klasse
Ja, verleiht auch vielen meiner Gedanken Worte.
Die Kommentare sind gut, denn ich bin in dem Text auch über das Ideal der romantischen Liebe gestolpert. Ich glaube nicht, das man die Entwicklung linear sehen kann, im Gegenteil. Die romantische Liebe, verknüpft mit rein sachlichen Zusammenhängen von Besitz, Stand und Abstammung, sprich klassischer Macht- und Kapitalverteilung hat ja erst unser gesellschaftliches System von Familie, in die wir hineingeboren wurden, geprägt - und damit auch unser Verständnis von Liebe und Partnerschaft. Das sich dieses immer weiter auflöst, liegt aber nicht an kognitiver Reflexion, sondern schlicht daran, das es einfach nicht trägt, einfach nicht funktioniert. Die Alternativen, die sich mit diesem Zusammenbruch bilden, sind, so sehe ich es, allesamt persönliche und oft recht verzweifelte Versuche, sich irgendwie zu orientieren, Halt zu geben, Plan zu haben. Ich finde das natürlich, vielleicht weil ich mich selbst in dieser Phase empfinde: Aus den Trümmern des Hauses, das zusammengefallen ist, versuche ich eine Unterkunft zu bauen, das mich schützt. Ich versuche andere Kontexte, andere Bezüge zwischen den Bauteilen, und mit der Zeit finde ich auch neue Komponenten, die ich einsetzen kann - es ist aber ein temporäres Gefüge, das sich immer wieder an Wind und Wetter messen muss: hält es? Bietet es mir genügend Schutz? Und kann ich mich darin genügend bewegen? Und bietet es meinen Freunden den auch?
Ich habe nie monogam leben können; immer mit schlechtem Gewissen, etwas Verbotenes zu tun, etwas zu tun, was dem Anderen weh tut. Ich erzählte es schon einmal: meiner jetzigen Partnerin habe ich von vornherein meine Lebens- und Liebeshaltung erklärt; übrigens tatsächlich ohne eine Partnerschaft zu wollen, im Gegenteil habe ich sie ausgeschlossen, immer wieder mich dagegen gewehrt. Wir haben uns lieben gelernt, eine für mich ganz wunderschöne Erfahrung, nur mit dem Anspruch, sich gegenseitig gut zu tun, in eine Begegnung zu gehen, ganz ohne Kalkül, ohne Abschätzung von Wert und Gegenwert, Leistung und Gegenleistung - und irgendwann einfach zu entdecken, wieviel kleine liebevolle Dinge geschehen sind. Na egal, ich wollte sagen, das sie nicht mit meiner Haltung klar gekommen ist und Austausch suchte. Sie hat mich letztendlich motiviert, noch einmal völlig anders in das Thema einzusteigen, und ich danke ihr dafür sehr. Es sind die Gruppen, die mir geholfen haben, mich inspiriert haben und mir ganz neue ganz grosse Räume aufgemacht haben. Und genau da sehe ich heute das Problem: im Einzelnen, allein und so ziemlich isoliert funktioniert es einfach nicht. Umgeben vom ganz normalen Alltagswahnsinn fühle ich mich oft völlig hilflos, und komme ich zu einer Veranstaltung zurück in solch eine Gruppe, merke ich, wie wichtig es ist, sich zu vernetzen, Kontakt zu halten, miteinander kommunizieren zu können. Mich macht diese Distanz, dieser Gegensatz gerade sehr verzweifelt.
Ich bin nicht so intellektuell unterwegs und kann nur versuchen zu beschreiben, wie ich es erlebe: Beziehung ist auch Schutzraum; vom anderen nicht immer bewertet zu werden, nicht immer abschätzen zu müssen, welche Investition zu welchem Ertrag führt, und welches Defizit zu welchem Verlust an Zuwendung führt. Ich möchte angenommen werden, und ich nehme gern an, trage auch einfach gern und von Herzen mit, bin einfach da, bedingungslos quasi. Ich fühle mit, gebe Schutz und Liebe und Raum, einfach auch schwach sein zu können. Und erlebe zur Zeit, wie ich diesen Raum bekomme, ich mich fallen lassen kann und in Krisenzeiten überhaupt nicht stark bin, noch nicht einmal fair und gerecht. Die Grenzen dieses Sich-Ausleben, mir fällt grade kein besserer Begriff ein, sind nicht eine Abmahnung seitens des Partners, die Grenzen bekomme ich mit dem Gegenüber mit; in Offenheit, Achtsamkeit und ja vielschichtiger Kommunikation, eben auch körperlicher. Der Raum, den ich von ihr bekomme, entbindet mich nicht von meiner Eigenverantwortung; von der Notwendigkeit der Selbstreflexion. Im Gegenteil: dieses Gegenüber drängt mich geradezu zu Entwicklung - aber eben in Liebe und Vertrauen und Zärtlichkeit und Streit und Schutz.
Mich in einem anderen Kontext zu erleben, anderen Menschen zu begegnen, andere Liebe zuzulassen, ist mir wichtig. Ich betrachte es nicht als Ausbruch, als Kompensation oder gar als Vermeidung genau der Auseinandersetzung mit dem Partner und damit auch mit mir. Im Gegenteil ist mir irgendwann mal aufgefallen, das ich in Zeiten von Krisen und Beziehungsproblemen garkeinen Raum für andere hatte. Ging es uns gut, war ich offen und lebte und liebte sehr gern in der Welt herum. Lag etwas an, dann war ich nie weg, sondern immer da.
Oh Mann, sry ich bin kein Texter und bringe irgendwie nicht rüber, was ich sagen möchte
In Gemeinschaft von Menschen, die ähnlich offen sind, aber eben überhaupt nicht darauf aus sind, sich gerade mal eben ganz toll auszuleben und ihre Bedürfnisse zu befriedigen, bekommt alles einen ganz anderen Rahmen, einen grossen Raum, in dem man sich ganz anders bewegen kann. In dem Liebe etwas viel Größeres wird und der ganz spezielle, ganz intime Raum zwischen Partnern seinen Wert erhält, oder mit dem Bild von oben gesprochen, ein ganz neuer, eigener Raum wird, der Schutz und Entwicklung zugleich ermöglicht.
Gerald Hüther glaube ich war es, der mich mit einem Bild, das er beschrieb, sehr beeindruckte. Etwa so: wenn die äußeren Traggerüste nicht mehr halten und wegfallen, kann man natürlich neue versuchen zu bauen, man kann aber auch ein inneres Gerüst, quasi eine Wirbelsäule bauen, die von innen trägt, wirklich von innen. Das Schalentier zerfliesst, wenn man ihr die Schale wegnimmt. Ein inneres Skelett, ein innerer Halt wäre da schon hilfreich.
So verstehe ich auch viele konservative Verhaltensmuster: da fällt das Gerüst, die Mauer, und das ist ganz schlimm und muss daher sofort geflickt werden - am besten noch viel stabiler, weil die äußeren Einflüsse ja immer vehementer werden. Ein inneres Gerüst, eine Wirbelsäule, eine Haltung, wie wäre es damit? Man müsste auch nicht mehr so kämpfen...
Ja wie gesagt, ich weiss auch oft nicht wie und orientiere mich an Baumustern, die ich so gelernt habe. Schön, wenn man da zu ein paar mehreren ist und sich gegenseitig helfen und forschen kann, mit dem Bewusstsein das es ohne Schale schon auch schmerzhaft sein kann; also recht achtsam miteinander umgeht.