aus der Sannyasszene:
"Die Therapeutin Vasumati spricht über unterschiedliche Beziehungsstationen, zwischenmenschliche Herausforderungen und Reifungsprozesse
>
> Das Interview führte Ishu
>
> Hast du ein Rezept für gelingende Partnerschaften?
> (lacht) Das ist weniger ein Rezept. Es gibt aber durchaus einige Punkte, derer man sich bewusst sein sollte. Wenn du willst, dass deine Partnerschaft gelingt, solltest du dir zunächst die Frage stellen: Wie kann ich erwachsen werden? Denn genau das ist ja oft das Problem unserer Beziehungen. In einer Partnerschaft begegnen wir uns oft nicht als Erwachsene, sondern als bedürftige Kinder. Wir kommen mit einem großen Defizit aus unserer Kindheit und wollen jetzt, dass unser Partner dieses Loch stopft. Das ist unser großer Irrtum! Niemand kann dir geben oder wiedergutmachen, was deine Eltern versäumt haben. Das wird nie funktionieren! Daher wäre der erste Schritt, dass wir lernen ehrlich mit uns umzugehen, wenn wir in dieser Art Kinderwelt sind. Das ist wie eine Trance, wo du glaubst, dass du ganz dringend etwas von deinem Partner brauchst und nicht überleben kannst, wenn er es dir nicht geben kann.
>
> Aber da musst du dir zunächst mal darüber bewusst werden, dass das Kind in dir weiterlebt und manchmal deine Wünsche bestimmt. Doch spätestens mit 20 Jahren fühlst du dich erwachsen und hast gar nicht das Gefühl, dass du teilweise noch in deiner Kinderwelt lebst…
> Dass du in dieser Welt bist, merkst du daran, dass du sehr emotional agierst und stark überreagierst. Oft bestimmen dich dann extreme Gefühle von Panik und Angst. Du fühlst dich nicht gesehen und nicht geliebt. Und so bist du natürlich nicht in der Lage auf entspannte Weise zu handeln und zu reagieren. Entweder du wirst sehr aggressiv oder du fühlst dich total verlassen und ausgeliefert. Und es ist immer der andere, der dir etwas antut. Wenn du dieses Gefühl hast, dass dir etwas angetan wird und du vollkommen hilflos bist, dann agiert meist das Kind in dir und nicht der Erwachsene. Dann sind wir nicht in der Lage zu sehen, was wir selbst zu der Situation beigetragen haben. Wie wir auch selber Dinge kreieren, die uns nicht guttun.
>
> Wenn wir uns als Opfer fühlen, sind wir also meistens in der Welt des Kindes?
> Ja, das ist wie eine Trance, die du für die Realität hältst. Genau das macht Beziehungen oft sehr schwierig: Das Kind in dir hat riesige Erwartungen an den anderen, wie er sein sollte und was er dir geben sollte. Tatsächlich ist es ja oft so, dass wir in Wirklichkeit im anderen den Elternteil suchen, der uns bedingungslos liebt. So erwartet ein Mann oft, dass die wirklich liebende Frau ihn auch mit anderen Frauen sein lassen kann. Dann macht er seine Partnerin zur Mutter. Keine Frau bei klarem Verstand würde sich auf so eine Beziehung einlassen. Denn dann müsste sie einverstanden sein, die Mutter zu spielen, die ihn bedingungslos liebt – egal was er tut.
> Bei den Frauen ist es oft so, dass sie wollen, dass der Mann einfach alles wertschätzt, was sie tun. Er soll sie auf vollkommene Weise bedingungslos lieben. Das ist unrealistisch. Wenn solch unrealistische Erwartungen im Spiel sind, wird die Beziehung schiefgehen. Weil dir eben niemand geben kann, was du nicht von deinen Eltern bekommen hast. Und darum sollte es in einer Beziehung auch nicht gehen.
>
> Worum sollte es denn gehen?
> Wenn du wirklich wachsen willst, dann ist eben auch deine Beziehung Teil deines spirituellen Weges. Dein Partner kann dir Teile in dir zeigen, die du nicht sehen kannst. Er kann dir deine blinden Flecken spiegeln, sodass du diese Verletzungen liebevoll anschauen und heilen kannst. Das ist eine erwachsene Beziehung. Da verstehst du, dass es nicht nur darum geht Liebe und Zuwendung zu bekommen, sondern auch Herausforderungen anzunehmen, an denen du wachsen kannst. Dein Partner wird dich also herausfordern, indem er dir Aspekte deiner selbst spiegelt, die du sonst nicht sehen würdest.
>
> Eine wohl eher negative Herausforderung wirst du erleben, wenn du mit einem Partner zusammen bist, der dich schlecht und würdelos behandelt.
> Ja, das stimmt. Für eine bestimmte Zeit kannst du auch davon lernen – doch dann wirst du vielleicht erkennen, dass du ein Muster wiederholst, das eine lange Geschichte hat. Fast immer hat es mit Störungen der Ursprungsfamilie zu tun. Gerade solche destruktiven Partnerschaften haben oft Suchtcharakter. Warum kehren wir immer wieder zu dem Partner zurück, der uns verletzt und missbraucht? Weil wir ganz tief in uns ein Bild tragen, dass wir genau das verdienen! So suchen wir aus unserer Verletzung heraus, aus dem nicht bearbeiteten Schatten unserer Kindheit, jemanden, der diese alte Wunde immer wieder neu aufreißt. Wenn wir uns dieses Musters bewusst werden, können wir aus der verletzenden Beziehung herausgehen und anfangen die Wunde zu heilen. Du brauchst nicht die alte Verletzung immer wieder aufs Neue zu wiederholen. Allerdings braucht es meistens drei bis vier Mal, bevor uns überhaupt bewusst wird, dass es sich um ein Muster handelt. Dass es aus deinem Rucksack kommt, den du schon dein ganzes Leben lang mit dir herum schleppst. Vielleicht ist jetzt die Zeit gekommen, den Rucksack auszupacken…
>
> Doch das tun wir meist erst, nachdem wir viel gelitten haben.
> Ja, manchmal gehört Leiden dazu. Und manche leiden besonders viel, weil die Wunden ihrer Kindheit sehr groß sind und sie noch nicht bearbeitet haben. Dann begegnen uns diese Wunden immer wieder neu in unseren Beziehungen. Und natürlich gibt es auch Menschen, die brauchen ihre Probleme nicht in ihren Beziehungen zu bearbeiten. Unterschiedliche Leute haben unterschiedliche Wege. Ich musste leider viel an meinen Beziehungen arbeiten – mir blieb gar nichts anderes übrig. Das ist aber nicht das Karma von jedem.
>
> Braucht ein Meditierender denn überhaupt eine Beziehung – kann er nicht sagen: Ich meditiere und das ist genug?
> Für manche stimmt das auch. Es gibt wirklich Menschen, die können ihren Weg allein gehen. Meistens ist das aber eine Schutzbehauptung, eine Art vermeidende Abwehr, und dahinter steht eine große Angst vor Nähe und Intimität. Dann geht es natürlich nicht wirklich um Meditation und es wäre ehrlicher zu sagen: „Ich habe riesige Angst, jemandem wirklich nahezukommen, weil ich dann nicht weiß, was mir begegnen wird. Damit will ich nicht konfrontiert werden, da meditiere ich lieber.“ Doch wie gesagt: Es gibt auch Menschen, für die ist das keine Ausflucht. Die sind auf ganz natürliche Art Meditierende, und Beziehung ist einfach nicht ihr Thema. Nur solche Leute werden auch keine Angst vor Beziehungen haben. Wie gesagt: Bei mir war das anders. Ich musste wohl wirklich den Leidensweg durch die Beziehungen gehen.