Also, wo ist die Grenze? Wer definiert mich als gestört und wer definiert mich als normal? Mit welcher Begründung?
Ich denke medizinisch gesehen gilt man als "krank", wenn man eine Gefahr für sich und/oder andere darstellt oder eben höchstselbst einen Leidensdruck verspürt. Darüber hinaus gibt es psychische Erkrankungen, die körperliche oder biologische Ursachen haben (zB ein gestörter Neurotransmitter-Stoffwechsel).
"Normal" oder "Gesund" gibt es als Diagnose nicht - man kann höchstens feststellen, dass keine der o.g. Störungen vorliegt, da es aber in vielen Fällen eben vor allem um den eigenen Leidensdruck geht, ist eine objektive Einschätzung schon prinzipiell nicht möglich.
Und statistisch gesehen haben soweit ich weiß mehr als 50% aller EU-Bürger mindestens einmal im Leben behandlungsbedürftige psychische Probleme ... von daher ist es statistisch gesehen "normal", gestört zu sein
Worauf der Eingangspost abzielt, ist aber glaube ich etwas anderes - da geht es schon irgendwie auch darum, wie gehen die anderen mit der eigenen Verfassung/Befindlichkeit um. Würde ich alleine auf einer Insel leben, wäre mir meine Persönlichkeitsstörung vermutlich gar nicht bewusst. Das fällt erst bei Kontakt mit anderen auf (und zwar vor allem mir selbst). Die anderen sind aber natürlich nicht schuld an meiner Situation, sondern führen sie mir nur vor Augen - ich kann Grrhs Standpunkt gut nachvollziehen, mir ging's lange ähnlich und ich bin immer noch dabei mich aus der Falle zu befreien. Klar kann man diskutieren, dass die Welt besser (aber auch freudloser) wäre, wenn jeder immer 100% gibt, immer Rücksicht nimmt, seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse unterordnet, sich selbst und seine Arbeit immer maximal kontrolliert, immer alle Seiten abwägt, bevor er etwas tut oder sagt ... und wenn man bei anderen das wahrnimmt, was man sich selbst verkneift, fängt man schnell an, die anderen zu verachten oder gar zu hassen (vgl. Moralapostel aller Zeiten, militante Nichtraucher/Veganer usw.). Bloß ... die anderen kannst du nicht ändern, du kannst nur an dir selbst arbeiten. In meinem Fall habe ich irgendwann erkannt, dass es vor allem unbewusste Zwänge und Ängste in mir selbst waren, die mich dazu gebracht haben, möglichst perfekt sein zu wollen - mir nichts zuzugestehen oder zu gönnen. Etwas zu tun, nur weil ich Lust dazu hab oder weil es mir guttut? Das ging viele Jahre nicht - Durst allein ist doch kein Grund zu trinken. Und die, die ihre Lust auslebten, habe ich verachtet - Schwächlinge, die ihre Bedürfnisse nicht unter Kontrolle haben. Aber das bringt ja nichts ... viel eher sollte ich mich den Zwängen und Ängsten in mir selbst zuwenden und selber lernen, mal 5 gerade sein zu lassen ... dann nerven auch die anderen, die das auch tun, nicht mehr so.