? Vorstufen der Liebe wie Sympathie und Verliebtheit zeigen sich oft sehr schnell, und wenn nicht, passiert später oft auch nicht mehr viel… Da geht etwas in Resonanz, wenn auch manchmal nur die Vorstellungen, und Eigenresonanzen gibt es auch…
2. Treue wächst.
Erst dann kann sie da sein. Es kann sich so anfühlen, als sei sie von Anbeginn da, bevor sie gewachsen ist. Das ist eine Täuschung. Treue braucht ein Objekt, Zeit, und Wiederholung und, in Liebesbeziehungen unter Menschen, in der Erfahrungswelt eines Gegenübers.
Treue ist, anders als die Liebe, ein Phänomen von Zeit (Dauer) und Frequenz (Wiederholung) in der gelebten Realität. Beide werden im geltenden Liebesideal auf die ein oder andere Weise untrennbar mit einander verknüpft. Damit werden Dinge verbunden, die nicht zusammen gehören müssen. Ich kann das Gefühl von Liebe haben, ohne treu zu sein - und umgekehrt. Sonst wäre Vergebung nicht möglich.
Der Systemfehler in Liebe und Treue liegt in unseren Soll-Vorstellungen/Erwartungen, wie etwas in unserer Umwelt hätte sein sollen oder in Zukunft sein soll, damit es uns
jetzt gut geht oder wir dies oder jenes in unserer Macht stehende (nicht) tun (können). Idealerweise werden diese Absichten immer wieder geäußert, bekräftigt und einem Gegenüber bewiesen.
Würden wir uns selbst(-) bewusst so verhalten, denken und fühlen, wie es
unseren Vorstellungen von
uns entspricht und nicht Ähnliches oder das Gleiche vom Anderen erwarten, wären wir einen wichtigen Schritt weiter, weil Liebe dann nicht mehr (so) weh tun könnte.
Hätten wir die Weisheit und die Seelenkraft, nicht nur uns, sondern das Leben mit allem, was geschieht, umfassend und friedlich in Liebe anzunehmen und sein zu lassen, auch wenn es uns berührt oder gar empfindlich beeinträchtigt, bräuchten wir die Verknüpfung von Liebe und Treue nicht. Dann wären wir Liebe, die alles vergibt und wären „erleuchtet“.
Wer das für sich erreicht hat oder wenigstens mit seinem aktuellen Leben und der Welt zufrieden ist, braucht natürlich über all das nicht mehr nachzudenken und kann die Probleme der Welt getrost bei ihr lassen… oder gerade nicht, weil er teilen, verschenken, verströmen oder sich in den Dienst Anderer stellen möchte? Wie auch immer… Schweigenden wird ja Weisheit nachgesagt. Immerhin kann mensch ihnen nichts nach
weisen…
Leider waren die Botschaften aller Friedens- und Religionsstifter zusammen nicht stark genug, die Verhältnisse der letzten Jahrtausende im Ergebnis entscheidend zu bessern. Es wird jeder Mensch gebraucht. Vielleicht sind die Verhältnisse deshalb so, wie sie jetzt sind. Wir lernen wohl am besten aus den Erfahrungen, die wir zu brauchen scheinen.
lich unerleuchtet grüßt Euch
T
M